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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0040
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— 6938

Vom Kampf mit üem roten Drachen.

Erich Schilling

Die lilickkehr der Sieger aus Moabit.

Gabriel Löwenstein.

Km 77. Januar ist in Nürnberg der Nestor der deutschen So-
zialdemokratie, Gabriel Löwenstein, im Alter von 83 Jahren
an einer Lungenentzündung gestorben. Mit ihm verliert die
Partei wieder einen der wenigen, die jene für die Entwicklung
der deutschen Arbeiterbewegung entscheidenden Kongresse am
Ende der sechziger und anfangs der siebziger Jahre selbst mit-
gemacht und deren Entscheidungen mit beeinflußt haben. Als
am 5. September 7868 unter dem Vorsitz August Bebels der
fünfte vereinstag der deutschen Arbeitervereine in Nürnberg
zusammentrat, fungierte Gabriel Löwenstein als Vizepräsident
des Kongresses und griff in die Debatte über die Frage „Sollen
die Arbeiter Politik treiben?" entschieden im bejahenden Sinne
ein. „Die Bildung," so führte er aus, „dürfte nicht Selbstzweck
der Arbeiterbildungsvereine sein, sondern nur das Mittel, ihre
Bestrebungen für ein menschenwürdiges Dasein zu unter-
stützen." Cr gehörte daher auch zu der Rongreßmehrheit, die
das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation für
die deutschen Arbeitervereine akzeptierte. Löwenstein hat dann
die im Gegensatz zu den Lassalleanern stehende LiseUacher Par-
tei mitbegründet und ist in Nürnberg lange Zeit die Seele der
sozialdemokratischen Bewegung gewesen. Lr hat vornehmlich
an der Gemeindepolitik, dann auch an den Arbeiten des bape-
rischen Landtags regen Anteil genommen und konnte noch 7908
in voller Rüstigkeit den Nürnberger Parteitag der deutschen
Sozialdemokratie begrüßen. Die Partei wird das Andenken
an ihn stets in Ehren halten.

Verhindert.

Als die Mannen Jagmvs von ifirert Zeugenbänken
in Moabit wieder znm Polizeipräsidium heimkehrten,
erwartete sie ihr Feldherr mit gerunzelter Stirn.

„Wo sind die Lorbeeren," fragte er, „die ihr auf
den grünen Tischen der Gerechtigkeit pflücken solltet?"

Alles schw eg beschämt; ein erfahrener, alter Wacht-
meister aber faßte sich ein Herz und sagte:

„Wir konnten nicht, Herr! Denn wir mußten
immerzu schwören!" T.

ver Prozeß.

Sr war ein Schlag ins Wasser.

Seht ihr's nun selber ein?

Ihr sorlchen leisten Prasser,

Ihr eitlen „Pövel"-Hasser,

Wie seid ihr jetzt so klein!

Wie habt ihr flott gedichtet
Von 7?acht und Word und Graus
Und Stein auf Stein geschichtet!

Und da es aufgerichtet,

War's nur ein Kartenhaus!

Run steht ihr dumm und kläglich;
Und lang ward das Gesicht:

„War es denn wirklich möglich?"...
Ihr spottet eurer täglich.

Und merkt es selber nicht!

Stehn jetzt, ihr Drdnungschristen,

Im weißen Sngelskleid
Roch eure Polizisten?

Seid ihr mit uns bereit,

Den SchmutzstaU auszumisten?

Ss war euch, die voll Rage
Ihr hetztet ohne Ruh',

— Vv mit, ob ohne Gage —

Sin Schlag in die Visage!

Und Deutschland lacht dazu! r. £.

Kleines Gespräch.

„Du, Ede! Haste jehört? Der Staatsanwalt will
jetzt den Schutzmann suchen, der den Arbeiter Herr-
manu erschlagen hat!"

„Aber et is doch sehr fraglich, ob der sich ooch
von ihm finden läßt, Fritze!"

„Na, et jibt ’n janz einfachet Mittel dafor!"

„Woso denn?"

„Et braucht nur bekannt'jemacht zu werden: der
betreffende Schutzmann soll sich umjehend melden,
weil er 'n Orden kricjen soll! Det zieht!!" T.

Aus Preußen.

„Nach der neuen Thronrede ist mir ganz klar,
daß wir das gleiche Wahlrecht bekommen!"
„Nanu?"

„Ja, das gleiche — wie bisher."

Die preußische Thronrede.

Das „Loch" verhallte in der Runde —
Äerr Bethmann räuspert sich und spricht
Beinahe eine volle Stunde.

Doch von dem Wahlrecht spricht er nicht!

Er spricht von unserm Steuernzahlrecht
And von der patriot'schen Pflicht
Der „Jugendpflege". Nur vom Wahlrecht,
Bon dem versprochnen, spricht er nicht.

Wie den Etat man balaneierte.

Erzählt er strahlenden Gesichts,

Wie Posen man kolonisierte —

Nur von dem Wahlrecht hört man nichts.

Er denkt: Mit unbequemen Fakten
Wird doch die Laune nur vergällt.

And ivas nicht in den blauen Akten,

Das ist doch auch nicht in der Welt!

Er schweigt und mit ihm seine Drohnen. —
Doch draußen mahnt es fort und fort.

And die entrechteten Millionen
Ergreifen selber nun das Wort. P.E.

Lwei Marterln.

In Loablk.

hier liegt ein nmgefallener Leuge.

Lr machte zucrft die lchuldige Kniebeuge
vor dem geltrengen Herrn Staatsanwalt —
Ooch als er der frau lultitia
Hut die erhobenen Schwurtinger lah,

Befann er sich eines Betferen bald.

Der Herr schenk' ihm nun eine gute Nuh
Und dem Herrn Staatsanwalt dazu!!
o

An Ikälbcrmoor.

hier liegt eine geborstene Lentrumsläule.
wie jerichos Mauern vor fudas vrompeten
fiel lie vor dem Leitungsgeheule,
verstrickt in — leider — tleild)iichen Nöten.
Sie hatte schon längst gar manchen MH;
Doch lah man's nicht lo in der Finsternis.
Der Herr wende lein gnädig fluge drauk
Und richte lie bald wieder auf!!
 
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