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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0041
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6939

Heimarbeit.

»Ach, die Stickerei ist ja entzückend — ich kann mich gar nicht satt daran sehen."
»Ich werde leider auch nicht satt davon, gnädige Frau!"

6^ ttobelfpänc. eT

Daß vierzig Jahre nun steht das Reich,
Darüber ward viel geschrieben,

Doch ist es in der langen Zeit
Ein Reich der Reichen geblieben.

Gewappnet steht es vom Kopf zuin Fuß,

Die Rüstung wird stets noch schwerer.

Und längst ist der Beutel des armen Mannes
Geworden immer leerer.

So geht es mit Unabwendbarkeit,

Es wachsen alle Beschwerden,

Es wird das Reich eines schönen Tags
Ein Reich der Armen werden.

In einer Berliner Zopffabrik wurden für fünfzehntausend Mark
Zöpfe gestohlen. Wie sich herausstellt, befindet sich der preußische
Bureaukratenzopf leider nicht darunter.

Herr v. Jagoiv war neulich eingeladen worden, einen Passagier-
flug in Johannisthal mitzumachen. Er lehnte aber ab mit der Begrün-
dung, daß er nächstens sowieso — fliegen werde.

Diederich Hahn sagte im Reichstag: „Das deutsche Volk dankt uns
für unsere Steuerpolitik." Er versprach sich nur, er wollte sagen: „Es

bedankt sich für unsere Steuerpolitik." , .

Ihr getreuer Sage, Schremer.

Die vereitelte Revolution.

Die gutgesinnte Bürgerschaft
Durchlebte schwere Stunden:

Am Rand des Abgrunds hat sich jüngst
Das Vaterland besunüen!

Weh uns! Bei einem Haar gelang's
Den roten Bösewichten:

Zn Baden — denkt euch — wollten sie
Den Zukunftsstaat errichten!

Schon ballte heimlich sich die Zaust,

In der der Dollich zuckte,

Zn die Kasernen schmuggelte
Man Zettel, schwarz bedruckte!

Tat etwas Scheußlicheres je
Des Menschen Hirn ersinnen?

Ls sollt' der Sozialistenstaat
Bei dem Kommiß beginnen!

Den Grenadier und Züsilier,

Gemeinen wie Gefreiten,

Wollt' an des Kaisers Wiegenfest
Zum Umsturz man verleiten!

Wenn jubelnd zum Parademarsch
Erschallen die Trompeten,

Dann sollte die Verschwörerschar
Sich weigern anzutreten!

So wollte man die Monarchie
Bei ihren Wurzeln soffen
Und ohne Stechschritt diesen Tag
Vorübergehen lassen.

Doch, Gott sei Dank, noch herrscht Gesetz
Und Recht auf deutscher Erde,

Und klug und unermüdlich wacht
Die Militärbehörde!

sie kriegte rasch von allem wind,

Was sich vollzog im stillen,

Und konnte, eh' zu spät es war,

Den schwarzen plan enthüllen.

Den Umsturz lähmt ihr donnernd Halt
Auf seinem dunkeln Pfade —

Gerettet war das Vaterland,

Gesichert die Parade!

vernichtet steht der Rote da.

Bedeckt mit Schmach und Schande;

Doch jubelnd tönts von fern und nah
Wohl durch die deutschen Lande:

Gott schütze und erhalte uns
Die Militärbehörden,

Und mach', daß sie zu unsrer Lust
Sobald nicht alle werden. tobias.

Der Mvdernisten-Eid.

Ich schwöre bei Sankt Borromäus und Nampolla:
alle anf dem Index stehenden sogenannten Denker
von Plato bis Kant und Nietzsche für Kretins und
alle sogenannten Dichter von Goethe lind Heine bis
Schönherr für fff Satansbraten zu halten, —
fortan nur Schriften zu lesen, die in Donauwörth,
Regensbnrg, München-Gladbach und anderen christ-
lichen Orlen gedruckt sind, —
später die als Folge solcher Lektüre miansbleib-
liche Jdiotenanstalt nur dann aufznsucheu, wenn sie
unter priestcrlicher Leitung steht, —
alle ketzerischen Christenbrüder in christlicher Liebe
und Demut schleunigst dem heiligen Stuhl zu dcnnn-
zieren, insonderheit allen freimaurerischen Lehrern
das Leben zu der Hölle zu machen, die sie be-
zweiseln, —

mich überhaupt des Tons der Nächstenliebe zu
befleißigen, >vic der heilige Vater und wie Hoch-
Würden Kopp und Fischer, —
mich über alles zu entrüsten, was nach Logik,
Verstand, Kritik oder nach dem zwanzigsten Jahr-
hundert anssieht, —

die Zeitrechnung fortan rückwärts zu zählen,-

so wahr mir die Sankt« Simplicitas helfe!!!

Lieber Jacob!

Der Priejelpastor von Mieltschin is also
uff acht Monate kaltjestellt. De kleene Erho-
lungspause wird dem teiern Jottesmanne jut
tun, un ick hoffe, det seine im Dienste des werk-
tntijen Christentums verschivendete Muskel-
kraftsich in diese Zeit iviedersinden wird. Aber
wat soll aus ihn werden, wenn er nachher
neijestärkt ivieder in't Leben tritt? In Miel-
tschin werden se villeicht keene jroße Lust nich
mehr haben, seinen Tatendrang noch weiterhin
zu verwerten; also muß man sich beizeiten
nach 'ne aitdere passende Stelle for ihm um-
kieken. Et kann sind, det er als Scharfrichter-
jehilfe eene seinen Talenten un Neijungen zu-
sagende Beschäftijung find't. Da bei de christ-
lichen Hinrichtungen immer 'n Jeistlicher pflegt
zujejen zu sind, so könnte er ja ooch seine
theolojische Bildung bei die Jelejenheit jleich

mit verwerten: erst bedient er dem Delin-
quenten mit det Wort Jottes un denn köppt
er ihm. Oder wenn da jerade keene Stelle
nich frei is, könnten ihm am Ende de Bonner
Borussen als Kneipwirt oder Rausschmeißer
for ihre Korpskneipe engagieren. Die Leite
haben ja 'ne Vorliebe for'n enerjisches Ver-
fahren, un ick jloobe, Breithaupt wird siejejen-
ieber schon dem richtijen Ton un de richtijen
Jriffe zu finden wissen. Schließlich is ja ooch
noch Ortel von de „Deutsche Tageszeitung" da.
Der hat sich in sein Blatt mit sonne warme
Bruderliebe for dem Mieltschiner Heilijen in't
Zeig jelegt, det ick ieberzeigt bin, er wird ihm
mit Handkuß als Hauslehrer for seine Jören
anwerben. An det neetije Haudwerkszeig, det
er zu seine Pädajojik braucht, wird et ja in
Knuten-Orteln sein traulichet Heim nich fehlen.
Kurz un jut, ick mache mir wejen Breithaupt'n
seine Zukumft keene Sorje nich. For jlaubens-
starke Leite mit seine Bejabung findet sich im
Lande Preißen noch allemal 'ne jute Futterstelle.

Ville bedenklicher is dajejen det ruppije Be-
nehmen von die hessischen Volksschullehrer.
Die Leite wollen de Orden partuh nich nehinen,
die se der Jroßherzog jerne anhängen mechte.
Nu sollen se wejen Beleidijung ihres jnädijen
Landesvaters belangt werden. Scheeneken!
Aber wat wird nachher, wenn se ihre Strafe
abjebrummt haben un erklären: nu nehmen
wir dem Orden jerade nich! Ick jloobe, denn
wird nischt anderes nich iebrig bleiben, als
det se de Auszeichnung zwangsweise beijebracht
wird. Handschellen an de Vorderflossen, '»
Knebel in de Fresse »n denn mit Pollezei-
jeivalt det Ehrenkreiz vor de Brust jenagelt
— det wäre det richlije Verfahren jejen sonne
hartnäckije un boshafte Niederträchtigkeit! Un
weil de Menschheit wirklich schon so verkommen
is, det se sich jejen det Tragen von Orden
zur Wehr setzt: wäre et da nich am Ende det
praktischste, wenn de bunten Bänder von jetz
ab eenfach als Strafe injefiehrt wirden? For
Meineid un Notzucht dem Schwarzen Adler,
for Mord un Totschlag det Eiserne Kreuz
un for Majestätsbeleidijung dem Appelsinen-
orden!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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