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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0056
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6954

® Oer notleidende. ®

Beschwerlich ift des Candmanns Leben
Und viele Sorgen drücken ihn;

Drum mutz alljährlich er begeben
Im Februar sich nach Berlin,
hier pflegt er Rates unverdrossen,
hier spintisiert und grübelt er,
wie sein und feiner Leid'sgenoffen
Erbärmlich Los zu lindern mär’.

€r prüft mit strengem flugenmatze
Den Damenflor und mustert scharf:

Bald hat er in der Friedrichftrahe
Gefunden, was fein Herr bedarf,
er stiehlt sich aus dem Freundesschwarme,
€r flieht das haftende Gewühl
Und eilt mit fldelheid am firme
In ein verschwiegenes FIfyl.

Doch durch fein Herr rieht leifes Trauern,
€r fühlt die nahende Gefahr:
„wirdunfreSchweinewirtschaftdauern"-
So fragt er bang - „noch nächstes fahr?
In meinem Buten, trüb und kläglich,
Erlosch der letzte Hoffnungsstrahl,

Seit näher rückt und näher täglich
Die fürchterliche Zeit der Wahl.

Zu diesem Zweck weilt längre Zeit er
In derDerfammlung Lärm und Braus,
Dann geht er ein paar hänfer weiter
Und ruht sich bei kempinski aus.

Der Kummer rötet feine Wangen,

Das eiend schwellt den starken Leib -
Darum, mit sehnendem Bedangen,
Sucht er nach ein’gem Zeitvertreib.

Nachdem alldort er sich verweilet
ln Tätigkeit, doch ohne Haft,
Derlätzt die Stätte er und eilet
per Bedag nach dem Feenpalast.
€r schaut sich alle Lasterhöhlen
puf das gewifsenhaft'ste an.
Damit zu häuf davon erzählen
Er und darüber schimpfen kann.

„Grenzsperre, Schutzzoll, Liebesgaben
Und was noch fonft das Herz erfreut -
Dielleicht, ach, können wir begraben
Die ganze junkerherrlichkeit!"

Den trüben Grillen zu entwinden
Das sorgenschwere, schwüle Hirn,
Durchstreift im Frührot er die Linden
Und kühlt die heitze Denkedtirn.

„was hilft's, zu jammern und zu fluchen? „Dem Unheil ift nicht zu entrinnen!
was helfen Gram und späte Reu'?" Schweig' still, Herz, und ergib dich drin!" —

€r ruft’s und feine Blicke suchen, Dies murmelnd fetzt mit dumpfen Sinnen

Ob eine Bar schon offen fei. er sich zum Katerfrühstück hin. cebmann.

Preussenmarscl)

des Bundes der Landwirte.

Ich bin Agrarier, kennt ihr mich, ihr Schauten ?
Die Sahne weht mir schwarz und blau voran.
Dass fiir den Beutel meine Uäter klauten,
Das deuten, merkt, schon meine Sarben an!
Die werd’ ich bang verza—agen.

(Die jene will icb’s wa—agen.

Sei’s trüber Lag, sei’s heitrer Sonnenschein:
Ich sacke alles, was ich packe, ein! c.

Schutzmann v. Kröcher.

„Meine Herren! Die Geschäftsordnung muß ver-
sd>ärst werden. Ich muß sie nicht bloß handhaben,
sondern auch damit — dreinhauen können!"

Agrarier Statistik. Emu Erk

Ortet: Dallwitzchen, da Sie alles so schön auf
den Kopf stellen können, werden Sie einmal bei uns
Statistiker, wenn Sie fliegen.

Fürstenliecl.

Ich fitz’ als ffirtt auf ftolzem Ihrem,

Reich winkt mir meines Dafeins Lohn,
mit Scheffeln nur metP ich das Geld,
mir front der Berg, das Tal, das Feld,
mir front der Forst, mir front der Fluh,

Die Industrie mit Rauch und Ruh,

Denn das ift Untertanen Pflicht —

Doch Steuern zahlen tu’ ich nicht!

Und wenn mich packt das Parlament
Und meint, dah ich auch zinken könnt’,

Dah ich von meinem reichen Gut
fluch opfern könnt’, mie’s jeder tut.

Da gibt’s sogleich ein mordsgefeprei,
flis ob der Staat im wackeln fei.

Und meine Schranzengarde Ipricpt:
tlein, Steuern zahlen darf er nicht!

Und von dem vielen Bumbumbum
Fällt auch das Parlament gleich um,

Und ich darf weiter, wie bisher,
ledwede flrbeit zehnten schwer.

Darf Sold erheben von dem Staat,

Darf ernten ohne eigne Saat

Und häufen des Gewinns Gewicht —

nurSteuern zahlen brauch’ich nicht! e.ni.

Aus bent preußischen Abgeordnetenhaus.

Das Auftreten des sozialdemokratischen Abgeord-
neten Hofsmann verursacht dem preußischen Junker-
parlament andauernd starke Kopfschmerzen. Nachdem
der schwergeprüfte Präsident v. Kröcher unter Tränen
erklärt hat, er könne mit diesem Umstürzler nicht
fertig werden, sinnen die bürgerlichen Fraktionen Tag
und Nacht darüber nach, mit welchen Mitteln gegen
den hartnäckigen Sünder wirksam vorzugehen sei.

Darunter scheint ein Vorschlag besonders beachtens-
wert zu sein. Sobald der Abgeordnete Hofsmann
sich zum Wort meldet, läßt der Präsident v. Kröcher
auf dem Dache des Parlamcntsgebaudes eine rote
Fahne hissen. Dieses Signal wird von einem zu
diesem Zweck andauernd über dein Hause schweben-
den Parseval-Luftkreuzcr an das Generalkommando
des Gardekorps weitergegeben, welches unverzüglich
die Alarmierung der gesamten Berliner Garnison
anzuordnen hat. Die Truppen besetzen im Sturm-
schritt das Gebäude und die im Sitzungssaal auf-
mnrschierte Gardcfcldartillcrie richtet ihre Geschütze

auf den Abgeordneten Hoffmann. Bei dem ersten
Witz, den dieser sich zuschulden kommen läßt, wird
dann auf ein Glockenzeichen des Präsidenten aus
sämtlichen Rohren Feuer gegeben.

Der Vorschlag zeugt sicherlich von dem guten
Willen der bürgerlichen Parteien, den allen preußi-
schen Parlamentstraditionen widcrsprechendenHumor
aus dem hohen Hause rasch und gründlich zu be-
seitigen. Aber wie wir Adolf Hoffmann kennen,
steht zu befürchten, daß er sich durch Gardekanonen
nicht einschüchtern lassen wird. Einen ungleich günsti-
geren Erfolg versprechen wir uns von Maßregeln,
die auf sein Ehrgefühl einzuwirken bestimmt sind.
So glauben wir zum Beispiel, daß alle Schwierig-
keiten mit einem' Schlage beseitigt sein würden, wenn
Herr v. Kröcher, sobald Adolf Hoffmann sich zum
Wort meldet, seine tiefe und unüberwindliche Ver-
achtung dadurch kund täte, daß er sein Präsidium
sofort und definitiv niederlegte! Baldutn.

„Viste vom Bund der Landwirte? Denn haste zehn
Prozent Rabatt."
 
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