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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0109
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7007

fln die Lefcr des Keuschen loses! Rm.won

m stovelspdne. eT

Der deutsche Bürger, frohgemut
Hat er die Mär vernommen.

Die jetzt in dieser schlimmen Zeit
Aus Indien ist gekommen.

Der deutsche Kronprinz hat gejagt
Dort hinten unverdrossen,

Sechs Tiger hat mit sichrer Hand
Er mausetot geschossen.

Heil, Deutschland, heil! Kommt er zurück,
Aufsprießt ein neuer Segen!

Der wird das „Rotwild" hierzuland
Mit Meisterschuß erlegen!

Die deutsche Volksseele ist wie ein Krebs. Gewöhnlich liebt sie es,
sich rückwärts zu konzentrieren, sobald sie aber erst einmal ordentlich
zu kochen angefangen hat, wird sie ganz rot.

Die Arbeitswilligen entwickeln sich mehr und mehr zu Respekts-
personen; man schätzt in ihnen jene „wilden Männer", ohne die das
Wappen des preußischen Staates glatt Umfallen würde.

Entrüstet schimpft so mancher Schmock Und mit dem wohlverdienten Geld
Auf den verruchten Hosenrock, Geht er zur Halb- und Lebewelt,

Weil er der Eilt' und Schönheit bar — Zieht ab den Damen Hos' und Rock

Dann heimst er ein sein Honorar! Und — amüsiert sich wie ein „Bock".

Der größte Vogel, der dem Zentrum jeinals auf den Leim kroch,
ist anerkanntermaßen der deutsche Reichsadler.

Unbequemen Ministern darf man nicht bloß eine Grube graben;
man muß sie auch zu beerdigen verstehen!

Leider ist es der Nedaliion nicht gelungen, einen tröstenden Witz über den
Verlust des Wahlkreises Jmmenstadt ausfindig zu machen.

Es liegen zwar 86 großartige Witze darüber vor, daß die Liberalen sich von
de» Sozialdemokraten haben helfen lassen; aber das ist leider nicht die Hauptsache.
Die Hauptsache ist vielmehr, daß wir den Wahlkreis los sind!

Zentrum ist stets Trumpf. Rur den einen Unterschied hat man zu
machen: ob man mit dem Gegner skatet oder mit ihm bloß „Schass-
kopf" spielt. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Verzweiflung.*

Nun hat auch uns der Streich getroffen!

Es liegt, geschändet und zerfetzt.

Bei so viel blauen Brudcrleichen
Die erste schwarze Leiche jetzt!

Der Feind, im Bunde mit dem Teufel —
Dem roten, mein' ich — setzt' uns matt
Und raubt' mit kaltem Hohngelächter
Uns unser Kempten-Jmmenstadt!

Fest bauten wir auf Gottes Hilfe
Und hofften auf der Tugend Sieg,

Wir sparten nicht an Rosenkränzen
Und Weihrauch, der gen Himmel stieg;

So manche Messe ward gelesen.

So manche Kerze ward geweiht —

Und jetzt? Was nützen uns're Opfer,

Was half uns uns're Frömmigkeit?

Zu Boden sank in Dreck und Schande
Des Zentrums leuchtendes Panier —

O heil'ge Jungfrau, gnadenreiche.

Sag' selbst, war das wohl nett von dir?

Ihr Helfer in diversen Nöte»,

Du vielgcprics'ne Heil'genschar,

Sprich, ob mich derart anzuschmiercn.

Reell, koulant uud nobel war?

Wie auf der frechen Ketzerstirne

Der SiegeSlorbecr prunkt und Prangt —

3ck> seh's und Zweifel schleicht ins Herz mir.
Ich seh' es und mein Glaube wankt!

Gibt's eine» Gott im Himmel droben?
Regiert die Welt noch irgendwer?

Ich künd'ge die Geschäftsverbindung
Und glaub' an nichts, a» gar nichts mehr!

Soweit ist cs mit mir gekommen.

Seit dieses mich betroffen hat.

Seit mir der Antichrist entwunden
Mein fromines Kempten-Jmmenstadt!

Im Turme klafft die erste Bresche!

Im Fleische steckt der erste Pfahl!

Run mag da, was da will, geschehen —

Jetzt ist mir alles ganz egal! Tobias.

* Zu unserem tiesen Schmerze müssen wir ans
diesen Blättern, in denen eitel Frohsinn herrschen
sollte, unseren Lesern auch eine bittere Trauer-
nachricht unlerbreiten.

Misericordia!

Der arme Heilige Vater in Rom lebt bekanntlich
als ein Gefangener des Staates. Die beiden ihm
angewiesenen Zellen heißen „Vatikan" und „Lateran".

In seine Einsamkeit dringt nur selten ein Licht-
strahl in Gestalt eines büßenden sächsischen Prinzen;
und sein einziger Trost ist, daß er ab und zu den
Bestich von Geistesverwandten empfangen darf.

Auch hat man ihm die Selbstbeschäftigung mit
jenen schriftlichen Arbeiten gestattet, die als „Enzy-
kliken" in der modernen Literatur einen so hervor-
ragenden Platz einnehmen.

Seine weltlichen Schergen befürchten immer, daß
der Gefangene eines Tages mal ausbrcchen könnte.

Aber da irren sie sich! Der arme Heilige Vater
erduldet seine Haft mit christlicher Demut und leert
nach wie vor den Kelch bis zur Neige.

A. Fiebiger

Lieber Keuscher Josef!

Dieses Jahr soll 'ne Kinderwallfahrt nach
Rom zunl Heilijen Vater stattfinden. Det is 'ne
verständije Idee, denn de katholische Jeistlich-
keit hat immer 'ne besondere Vorliebe for kleene
Kinder jehabt, besonders wenn se iveiblichen
Jeschlechts sind, aber det verstockte un uu-
jleibije Publikuin wollte det nie recht an-
erkennen ul> hat de kinderlieben Jottesinänner
manchnlat sehr eklig uff de Hiehneroogen je-
trampelt. Da is et denn »ich niehr ivie recht
un billig, iven» nu de Kinder selber zeigen,
det se ivissen, >vcm se Dank schuldig sind, un

den Heilijen Vater ihre Uffwartung machen.
Aber alleene wer'n se de weite Reise doch woll
nich leisten können, sondern et wird neetig sind,
det man se 'ne zuverlässige Befleckung un Be-
uffsichtijung mitjibt. Am besten wirden sich
dazu resolute Damen mit 'n jarantiert liebe-
volles Herz eijnen, die ooch in de jeistlichen
Kreise Bescheid wissen, zum Beispiel de Pfarrers-
köchinnen, die det Amt jewiß jerne iebernehmen
mechten. Vielleicht schließt sich an de Kinder-
wallfahrt jleich 'n richtijer Köchinnenkreizzug
an, wodurch det Janze denn erst seine hehere
Weihe kriejen wirde.

Haste iebrijens schon eenen von de neien
Hundertmarkscheine jesehen? Icke kenne ihm
man bloß aus de platonische Vogelperspektive,
aber ick kann nich sagen, det ick mir vor'n
intimeres Verhältnis jraulen wirde. De Leite
meenen, det er nich scheene jenug is un det
se nich verstehen, kvat de anjeklebte Ansichts-
karte bedecken soll, wo eenen der olle Willein
aus det Jenseits ankiekt, ivenn man det Dings
jejen't Licht halten tut. Ick habe keene Vor-
urteile nich jejen de Monarchen un stehle mir
immer schmeichelhaft beriehrt, wenn ick ihre
Bildnisse in mein Portemonnöh bejejne. Aber
det is ja richtig: sinnreicher iväre et, wenn
se nich 'n toten un bejrabenen, sondern eenen
von de heite rejierenden Perseenlichkeiten ruff-
jedruckt hätten — villeicht Spahn oder Erz-
berjer oder sonst 'n modernet vaterländeschet
Machtorjan. Det wäre ooch jleich 'ne kleene
jehorsame Uffmerksauckeit jejen unfern hohen
Vorjesetzten in Rom, der sich jedenfalls sehr
freien kvirde, wenn er seine deitschen Peters-
fennige kriegt un uff jeden Hundertmärker
immer jleich de anjenehmen Fassaden von seine
Berliner Jeschäftsfreinde bejrießen kann.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'u Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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