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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0220
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— 7118 —

<s^ Die wiener Schlacht. LZ>

Als die wiener frech geworden,
Hub ein Hauen an und Norden,
Mancher Lhristlichfoziale,
Mancher schwarze Klerikale
Schloß den Mund für immer.

All die Schleicher und die Pfaffen,
Die mit Gift getränkten Waffen
Tückisch kämpfend, Haß gepredigt,
Sind gepurzelt und erledigt.

Und die Welt sagt: Amen!

vor der Wühler Groll und Grimm
Schützte nicht mehr der Gott Nimm.
Die Schmarotzer, Mammonbeter,
Judenfresser, Volksverräter
Ernteten den Fußtritt.

Sternberg auch, der edle Graf,
Schläft nun den polit'fchen Schlaf.
Und im tiefsten wiener Dreck
Liegt der Herr Biehlohlawek
Und vergißt das Aufftehn.

Österreich jauchzt und Deutschland lacht:
„Bravo, wiener, gut gemacht!

Euer Feind ist unser Feind!

Bald, ja bald der Tag uns scheint,

wo wir's auch so machen!" p.E.

Der Fusel-Krech.

DerkonservativeAbgeordneteRegierungsrata.D.Kreth
wird von der Spirituszentrale mit 50 000 Mark
jährlich bezahlt.

Als ich noch jung nnd unerfahren.

Weiht' meine Kräfte ich dem Staat
Und nährte mich in Liuterwäldern
Als Landrat und Regierungsrat.

Dann kam ich auf die rechte Fährte,

Fand meiner Sehnsucht festen Pol,

And stehe jetzt für fünfzig Mille
In Lohn und Dienst beim Alkohol.

Man weiß: polit'sche Ideale
Gibt's heutzutage mancherlei.

Der eine schwärmt für Recht und Freiheit,
Der and're für die Polizei,

Republikanisch nennt sich dieser.
Monarchisch jener und feudal —

Ich aber kenne nur dies eine:

Der Fusel ist mein Ideal!

Auch in den religiösen Fragen
Kenn' Skrupel ich und Zweifel nicht.

Mein Glaube ist mir vorgeschrieben.

Ist laut Kontrakt mir Amt und Pflicht:
Auf Jesus Christus schwört der eine.

Der and're auf Konfuzius,

Der dritte betet zu Jehova —

Ich zu dem Sanktus Spiritus!

Er ist der Stern und Loffnungsanker,
Dem all mein Tun und Streben gilt,

Die reine, süße Limmelsquelle,

Die Lerze mir und Beutel füllt.

Als der Kartoffelschnapsvertreter,
Kraftvoll und überzeugungsstark.

Wirk' ich im Reichstag und im Landtag
Für jährlich fünfzigtausend Mark.

Und rümpft das dumme Volk die Rase,
Und spricht man auch von Korruption,
Mit fünfzigtausendfält'ger Freude
Ertrag' ich gerne Spott und Lohn;

Denn seht, von jeder Brennerlippe
Tönt's morgens früh und abends spät:
„Erhalte, Gott im Limmel droben.

Uns unfern teuern Fusel-Kreth!" Balduin.

Gottesgnaden--Gedanken.

Ein Mitarbeiter, der bisher noch nie für den
Wahren Jacob gearbeitet hat, stellt uns einige be-
merkenswerte Beiträge zur Versttgung. Für den ver-
ehrten Herrn Staatsanwalt sei jedoch bemerkt, daß
der Verfasser völlig straffrei ist: nicht etwa, weil
er eine sehr hohe Stellung einnahm — darum be-
kümmern sich unsere Gerichte bei der Beurteilung
strafbarer Handlungen bekanntlich nie —, sondern
weil seine Straftaten, soweit sie überhaupt solche

sind, schon lange verjährt sind. Unser Mitarbeiter
ist nämlich der Anno 1786 verstorbene preußische
König Friedrich II., genannt „der Große". . . .

Wir lassen nun seine Gedanken folgen:

„Müßte man nicht wahnsinnig sein, wenn man
sich vorstellte, die Menschen hätten einem ihresgleichen
gesagt: ,Wir erheben dich über uns, weil wir gern
Sklaven sein wollen, und wir geben dir die Macht,
unsere Gedanken nach deiner Willkür zu lenken?'"

. Aus den „Essays".

„Die meisten Fürsten haben eine sonderbare Leiden-
schast für ihre Stammbäume. Diese Art von Eigen-
liebe umfaßt auch die entferntesten Vorfahren. Wenn
inan dreist genug ist, ihnen zu sagen, daß unter ihren
Vorfahren sehr untngendhafte und also sehr verächt-
liche Menschen waren, so glauben sie so beleidigt zu
sein, daß sie es nie verzeihen können."

, Aus den „Briefen".

„Sic glauben, ich sei der Meinung, man bedürfe
des Zanmcs der Religion, um das Volk in Ordnung
zu halten; allein ich versichere Ihnen, daß ich nicht
so denke. Eine Gesellschaft kann nicht ohne Gesetze,
ivohl aber ohne Religion bestehen!"

, Aus den „Briefen".

„Der Fürst sei der erste Diener des Staates nnd
ist verpflichtet, so zu regieren, als wenn er jeden
Augenblick seinen Mitbürgern über die Staatsver-
waltung Rechenschaft ablegcn sollte!

Es ist strafwürdig, wenn er das Geld seines Volkes,
das durch die Steuern einkommt, in Aufwand- und
Pomp verschwendet!"

Aus den „Regierungssormen".

Die angeklagte „Brbeit“.

Vas vochumer vollisblatt ist wegen äes Nbäeuckes von Zoias
ltoman „flrbelt" zu 20 Mark Geldttrafe verurteilt worden.

In Bochum gibt's ein Volksblatt jetzt,

Vas gegen Tbron und flitar hetzt,
vies faktum ilt an lich lchon lchlimm;

Ooch lchürt noch eines unlern 6rimm:

Bringt dieses voiksbiatt 'nen Roman,

Ilt's Marlitt nicht noch feiix vahn.

Kart Map und andres ilt verpönt
Und wird wohl gar als Schund verhöhnt.

Statt dellen bringt man Sachen dort,

Oie indirekter Seelenmord:

Man greift zu Zola, Sapperment,

Der jedes Ving beim Namen nennt.

Bei ihm wird nichts verlllht, verhüllt.

In starken färben glanzt fein Bild,
wie diele weit voll Oual und Sünden,

Ilt wort kür wort bei ihm zu finden.

Ver Kadi dachte seiner Pflicht
Und zog die frevler vor Qericht!

So merkt im flustand jedes Kind,

wie weit wir heut in veutlchland find! v. e.

vie Zchnaps-Liedesgabe.

flch, die armen fuleijunker
haben weder Glück noch Stern,

Denn es fchmiizt die Liebesgabe
flrg zulammen für die Herrn.

fünfundzwanzig Millionen
Nahm lie ab im letzten lahr,
weil Herr Michel nicht wie früher
Mehr nach fulel dürftig war.

vie verruchten Sozialilten
haben fertig dies gebracht;

Oern würd' man lie alle HSngen,
wenn das war' lo leicht gemacht.

Linen Rat geb' Ich den junkern.

Und das ilt gewiß nicht dumm:

Lauft doch den ftartoffelfufel
Selblt bis zum Delirium!

Dann wird euch die wett sich geben
Licht in rosenrotem Schein,

Und die Liebesgabenlchmerzen
werden dann vergessen lein. eano fiux.

Der Unfehlbare. £m« Erk

jL

„Wenn ick nur eenen Finger uffhebe, Venn zittert schon
alles, aber wehe, wenn ick erst drei Finger zeige!"
 
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