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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0221
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-• 7119

Deutffölanü unü üle Sfl)ieüs0criö)tsüorf®lä0e.

A.^r

Wie der preußische Igel die Botschaft des Präsidenten Taft aufnahm.

liobelfpäne. r®

Tag und Nacht drückt jetzt ein Alp
Unsre wackren deutschen Spießer.

Die Verdauung stört's bereits
Dem zufriedensten Genießer.

Hat der Bethmann Hollweg wirklich
Mit den Roten angebandelt?

Hat er in der Not der Stunde
Mit dem roten Frank verhandelt?

„Bethmann, Bethmann, hüte di!"

Klingt's schon auf Ostelbiens Straßen.
„Eh' du handelst, blick auf uns!

Denn mit uns ist nicht zu spaßen!"

Die Sozialpolitik wird von jeher stiefmütterlich behandelt; jetzt zwingt
man sie sogar, das Dienstmädchen der Scharfmacher zu werden!

Daß Oldenburg den Weinkrampf kriegt,

Das mag gar tief man fühlen:

Es löst ein fröhlich Lachen aus
Selbst bei den Krokodilen.

Der Reichstag verbringt jetzt seine Ferien am Busen der Natur,
um für die Kunst, noch recht lange auf seinen vier Buchstaben zu sitzen,
hinterher frisch gestärkt zu sein.

Laß dich von: Junker verblüffen nicht
Mit all seiner Renommage;

Er hat, je mehr er das Maul aufreißt,

Auch desto wen'ger Courage.

Der Schnapsblock hat seit Annahme der Feuerbestattung in Preußen
sehr schlinune nächtliche Träume von einer riesigen Wahlurne, in der
er sich selber begraben liegen sieht.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Schöppenstedter Mutterschutz.

Gewöhnlich ist das Kinderkriegen
Zur junge Mädchen kein Vergnügen,
Man hat viel Leid und Plackerei
Und erntet wenig Ruhm dabei.

Doch jetzo ward ein Drt bekannt
2m gottgeliebten preußenland,
wo diese Peinlichkeiten schwinden,

IDo’s eine Lust ist, zu entbinden.

Sobald die ersten Wehn sich zeigen,
Darfst du in eine Droschke steigen
Und fährst ohn' weitern Rufenthalt
Zur städtischen Gebäranstalt.

Dort, an des Krankenhauses Pforten,
Empfängt man dich mit Trostesworten,
Man winkt dir zu und lächelt heiter
Und schickt dich ein paar Straßen weiter.

Venn dieses ist die Stätte nicht,
wo man als Fremde Kinder kriegt,
Oieweilen hier mit Recht gebären
Rur solche, die zum Drt gehören.

Oas Reglement ist streng und weise,

Und lustig weiter geht die Reise,

Bis deine Droschke wieder hält
Und an dem Tor die Glocke schellt.

hier wirst du identifiziert
Und von zwei Rrzten auskultiert,

Dann wird zu Protokoll genommen:

Das Mädchen will ein Kind bekommen.

Da dieses nicht der rechte Drt
Für so was, fährst du wieder fort
Und klopfst noch manches liebe Mal
Rn dies und jenes Hospital.

So wird dir während deiner wehen
höchst angenehm die Zeit vergehen
Und plötzlich, eh' du dir's gedacht,
hast du dein Kind zur Welt gebracht.

Rasch, ohne weitres Federlesen
Ist eines Knäbleins man genesen,

Und die Revölkrung ward vermehrt,
Indessen man spazieren fährt.

Drum, Mädchen, folg' und sei gescheit,

Und bist du wieder mal so weit,

So reise eilig und diskret
Rach dem besagten Schöppenstedt.

Denn hier ist alles wohlbestellt:
hat man das nöt'ge vroschkengeld,

So wird das heikle Kinderkriegen
Selbst für verwöhnte ein Vergnügen. Lehmann.

Lieber Wahrer Jacob!

In Banjalula hatte ein Zigeuner einen Türken
erschlagen nnd beraubt, aber nur ein paar Kreuzer
und ein Stück Fleisch bei ihm gesunden. Das Geld
hatte der Zigeuner zu sich gesteckt. Das Fleisch aber
wollte er weggeworfen haben.

„Warum?" forschte der Richter.

„Herr," sagte der Zigeuner indigniert, „cs war
in der heiligen Fastenzeit." Aaba.

Lieber Jacob!

Et liegt uu nial in de menschliche Natur, bet
se jerne Feste feiert, un wenn de Jelejenheit
dazu sich nicht freiwillig bietet, denn muß man
ebent sehen, wie man ihr mit Jewalt rankriegt.
So weeß ick von eenen, der ’» jroßen Feez ver-
anstaltete, als er sein fufzigstes pollezeiliches
Strafmandat wejen jroben Unfug uffjebrummt
bekam, un een andrer lud seine Jleibijer zur
Feier seiner fimfunzwanzigsten Pleite ein. Also
braucht sich keener nich wundern, det de so-
jenannte Fortschrittliche Volkspartei dem fufzig
sten Jahrestag ihrer Jrindung mit Jubelreden
un Festsaufen feierte. Et is se ja in diese fufzig-
Jahre immer klatrig jenug jejangen, un die
ville un wohlverdiente Senge, die se bald von
links un bald von rechts besehen hat, hat ihren

irdischen Lebensweg sehr schmerzhaft un wenig
jlanzvolljestaltet, alsojönnen wirse diesetJubel-
fest, wo se doch sonst schon so wenig Jelejenheit
zum Jubeln hat.

Jn'n Sportpalast hat der Hansabund seine
Heldenscharen versammelt jehabt. Et soll sehr
nett jewesen sind, denn et war bloß lauter nobles
Publikum in feinste Jlanzpelle mit Zylinder,
Bratenstipper und Jipsverband da. Ick kann mir
lebhaft vorstellen, wat de polliteschen Jegner
vor'n Heidenbammel jekriegt haben, wie se diese
zweetausend Angströhren uff eenen Haufen vor
sich jesehen haben. Dreizehn Redner traten uff,
wat ja allerdings 'ne Unjlickszahl is, aber wat
schad't det in sonne uffjeklärte Jesellschaft von
Bankdirektoren un stellungslose Rejierungsräte,
wo doch keener dran jlooben tut? Jedenfalls
bewiesen se in ihre Worte 'ne mordsmäßige
Kurasche un erklärten janz eenfach, det se nich
mehr wirden uff sich rumtrampeln lassen un
det se bei de nächsten Reichstagswahlen de
Front ejal nach rechts nehmen wirden — ick
vermute, um in diese Richtung bequemer katz-
buckeln un de linksstehenden Parteien deitlicher
det jlorreiche Hinterteil zeijen zu können. Jejen
de Sozialdemokraten wirden se allemal janz
selbstverständlich vom Leder zieh», erklärten
se, aber im iebrijen durchaus jar kecne Stich-
wahlparolen nich ausjeben.Jberhaupt, saglense,
wollten sie keene polliteschen Eunuchen nich sind.
Un det jloobe ick se schon, denn sowat will
keener jerne sind. Ville aniisanter un ehren-
voller is et, als pollitescher Jemeindebulle uff-
zutreten un for Jeld un jute Worte jeden:
seine Männerkraft zur Verfiejung zu stelle»,
der eenen brauchen un bezahlen kann. Un det
derfte woll ooch schließlich die noble Rolle
sind, die der Hansabund bei de nächsten Reichs-
tagswahlen spielen wird.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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