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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0316
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7214

Der gute Michel, t©

Uiele Aschen schon beraten
Mit Gewandtheit und Uerstand
Sich die weisen Diplomaten -
Und der Wichel lauscht gespannt.

UJirrer ward mit jedem Cage
Und verwickelter der Knaul -
CUagt der Michel eine Trage,
Ijautman-scbwappMbnüber’slDaul.

(Denn das letzte (Dort gesprochen
Und die Prügelei hebt an,
trägst zu Markt du deine Knochen
JUs getreuer Untertan;

Schreist Durra und schwingst den Degen
tust begeistert deine Pflicht,

Doch wofür, warum, weswegen -
Danach, Michel, frage nicht!

Lenk' den Pflug und schärf’ die Sichel!
Tür des Reiches UJoblergebn -
Sei getrost, mein lieber Michel -
Sorgen Gott und Kiderlen.

Gläubig, wie es ziemt dem Trsmmen,
Baue auf Jfltar und thron,

Ist die ricbt’ge Zeit gekommen,

Sagt man dir das Böt’ge schon.

Schweige, dummer Michel, schweige
Und riskiere keinen Laut,

Leer' den Bunipen bis zur Beige,

Den man dir hat eingebraut!

In der hohem Mächte Aalten
Ginzugreifen, ziemt dir nicht:

Zahlen und die Schnauze halten

Ist des Deutschen beil’ge Pflicht! cobias.

Schweige, guter Michel, schweige
Und riskiere keinen Laut,

Leer' den Rümpen bis zur Beige,
Den man dir hat eingebraut!

Sorg’ dich nicht, bleib’still und heiter,
ÜJahre deinen Gleichmut stets,

Und bedenke: um nichts weiter
Als um deine Pelle geht’s!

enttäuj’dtmng.

Sie schauen sich an in der Runde
Gar starren, trüben Blicks;

Leis geht's von Mund zu Munde:

„Ls rvar halt wieder nix!"

Das liberale Geflunker
Lrstirbt und der „völkische" Raps.

Ls schmeckt dem pfäfflein, dem gunker
Nicht mehr der ostelbische Schnaps.

Sie sagen stiU und beklommen:

„Ls schwindet aller Mut:

Wir dachten, es wäre gekommen
Das Lnde der roten Brut!

„Nun ist in Nichts zerronnen
Wieder der Trennung Traum!

All die erhofften Wonnnen
Sind wieder eitel Schaum.

„Der Kasus ist ein totaler:

Gleich schlimm ist ein Sozialist,

Db er ein.Radikaler', '

Db er ein .Revisionist'. ...

„Wir sehen entgegen den Wahlen
Belämmert und trüben Blicks:

Wir müssen die Zeche bezahlen —

Ls war halt wieder nix."

Das kommt davon!

Serenissimus wollte Heuer wieder mal irgend
einen versteckt liegenden Winkel seines Läudchens
durch kurzen Besuch erfreuen, denn Serenissimus
liebte es, nicht bloß in seiner industriell angehauchten
Residenz populär zu sein, sondern auch bei der treu-
herzig-ländlichen, wenn auch kulturell etwas rück-
ständigen Bevölkerung „da draußen". Die aller-
höchste Wahl fiel ans Butzenhansen an der Butze,
wo man sofort die üblichen großartigen Vorberei-
tungen traf.

Aber auch Serenissimus bereitete sich vor. „Was
spricht mau eigentlich so . . . äh . . . passenderweise
mit solchen . . . äh . . . Leuten?" fragte er den ge-
treuen Kindermann. Der sagte: „Nun, Durchlaucht
fragen halt so nacheinander: Wie alt sind Sie?
Sind Sie verheiratet? Wieviel Kinder haben Sie?
Und dergleichen."

Serenissimus schrieb sich das auf.

Fünf Lage später fuhr das landesväterliche Auto-
mobil mit seiner kostbaren Fracht in das jubelnde,
hurraschreiende Butzenhausen ein. Serenissimus guckte
immerzu den Triumphbogen an; der schwitzende

Bürgermeister hielt eine Rede; Serenissimus sagte
„Danke schön!" kriegte dann seinen Fragezettel ans
der Tasche und begann sich populär zu machen.
Leider begann er gleich mit dem am wenigsten tang-
licheti Objekt: mit der — ältesten Ehrenjungfra».

„Wie alt sind Sie?" sagte Serenissimus hoheits-
voll. Die Jungfrau wurde puterrot, was man ihr
nicht verdenken kann. Aber einer Durchlaucht muß
geantwortet werden; und vor allen Dingen — man
darf sie nicht aulügen! Darum flüsterte das arme
Wese» verschämt:

„Fünfundzwanzig, Durchlaucht!"

„Sind Sie verheiratet??" fuhr Serenissimus ganz
geschäftsmäßig fort. Diesmal wurde die Angeredete
noch röter, aber die Antwort kam auch bedeutend
schneller, mit einem leise», despektierlichen Ton von
Ärger. Sie lautete: „Nein!!"

Serenissimus ließ sich nicht stören. Er sah auf
seinen Fragezettel und examinierte unverdrossen
weiter:

„Wieviel Kinder haben Sie. . .?"

Totenstille. Man hätte eine Stecknadel zur Erde
fallen hören können. Ganz Butzenhauseti spitzte die
Ohren; bcuji einer Durchlaucht muß ja geantwortet
werden, und man darf sie auch nicht anliigen. Trotz-
dem vernahmen es nur die Nächststehenden, als das
bedalternswerte, tödlich verlegene Mädchen lispelte:
„Drei, Durchlaucht!" — — —

Populär ist Serenissimus in Butzenhansen nicht
geworden. Aber er weiß noch heute nicht, woher
das kommt. T.

Die italienischen Cholerarevolten.

Hat die heiße Sommersonne
Höllentränme ausgebrütet?

Durch die grell beglühten Gaffen
Rast die Menge, tob« und wütet.
Anmiett-geschmUlkte Frauen,

Männer, Kinder, Greise drängen —

And bei jauchzendem Geheule
Hebt ein Morde» an und Sengen.

„Tod den Ärzten, die die Brunnen
Ans vergiftet!" rnft's fanatisch.

And die blanken Messer funkeln.

And der Mob jauchzt wild, ekstatisch.
Plötzlich aber ist das Stürmen
And die Mordlnst ganz vergessen:

Bon dem Kirchturm rufe» helle
Glocken zu den Abendmessen....

Schmunzelnd sehen aufs Getriebe,

Aufs erwachte Mittelalter,

Der allmächt'gen hetl'gen Kirche
Bcncdciete Verwalter;

And sie reiben sich die Hände:

„Ja, cs gibt noch echten, wahren
Anverdorb'nen Kinderglauben.

And es gibt noch fromme Scharen!" P.E.

Ruhestörung.

Ja, die Lundstagszeit ist heuer
Voller Spannung und Vergnügen:
Träume gaukeln voller neuer
Schlösser, die im Monde liegen.

And der deutsche Spießer träumt
Nur noch von Kompensationen:

Wird Germania ungesäumt
Aus Marokko-Riffen thronen?

Saust berauschte ihn das Bier
Von der letzten Sedanseier.
Deutschland, Deutschland sei's Panier
And den Erbfeind hol' der Geier-

Da! Er schrickt aus süßem Lungern;
Aus der Gasse — sapperlot! —

Stehn die Massen, die da hungern
Nach Gerechtigkeit und Brot.

And es klingt wie Schall der Glocken
„Frieden!" mahnt's ohn' Anterlaß.
And der Spießer fragt erschrocken:
„Dürfen denn die Leute das?"

Modernisten. w.Krain

„Das Zölibat, Herr Amtsbruder, ist ganz gut,—
man darf es nur nicht übertreiben!"
 
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