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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0317
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7215

Emil Erk

Nach dem Parteitag.

„Die preußische Regierung müßte Jena vom Erdboden vertilgen: da holt
sie sich immer Keile!"

Robelfpäne. r®

über hundert Millionen
Zählen Deutsche und Franzosen;

Zu den edelsten Nationen
Rechnen sie sich, zu den großen.

Und ihr Wohl und Wehe hängte
An dem dünnen Spinnenfädchen,

Dran herüber und hinüber
Zerrten jüngst zwei Diplomätchen.

Wenn das Fädchen riß, so mußten
Wild sie aufeinander schlagen —

Welche Dummheit! konnten lachend
Eskimos und Buschleut' sagen.

Unter „Hebung des volkswirtschaftlichen Niveaus" versteht der
Schnapsblock das Hinaufschrauben der Lebensmittelpreise; daran mag
das Volk dann seinetwegen emporklettern!

Die berühmte große nationale Wahl- und Sammelparole fangt be-
reits an, sehr vernehmlich in den Mägen der Staatsbürger herumzu-
knurren.

Das Portemonnaie der Agrarier ist ein großes „nationales Schwein",
das in Zeiten des Futtermangels liebevoll gemästet und in Zeiten der
Fleischnot nie und »immer geschlachtet wird.

Die Macht der Junker wurzelt im Boden der Dummheit und ihr
Geheimnis ist grade bei anhaltender Dürre die künstliche Bewässerung
durch Schnaps. „

Der Gegner steht immer auf dem Boden des Rechts — nur, daß es
unsere Rechte sind, auf denen er herumtrampelt!

Unser „Weltkrieg" ist der Weltkrieg zwischen Proletariat und Kapi-
talismus. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die Geschichte vom Mauseloch.

Vor einem Mausloch ganz weit hinten in Ost.
elbim saß eine magere, alte Feldmaus und spielte
vor Hunger.

Eine Hausmaus aus dem benachbarten Dorse, die
ebenfalls vor Hunger schon aufs Feld hinansgelaufcn
war, kam entrüstet herbei und meinte: „Was piepst
dn eigentlich? Die Bauern haben ja selber nichts
mehr; das weiß ich am besten!"

„Ja, aber ich Hab' obendrein noch Einquartierung
ängekündigt bekommen für nächstes Frühjahr!"

„Nanu? Wer will sich denn bei dir verkriechen?"

„Die Regierung!!" piepte die Feldmaus in banger
Sorge.

Die Berliner Marokko-Demonstration.


„Del wird immer schöner! Schon wieder 'ne Demon-
stration, ohne det wir blank ziehen durften! Nächstens
kriegen wir noch 'n Futteral uff de Säbelfpttze!"

Witze.

Die „Kreuz-Zeitung" wünscht die Herausgabe eines
konservativen Witzblattes.

Ein tiefgefühltes Bedürfnis
Wird man befriedigt sehn:

Es wird ein neues Witzblatt,

Lin junkerliches, erstehn.

Stark duftend wird cs werden
Und komisch durch und durch —

Fast wie die ernsten Beden
Vom wackren Gldenburch.

's

Oer Witz wird gut erprobt sein,
vom Zirkus importiert.

Wen gäb' es in Vstelbien,

Der nicht drauf abonniert?

Nur fürcht' ich: nach den Wahlen
Geht doch das Witzblatt ein:

Da wird den biederen Junkern

Oer Witz — vergangen sein. <£.

Lieber Jacob!

De sojenannte Reisezeit is nu um, »n ick
kann sagen, ick freie mir, det ick vermittelst det
mangelnde Kleinjeld zu Hause jeblieben bin.
Zwar is et bei Muttern durchaus nich immer
scheen un de Hitze hat mir manchen Hektoliter
Schivitze jekostet — aber wenn ick so bedenke,
ivat man uff Reisen allens erleben kann, denn
segne ick mir. Dein Jnscheniör Richter aus
Jena haben de Ränder in'n Olimp bei de
Hammelbeene jekrigt un ’n jeschlagen es Viertel-
jahr mit sich rumjeschleppt. Aber der Mann
kann noch von Jlick sagen, er hat wenigstens
seine heilen Knochen jerettet. Dajejen is et den:
serbischen Reisenden, der uff seine Tour um
de Erde neilich nach Wusterhausen kam, be-
deitend klatrijer erjangen. Dem hat 'n be-
soffener Jutsbesitzer in'n Schosseejraben ieber-
sallen un mit 'ne scharfe Salve zur Strecke

jebracht, so daß an sein Uffkommen jezweifelt
wird. In de Hände der tirkischen Ränder zu
jeraten, is nnanjenehm, aber unter de Ajrarjer
zu fallen, det is lebensjefährlich! Hierbei uns
in Berlin is man vor sowat jottlob sicher. Da
befindet sich det Leben der Birjer im sicheren
Schutz der Pollezei, die zu den Zweck man
ebent erst 'ne neie Schießinstruktion un neie
Revolver bekommen hat — verstehste!

Objleich de Franzosen bekanntlich unsere Erb-
feinde sind, scheinen se sich in Bezug uff ihre
Sicherheitsorjane Preißen zum Vorbild jenom-
men zu haben. Wat ick sehr schmeichelhaft, aber
'n bisken dämlich finde. Een Unterschied is
allerdings, muß ick sagen, ooch in diesen Punkt
nich: zu verkennen: nämlich in die Art, wie de
Pariser de Pollezeibeainten ihre Hochachtung
ausdricken. Du hast doch woll in de Zeitung
jelesen, wie se Bertillon'n, wat 'n Heiptling
von de dortijen Blauen is, in't Museum be-
jrießt haben? Der Mann kam ahnungslos hin,
um amtlich festzustellen, daß det dort jestohlene
Bild, die Monna Lisa, noch immer iveg un
der Dieb noch immer nich da is, un wie er sich
mit Jeist nn Wirde in't Treppenhaus zu schaffen
macht, wird ihn uff eenmal hinten in'» Kragen
so warm nn seicht, un wie er nach oben kiekt,
sieht er, det in 'n dritten Stock een Uffseher still-
verjniegt seine Notdurft verrichten tut un da-
bei dein Herrn Pollezeichef als Nachttopp be-
nutzt! An diese orijinelle Ovazjon kann man
ebent dem Unterschied der Sitten erkennen. Bei
uns is soivat noch nie vorjekommen, obivohl
de Berliner ihren Jagow ja ooch mit jroße
Zärtlichkeit bejegnen. Aber sonne impulsiven
Intimitäten widersprechen unfern zurückhalten-
den Charakter, un wenn wir de Pollezei mal
uff ’n Kopp kommen, denn jeschieht det immer
trocken.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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