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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0333
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7231

Auf der Höbe von ]ena. Emu E*

Napoleon: Nanu, jetzt machen die Zivilisten Weltgeschichte? Früher war
ich cS, jetzt ist's Bebel!

Sir NovellMne.

O du serbischer Peter,

Wie bist du blamiert!

Hast den Mord zu Belgrad
Selber angerührt.

Deine Hände rauchen
Noch vom Menschenblut,

Aber dennoch stehst du
Fest in Gottes Hut.

Bist selbst mit dem Zaren
Jetzo noch verwandt —

Bald reicht auch der Rest noch
Dir die „Bruderhand".

Von diplomatischen Verhandlungen kriegen die Völker nicht mehr
zu sehen als das gelegentliche Anfblitzen einer Blendlaterne; und dar-
aus können sie dann schließen, daß der richtige Dietrich zur Lösung
der betreffenden Frage immer noch nicht gefunden ist.

Der heutige Staat ist der Handlanger der herrschenden Klasse. Bei
der Jagd auf Menschenrechte dient er ihr sogar als Büchsenspanner!

Die Pyramide der bürgerlichen Gesellschaft ruht auf den Schultern des
Proletariats, und darum verliert sie auch so leicht ihre „steinerne Ruhe".

Für die Agrarier und Kapitalisten aller Länder gilt mehr und mehr
das Wort: „Im Schweiße deiner Angst sollst du deinen Profit in die
Tasche stecken!" .

Die staatliche Sozialpolitik erreicht ihren Gipfel in dem Moment,
wo den Hungernden Spitzmantelgeschosse statt Brot gereicht werden.

Not lehrt heutzutage nicht mehr beten, sondern kämpfen!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Oktober-Bild.

Der Knabe streichelt leis die Kuh.

Sein Liebling ist's, die braungefleckte.

Ein buntes Blatt fällt ab und zu.

Die Sonne blinzelt, die versteckte.

Nun bläst der Wind die Backen auf —
Durch Wolken gleißt der Sonnensegcn:
And golden wird des Bergbachs Lauf
And schimmernder der Blältcrregen. P.E.

Llnsere Diplomaten.

Die deutschen Diplomaten sind
Ganz ungewöhnliche Kerle;

Sie sind an Ahnen und Orden reich
And jeder ist eine Perle.

Fragt wißbegierig sie das Volk
Der schaffenden Männer und Frauen,
Dann zucken sie die Achseln gleich
And ziehen die Augenbrauen.

Dann schweigen in allen Sprachen sic;
Sie lieben nicht Neugier und Tadel
Des Pöbels da unten. Ja, man merkt,
Sie sind vom ältesten Adel!

Sie sind sich alle tiesbewußt
Ihres Namens und Amtes Würde —
Kein Schulze, Müller und Meier trüg'
Solch eine schwere Bürde.

Mit mystischen Noten füllen sie nur
Die offiziösen Spalten.

Wir lesen's Tag für Tag. Das macht:
Sie können die Tinte nicht halten!

Wie schade, daß der Roten Geschimpf
Das Werk der Herrn »ns verleidet.
Am die uns, wie man wohl begreift.
Das ganze Europa beneidet.

Der neueste Akas.

„Ein Spaßvogel hat zwanzig meiner Schutzleute
aus offener Straße erfolgreich augepumpt.

Meine Schutzleute sind keine Millionäre.

Bei Wiederholung des Ulks erfolgt Wafseugebrauch.
Ich warne Neugierige! v. Jagow."

Vom Schnaps.

Schnaps ist Dummheit in flüssiger Form. Es ist
dein Junker aber gelungen, diese Dummheit bis zu
jener festen Forin einzudicken, die in seiner Tasche
klimpert. „

Der „Asse" vom Bier ist ein gemütlicher Schim-
panse; der Affe, den inan vom Schnaps kriegt, ist
ein zähnefletschender Gorilla.

Die Schiiapsflasche als soziale Hilfe und Trost ist
genau so.falsch und heimtückisch wie die Zentrums-
partci. ,

^ Der Schnaps, der durch die Kehlen fließt, ist
Wasser ans die Mühlen der Junker!

Lieber Jacob!

Unsere heilije evanjelische Landeskirche wird
seit einije Zeit andauernd von'n Pech verfolgt,
glich bloß, det det jottverlassene un irrejeleitete
Proletariat ihr in Hellen Haufen Adjee sagt
un daher de Kirchensteier mit jedes Jahr knnp-
per ivird — nee, sojar uff de sichersten Stitzen
der Relijion is kee» Verlaß nich mehr! Erst
hat Pastor Kraatz in Charlottenburg in seine
Sonntagspredigt sonne unerlaubten Reden je-
fiehrt, det sich de anwesenden Jardejrenadiere
in ihre relijieesen Weichteile verletzt fiehlten
un kompagnieweise det Kirchenlokal verließen.
Un nu is noch der traurije Fall passiert, det
der fromme Pfarrer Minor in Niederschelden
bei 'ne Jrabpredigt sich ieber de Versoffenheit
un det alljemeene „Sauleben" jewisser patrio-

tischer Vereinsbrieder sehr unzweideitlich je-
eißert hat. Durch diese Worte fiehlte sich der
Niederscheldener Kriejerverein jetroffen un et
jab 'n Skandal. Det is natierlich for jedem
echten Christen un Patrioten 'n sehr schmerz-
hafter Vorfall. Denn wat soll aus det Vater-
land werden, wenn de beeden dicksten Säulen
der staatlichen Ordnung, Milletär un Kirche,
sich ejal in de Haare liejen, anstatt niit jemein-
same Kräfte dahin zu wirken, det det Volk in
'neu jottesfirchtijen Dunstkreis erhalten bleibt?
Wenn sich Kruzifix un Kommiß nich vertragen
können, denn bleibt ebent nischt anders iebrig,
als det se jetrennt werden! Det Milletär derf
nich mehr bei de zivile Jeistlichkeit in de Kirche
jehen, sondern muß sich Jottesdiener aus seine
eijenen Kreise besorjen. Det läßt sich janz jut
machen, denn wer seine zwelf Jahre Soldat
jespielt hat, der besitzt bekanntlich de Befähi-
jung zu alle andern Berufe. Also brauchten
bloß janz eenfach von de ausjedienten Unter-
offziere jährlich 'ne bestimmte Anzahl, anstatt
zu Jerichtsvollzieher un Schutzleite, zu Predigt-
amtskandidaten einexerziert werden un et wäre
allens im richt'jen Lot. Der Jottesdienst wurde
denn jenau nach de Vorschriften des Exerzier-
rejlements injericht't werden, un man würde
uff de Kanzel keene Predigten nich mehr Heeren,
die de theolojischen Jberzeijungen der Berliner
Jardeleitnants widersprechen. Det is de een-
zigste Meeglichkeit, wie man det jejenwärtije
Dilemma abhelfen könnte. Un jeschehen muß
wat, so kann et nich weiterjehen. Denn wenn
schon de heheren Stände nich mehr an de zehn
Jebote jlooben un det Proletariat ooch bei de
heil'je Dreieinigkeit streiken will, denn muß
wenigstens det Milletär bis zum Jefreiten uff-
wärts der kleene Katechismus erhalten bleiben!
Det wirste doch insehen?

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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