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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0349
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7247

Internationale SldjerpeitspoUzei.


m noveWAne. r®

Der eine ist der „Freund" uns.
Der andre „Bundesbruder" —
Der Michel steht als Esel
Dazwischen, das arme Luder.

Er weiß nicht, soll er helfen
Dem einen oder andern —
Verzweifelt seine Blicke
Wohl zwischen beiden wandern.

Er fühlt: wie auch der Würfel
In diesem Kampf mag fallen —
Zuletzt wird doch der Prügel
Auf seinem Rücken knallen!

„Schutzmann, zu Hilfe, Einbrecher im Haus!"
„Jeht mich nischt an, is nich mein Revier."

Im Turm des Zentrums herrscht blasser Schrecken; denn so ein
kolossales Loch wie Düsseldorf kann selbst mit dem breitesten und größten
Pfaffenmaul nicht wieder ausgefüllt werden.

Von Zeit zu Zeit explodiert ein Schlachtschiff. Die himmlische Vor-
sehung sollte statt dessen lieber jene Geldschränke explodieren lassen, in
denen die Panzerplattenpatrioten ihre Millionenprofite aufstapeln!

Die deutsche Justiz wollte, wie es heißt, den Eulenburgprozeß wieder
aufnehmen. Das stimmt. Die Justiz fragte in Liebenberg an: „Wie geht es
seinerDnrchlancht?" Die Antwort lautete: „Danke, ausgezeichnet schlecht!"

Die preußische Regierung kurpfuschert mit allerlei kleinen Mittelchen
am Notstand herum. Wie es heißt, führt sie in ihrer Hausapotheke
sogar sehr wirksame Hoffmannstropfen gegen den Hunger.

In Düsseldorf muß man jetzt für das Rasieren fünfundzwanzig
Pfennig bezahlen, weil die Gesichter der Zentrumsleute — so lang ge-
worden sind. Ihr getreuer Säge, Schreiner.


Feine Familien.

Sag', Muse, mir: wen preise ich
Mit froherin Iubelpsalme?

Die Wertheims und die Metternichs,

Sie ringen um die Palme.

And wenn dies hehre Doppelbild
Ich mir vor Augen führe.

So weiß ich nicht, wem von den zwei'»
Der Vorrang wohl gebühre.

Wie stehst du, edler Gisbert, da.

Du Sproß zahlloser Ahnen,

Wie wußtest du nach Ritterart
Dir kühn den Weg zu bahnen!

Wie leimtest du die Gläubiger,

Die gottvermaledeiten!

Wie fröhlich lenktest du dein Roß
Beim lust'gen Wcchselreiten!

Als hochwillkomm'ner Freier zogst
Du aus nach den Millionen,

Die leider meistens heutzutag
Im tiefsten Drecke wohnen;

And wie dein Auge suchend späht.

Da durfte es erschauen

Jin Wertheimschen Familienkreis

Zwei hochgesinnte Frauen.

Hier werden Leib und Geist gepflegt:

Man schenkt den besten Wein hier
And Künstler und Poeten gehn
Tagtäglich aus und ein hier.

And wenn das Geld man springen läßt —
Wer möchte das verdammen?

Der gute, sel'ge Großpapa
Stahl ja genug zusammen.

.Hier herrscht ein frischer, freier Ton
Im häuslichen Verkehre:

Die Mutter nennt die Tochter „Sau"

And diese sie „Megäre".

Hier war es, Gisbert, wo du tief
In Dollys Locken wühltest
And wo du endlich dich einmal
Ganz wie zu Hanse fühltest! —

Sag', Muse, mir: wen preise ich
Mit lauterm Iubelpsalme?

Die Wertheims und die Metternichs,
Sie ringen um die Palme!

Wenn ich dies hehre Doppelbild
Mir vor die Augen führe.

So beuge schweigend ich das Haupt
Zum Eimer und vomiere. Balduin.

Zweierlei.

Kardinal Nopp verbot äem poinitche» Klerus, in eien Kirchen
Wahlagitation ru treiben.

wir find empört und find crboft:

Oer stopp, der ist wohl nicht bei Drost?

Oer stierus lost — wer wagt es zu denken? —
Die kirchliche flgitstion belchrSnken!

was fingen mit einem Priester wir an.

Der nicht politifieren kann?

6s schwankte die letzte Zentrumsdomäne
Ohne die wackeren Hetzkapläne.

Und das in dielen Zeiten! 6s ist
Oer stopp am 6nde ein Modernitt!

Ihn lotste fd)leunigft Rampolla holen —

Doch, nein, er meint es ja nur für die Polen!

für den polnischen stierus, der ungeniert
Legen das Zentrum agitiert

Und uns bedenklich drückt an die Mauer-

Ja, das ist etwas anderes, Dauer!!

Da toll er mit dem strummltab grob
Dreinfahren, unser biederer stopp!

Und allzeit sein ein wachsamer Hüter
Der allerheiligsten stirchengüter!

Lieber Jacob!

Wenn 'n paar Leite wochenlang uff ihren
Hintern sitzeii un ieber de eenfachsten Dinge nich
in't klare kommen kennen, die jeder Mensch,
der seine fimf Sinne zusammen hat, in'n hal-
ben Tag erledigt, un wenn se sich dabei so
anstellen, als ob se weeß Jott wat for 'ne
schwierije Arbeet zu verrichten haben — denn
nennt man so'n Jetue heitzutage nich mehr däm-

liche Quasselei, sondern diplomatische Kunst.
Un wenn in'n schles'schen Busch 'n Kerl uff
Dir zutritt un Dir anbrillt: „Raus mit Dein
Jeld, oder ick schlage Dir bot!" — denn haste
feen Recht nich, dem Mann als Wejelagerer
un Buschklepper zu estimieren, sondern Du
mußt bedenken, det De meechlicherweise'n ita-
lien'schen Staatsmann vor Dir hast. Un wenn
der Kerl Dir 'n paar in de Fresse haut un
mit Dem Portemonnee sich dünne macht —
denn war det wahrscheinlich keen Raub nich,
sondern hohe Polletik. Det mußte Dir merken,
wenn De det, wat De während de letzten
Wochen in de Zeitung jelesen hast, richtig ver-
stehen willst! Mit Deine jewehnliche laien-
hafte Bejriffe wirste nämlich immer ’n janz
schiefst Urteil ieber de Leitung von auswärtije
Anjelejenheiten haben un kannst Dir leicht zu
unerlaubte Meinungen verirren. Wenn De Dir
aber erst mal richtig zu de hehere moralesche
Uffassung uffjeschwungen jehabt hast, die in
de jebildetsten Kreise un in de hochjeborensten
Köppe herrscht, denn wirste bejreifen, det et
von de italien'sche Rejierung anständig, vor-
nehin un nobel is, wenn se de Tirken uff een-
mal ’n Stick Land wegnimmt un bei die Je-
lejenheit 'n paar dausend Muselmänner in't
Jenseits beferdern läßt, un det derHeilijeVater
in Rom, der et ja woll am besten wissen muß,
zu dieset christliche Liebeswerk seinen erhabenen
Sejen jibt. Aber villeicht biste ooch zu däm-
lich, um det zu kapieren, un denn kann ick Dir
bloß dem Rat jeden: Bejnieje Dir mit det
stolze und freidije Bewußtsein, det de Schick-
sale der eiropäeschen Belker heitzutage von de
Edelsten un Besten der birjerlichen Jesell-
schaft jelenkt werden un det et jewiß un wahr-
haftig bloß an Deine unchristliche Jottlosig-
keit un proletaresche Verranntheit liefen tut,
wenn de in det Tun un Treiben der er-
leichtetsten Jeister ieberall Dreck un Dumm-
heit siehst!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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