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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0416
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7314

k ★ neue Sterne, ★ k

Glockenklang und Orgelbrausen
Zittert durch die weihenacht,
Myrrhen, Lobgesang und Jauchzen
wird dem Heiland dargebracht.

Der im Stalle einst geboren,

Ut erhöht zu Pracht und Glanz,
Und die Großen, Mächt'gen beugen
Zieh dem 5ohn des Zimmermanns.

Und es preisen seine Worte,

Und es loben seine lat
König, Herzog, Fürft und frei Herr,
Junker und Kommerzienrat.

Staunend sieht's und mit Befremden,
wer da wandelt in der Hot,

Doch hier braucht es keine Sorge,
Venn der Line ist ja — tot!

hei,wiewürd'man schnell ihn greifen
Und ihn fetzen ins verlies,
wie man i m merfchondieSchwärmer
Mit Gewalt zur Kühe wies!

flber der ift still geworden.

Und fein Geisteslchwert ist stumpf;
was uns blieb von feiner Lehre,
flch, es hat nicht Haupt, noch Kumpf!

Sie, die fönst den firmen schelten.

Die ihn pressen wie ein Vieh,
fallen hier vor diesem Linen
Vemutvoll auf ihre Knie.

Und wir firmen misten dieses.
Darum stehn wir abgewandt,
Suchen uns aus eignem wollen
Neues, schönes Zukunftsland.

Solche lote darf man preisen
Wit dem höchsten freudenlaut.
Denn fein Keich ist nicht auf erden,
ist nur in die Cu ft gebaut.

Ob die Welt der Großen, keichen
fluch mit Schmutz uns überschwemm' -
flndre Sterne lehn wir leuchten
flls den Stern von Bethlehem! «.«.

wenn er heute wiederkäme
So im schlichten Kock wie wir.
Und er predigte den firmen
Seine Lehre für und für -

Paul Lafargue.

tiefbewegt vernahm das internationale Proletariat die
Kunde, daß einer der hervorragendsten Führer der französi-
schen Sozialdemokratie, Paul Lafargue, im Verein mit seiner
Gattin Laura Lafargue, der zweiten Tochter von Rarl Marx,
freiwillig aus dem Leben geschieden sei, um den Gebrechen
des hohen Alters zu entgehen, von denen der Siebzigjährige
eine Lähmung seines Willens und seiner Tatkraft befürchtete.
Lafargue war 1840 auf der Insel Cuba geboren und wurde
in Frankreich erzogen. In Paris studierte er Medizin, dann
in London, wo er mit Marx in Beziehung trat, wegen seiner
Verbindung mit dem Rommuneaufstand konnte er erst seit
1882 wieder in Frankreich für den Sozialismus wirken, den
er in Wort und Schrift mächtig förderte. Paul und Laura
Lafargue, die sich nicht zuletzt durch den heroischen Llbschlutz
ihres Lebens als geistig und sittlich hochstehende Menschen
erwiesen haben, können eines ehrenden Andenkens bei allen
Sozialisten gewiß sein.

Gesteigerter Amsatz.

Der Schnapsblockabgcorduete guckte dm hartnäcki-
gen Hausierer ingrimmig an und brüllte zum dritteti
Mal: „Raus!! Ich brauche nichts!"

Der Hausierer lächelte wehmütig. „Reden Se doch
kein' Stuß, Herr Doktor! Nehmen Se hier e Paket
,Nasoliw; Hilst sofort gegen Schnupfen!"

„Ich-"

„Se müssen bedenken, Herr Doktor: am 12. Januar
wird Ihnen vielleicht der Stuhl vor de Tür gesetzt und
in der kalten Wimerluft kann man sich leicht erkälten I"

Im Äinterhaus.

„Nicht wahr, Mama, zu uns kommen auch nur
die — abgelegten Weihnachtsengel?"

Weihnachts-Liedchen.

Nach bekannter weloäie.

Morgen kommt der Weihnachtsmann,
kommt mit leinen Oaben.
was dringt er nach Deutschland dann?
was foll Michel haben?

„Rauft ihm liebliche Schaimei'n!

LSchelnci lchiummert er ctann ein
Uncl vergiht im Schial das Murren
Uncl clas böle Magenknurren."

Morgen kommt cker Weihnachtsmann,
kommt mit Extrazügen.
fliie Rinder winkt er 'ran.
was loii Michel Kriegen?

„Einen Maulkorb für den Munci
kann er gut gebrauchen uncl,

Datz er gut im Schlafe lchwitze.

Eine feite Zipfelmütze!“

Und nun kommt der Weihnachtsmann
Und er fchieppt — o Schrecken —

Einen lchweren Ranzen 'ran,

Doll von knotenltöcken.

Und der frohe Michel schwingt
fliie, dah es pfeift und klingt
Und lich alle Duckei ducken.

Die da nach den prügeln jucken. p.e.

Bücher für den Weihnachtstisch.

„Herzblättchens Zeitvertreib." Unterhal-
tungen am häuslichen Herd von Pfarrer Bauer
aus Schrambcrg.

„Die verlorene Handschrist." Die roman-
tischen Schicksale der preußischen Wahlrechtsvorlage.
(Die Geschichte ihrer Wiederauffindung erscheint
in einem zweiten Bande nach dem 12.1.1912.)

„Wie werde ich energisch?" Neu heraus-
gegeben von Bethmann aus dem Holzweg. Mit
einem Anhang: „Über den Umgang mit Kronprinzen."

„Don Quichotte." Für die italienische Jugend
neu bearbeitet von Vittorio Emanuele Tripolitauio.

„Die Regimentstochtcr." Von Dolly Wert-
heimchcn.

„Das Liebesleben in der Natur." Eine
Bilderauswahl aus der Roerenschen Sammlung.

„Richtig Deutsch durch Selbstunterricht."
Wichtig für Juristen und Bureaukraten!

„Das Buch der feinen Lebensart." Mit
Beispielen aus österreichischen Reichsratssitzungen
und antisemitischen Wahlreden.

„999 Arten, sozialdemokratische Reden entstellt
wiederzugeben!" Ohne Widerruf das beste auf dem
Gebiet! Unzerreißbar!

Reuter, „Urgeschichte von Mecklenburg."
Paßt noch wörtlich auf die heutigen Zustände.
Wie neu!

„Bürgerliches Gesetzbuch." Wie schon der
Titel sagt, nicht für Adelige, Offiziere und noch
höhere Herrschaften gültig.

„Das Buch zum Totlachen." Enthält die
Reden Erzbergers, Kröchers und Mugdans.

„Bon Pol zu Pol." Spannende Irrfahrten
eines Nationalliberalen auf der Suche nach einem
Ncichstagssitz.

. „Münchhausen" oder: Das Buch von den
deutschen Kolonien.

„Wie schütze ich mich vorderSchlafkrank-
heit?" Winke von Dr. Lindequist, Staatssekretär a. D.

Harden, „ICH und Deutschland." Das
Buch beweist die Unentbehrlichkeit des allseitig be-
liebten Verfassers für die deutsche Kultur.

„Götzendämmerung." Die Geschichte der kon-
servativen und Zentrumspartei! Jeder Käufer er-
hält einen Ablaß von 99 Tagen für etwaige poli-
tische Sünden!

Eine nette Bescherung.

Im Landtag von Schwarzburg-Rudolstadt haben die
Sozialdemokraten jetzt die Mehrheit.

Das brave Schwarzburg-Rudolstadt
Bekam eine nette Bescherung!

Es sorgte die schwere Rot der Zeit
Dort für der Sozi Vermehrung.

Es hat zerstört der Wahltag dort
Viel loyale Träume,

Und infernalisch leuchtet das Rot
Durch alle Weihnachtsbäume.

Und wem ein Herz unterm Orden schlägt.

Der steht und ringt die Hände:

Was ist von diesem Greuel nun,

O himmlischer Vater, das Ende?

Bricht nun nicht aus die Revolution?

Wird man nicht proklamieren
Die Rudolstädter Republik?

Und uns dann expropriieren?

Sinnen sie wohl auf Tyrannenmord,

Die Unbotmäßigen, Dreisten?

Oder will die garstige Schar
Gar praktische Arbeit leisten?

Dann hülfe keine Agitation.

Dann herrscht nur Jammer und Wehe-

Das wäre das Schlimmste! O Himmel, gib.
Daß dieser Graus nicht geschehe!
 
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