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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0043
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7371

Vorahnung, ca?

„Na, der olle Theobald is ja schon da — nu kommen die verehrten Iesetzjeber »voll langsam nach. Ick jloobe, det hohe Laus wird bald
wieder mal jeschloffen. Ick Hab' det so in't Iefiehl, denn Rheumatismus un Liehneroogen schmerzen vor eener Afflösung immer am meisten."

-o o o-

Der Durchgefallene.

Nach bekannter Melodie.

Ach, Freunde, diesmal war es nischt.
Das Glück ließ mich im Stiche:

Ich habe kein Mandat erwischt
Trotz aller meiner Schliche;

Wenn jetzt die andern nach Berlin
Mit frohem Rededrange zieh».

Muß ich bei Muttern bleiben.

Ja bleiben, ja bleiben.

Voll Überzeugung, kühn und warm
Focht ich im heil'gen Streite,

Der Pastor und der Kreisgendarm
Stand kräftig mir zur Seite —

And was ist jetzt mein Loh» dafür?
Man schob den Stuhl mir vor die Tür
And sprach: Nich in die Tüte,

Ja Tüte, ja Tüte!

Solch einen Durchfall sah man nie.
Kein Singen half noch Beten,

An meiner Stelle wählten sie
Den röteste» Proleten!

Zwölf Stimmen wurden nur gezählt
Für mich, und viel hält' nicht gefehlt.
Daß man mich noch verhaute.

Ja haute, ja haute!

Berlin, du Sündennest, leb' wohl!

Lebt ivohl, ihr lust'gen Nächte!

Ich bau zu Laus jetzt meinen Kohl
And schinde meine Knechte;

Als einz'ger Trost blieb dieser bloß:

Ich teile mein trübselig Los
Mit, ach, so vielen Edlen,

Ja Edlen, ja Edlen! Tobias.

Fabeln.

Die kluge Maus.

Ein blauschwarzer Kater halte sich einen
derben Splitter in die Pfoten gerissen. Schaden-
froh sah ihm die Maus aus ihren: Loch zu.

„Komm und hilf mir den Splitter entfernen,"
bat der Kater. „Ich hole dir dafür Speck aus
der Speisekammer."

„Ach nein," sagte sie kichernd. „So dumm
bin ich nicht; ich bin doch keine — liberale
Maus!"

Der gefräßige Köter.

Ein Herr hatte sich einen Hund angeschafft.
Es war ein dickes, strammes Tier, das bei der
guten Pflege noch Tag für Tag wuchs und
dem auch das Nichtstun gar wohl bekam.

Aber er war nicht satt zu kriegen und bellte
seinen eigenen Herrn a», so daß der ihm sein
eigenes Frühstück erschreckt gab.

Betrübt fragte er seinen Schäfer um Rat.
„Ein Hund, der immer freßlustiger wird, je
mehr er bekommt, ist von der gefährlichsten
Rasse der agrarischen Hunde," sagte dieser.
„Den kannst du nur beruhigen, indem du ihm
eine Prügelsuppe verabreichst!"

Und der Herr probierte den Rat des klugen
Schäfers. Und stehe, es half.

Die Elster.

Ein Pfäfflein ging einst im rheinischen Walde
spazieren und horchte hoch auf, als von einem
Baume herab das schöne Lied ertönte: „lib
immer Treu und Redlichkeit."

Aufblickeud erkannte er eine Elster, aus deren
Nest noch einige gestohlene blanke Dinge herab-
glänzten.

„Grüß Gott!" rief er scherzend herauf. „Du
scheinst mir ja ein recht wahrheitsliebendes
Tier zu sein!"

„Gewiß," schnarrte sie herunter. „Ich habe
das im Garten des Jesuitenkollegiums ge-
lernt!" .. .

Der tapfere Stier.

In der südamerikanischen Steppe wurde ein
Stier von mehreren Hirten mit dem Lasso ge-
fangen.

Aber er wehrte sich und stieß um sich, ob-
gleich er gefesselt ivar.

„Dummes Vieh! Warum ivehrst du dich?"
riefen die Hirten. „Komm lieber friedlich mit!"
Der Stier aber brüllte entrüstet: „Bin ich denn
ein deutscher Bürger, daß ich mir wehrlos dar
Fell über den Kopf ziehen lasse und noch gar
dabei helfe?"

Und er riß mit einer großen Krastaustrenguna
seine Fesseln entzwei und gewann seine Frei
heit wieder.
 
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