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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 29.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.8272#0133
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7462

« Zum ersten Mai! a?

Bekränzt mit Corbeerzmeigen
Vas rote ftampfpanier!
flls Sieger ziehen heute
Zum fRaienfefte wir!

vorwärts mit vollen Segeln
flog untres Schiffes kiel
Und näher rückt und näher
Vas heih ersehnte Ziel.

Voch gibt's noch keinen frieden,
Noch Ift vollauf zu tun,
voch dürfen wir nicht zögern,
voch rasten nicht und ruhn.

voch drohen taufend Stürme,

LH' unter Segel finkt,

6H' wir den Strand betreten,
wo Rub’ und friede winkt.

wir feiern untre feste,
voch nimmer schläft und ruht
!m Proletarierherzen
Oer zorn’ge Kampfesmut.

wir feiern untre fette
Im blütenfrohen wai'n
Und fordern untern flnteil
fln Licht und Sonnenschein!

wir fordern und wir Kämpfen
Zielklar und eisenhart.

Bis uns, der Zukunft Crben,
Brot, Recht und freiheit ward!

So weih'n zu neuen Schlachten

flm Waienfette wir

Vas heil'ge, sieggewohnte,

Vas rote kampfpanier!

Tobias.

„Oer Uten ist gekommen...!"

— Lin plötzlich austretendes Mailüfterl droht den leiten-
den handlanger nach hohenfinow zu pusten.

— Das Zentrum kriegt Frühlingsgefühle und guckt durch
das Llstloch seiner Weltanschauung hindurch in die Zukunst.

— Über der alten Geschichte, datz nun endlich gespart
werden mutz, wächst genügend viel Gras für zwei neue
Wehrvorlagen.

— Lrzberger steht früher auf, als die Sonne, und rechnet
für das Reich einen Haufen Gold in Papier zusammen.

— Die Nationalliberalen spielen ausschlaggebende Partei,
indem sie sich gegenseitig Maikäfer in den pelz setzen.

— Noeren schreibt ein Buch: „Vas Glück im Schmollwinkel."

— Lin Wahlmuseum zur Erinnerung an die letzten Wahlen
wird errichtet. Gstelbische Notabeln versprachen die hochherzige
Stiftung von wohlerprobten Mistgabeln, Dorfkötern, Dresch-
flegeln, waht- und Suppenterrinen.

— Die bayerischen Liberalen und Sozis verhungern, da
die Zentrumsbauern ihre Niesenkartoffeln nur an Partei-
freunde verkaufen.

— Vas pariser „Louvre" erwirbt ein Porträt Bethmanns
als Ersatzbild für die gestohlene „Mona Lisa".

— Bruhn komplettiert durch seinen Beitritt die Reichs-
partei-Fraktion und erhält aus Dankbarkeit eine neue weiße
Weste.

— Jagow verbietet das weiter-um-sich-greifen des Früh-
lings, da nicht nur die Pferde, sondern auch die Bäume aus-
schlagen und der Verkehr dadurch gehindert werden könnte.

Der Kampf um die Jugend.

Durchs „obere" Deutschland hallt ein Schrei.
ZuÄilse! Rettung! Lerbei! Äerbei!

Der rote Sämann geht — o Graus —

And sät den roten Samen aus!

And wo er wandelt seinen Pfad,

Geht mächtig aus die Iugendsaat.

Zur Sonne wendet sie ihr Gesicht —

Das mögen wir nicht! Das dulden wir nicht!

And plötzlich wird die Sache modern
Bei unfern ordenbesternten Lerrn.

Sie kommen voll Eifer angerannt.

Zuletzt sogar — Sankt Leutenant!

Die machen sich — äh — mit emsigen Zungen
And Armen an Proletarierjungen,

Zu bauen Mauern hoch und breit
Vor'm Zugwind der modernen Zeit.

Doch knirschend sehn sie es nun ein:

Es war zu spät; sie stehn allein —

Die Jungen folgen dem roten Panier:

Die Jugend ist unser! Die Zukunft mit ihr!

Blaues Klagelied.

Bel der Reichstagsabttimmung über die OttmarKenzulage der
Postbeamten hat das Zentrum die konservativen im Stich ge-
lassen und mit den Sozialdemokraten gestimmt.

Lw'ge freundfdjaft, eiv'ge Liebe
Schwuren wir uns feierlich,
fett gebaut auf deine freue
habe, lchwarrer Bruder, ich.
fett behielt Ich es im Nuge,

Meines Strebens Ziel und Zweck:

Nrm in flrm mit dir zu wandein
furchtlos durch den dicksten Dreck.

Blindlings traut ich deinen Schwüren,

Du indes — Oott lei's geklagt —

Nch, ichon bei der ersten probe
Salt, Treuloser, du verlagt!

Schmachvoll liehest du mich fitzen
Und entbrannt in lünd'ger Lust
Martlt du — brich, mein treues Serie! —
Sich dem Noten an die Bruft!

€infam, hilflos und verlallen
Lieg ich nun im Mitwerbett,

Ohne dich, du holder Schwarzer,

Ist der vlaue nicht komplett,
hör, Geliebter, meine Klagen,

Bleib nicht länger ungerührt
Und bedenke, was du tatest
Und wie lehr du mich blamiert!

Zeige, dah die Tat dich reute.

Gib ein Pfand mir, Klipp und klar,

Sah die fchnöde Cheirrung
Nur ein leichter fehltritt war!

Kehr zurück in meine flrme
Und beweil' in kürz'lter frist
Nalch durch ein'ge Schweinereien,

Dah du meiner würdig bist! Lehmann.

Steuerpolitik.

Die begeisterte Annahme der neuen Wehrvorlage
durch die bürgerlichen Parteien des deutschen Reichs-
tags erscheint gottlob völlig gesichert. Ungelöst ist
nur noch die Deckungsfrage. Man ist zwar gerne
bereit, jede Summe mit freudigem Opfermut zu be-
willigen, aber man trägt Bedenken, die Kosten vor-
wiegend auf die Schultern der besitzenden Klassen
zu lade». Denn die Vertreter der bürgerlichen Par-
teien fürchten, durch eine solche Zurücksetzung der
Nichtbesitzenden diese in ihren berechtigten patrio-
tischen Gefühlen zu verletzen. Daher sucht man nach
einer Steuer, die alle deutschen Neichsangehörigen

in gleichem Maße trifft. Wie wir aus sicherer Quelle
erfahren, ist der neue Neichsschatzsekretär dabei zu
folgendem Resultat gekommen:

In der Erwägung, daß der gegenwärtige Herr
Reichskanzler in seinem energischen Streben nach
einer homogenen Negierung zu einem fortwährenden
raschen Wechsel der ihm untergeordneten leitenden
Staatsmänner genötigt ist und fast in jedem Monat
irgend ein Minister oder Staatssekretär entlassen und
ein neuer berufen wird; in der Erwägung ferner,
daß an diesem Wechsel das ganze Volk aufs leb-
hafteste interessiert ist; und in der Erwägung endlich,
daß das Gebiet der sogenannten Verkehrssteuern für
die deutschen Reichsfinanzen noch immer viel zu wenig
ausgenutzt worden ist, empfiehlt der Schatzsekretär
die Einführung einer Minister-Umsatzsteuer.
Dieselbe wäre etwa in der Weise zu veranlagen, daß
bei jedem Wechsel im Personal der leitenden Staats-
männer jederReichsangehörige eine bestimmte Summe
zu zahlen hätte. Diese Steuer würde ohne Zweifel
nicht nur sehr einträglich sein, sondern auch von
allen Bevölkerungsklassen gerne getragen werden.
Denn bei jedem solchen Wechsel psiegt das Volk in
besonders gehobener Stimmung zu sein, indem es
dem neu erkorenen Vertreter der Regierungsweishcit
mit hoffnungsfreudigen Empfindungen entgegenblickt
und zugleich froh ist, daß es den alten los wurde.

Die sich von selbst ausdrängende Frage, ob mit
der Minister-Umsatzsteuer zugleich eine Minister-
Wertzuwachssteuer zu verbinden wäre, glaubte
der Neichsschatzsekretär dagegen verneinen zu müssen,
da nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte aus
diesem Gebiet auch nicht der geringste Wertzuwachs
zu verzeichnen gewesen ist. Tobias.

Rüstungskoller.

G Staat, wer hätte das gedacht,

Daß du dein Ding so schlecht gemacht?
verlangst zu wenig INilitär —

Kuch mit der Flotte hapert's sehr!

Drum ändre schleunigst dein Kalkül
Und fordre noch einmal so viel,

5luf datz der brave lvffizier
In Zukunft schneller avancier'!

Gib auch was Barer in die ljand
Dem Panzerplattenfabrikant,

Daß er kann leben flott und froh,

Als wie der Frosch im kjaberstroh.

Die Deckung? Ei, was kommt's drauf an?
Die zahlt das Volk, der Urbeitsmann!

Der Patriot, der Hurra schreit,

Der drückt sich kilometerweit. KI.
 
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