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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0047
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VeutMer Orüensfegeti 1913.

„Tja, Herr Kollege, ein Orden ist halt doch eine schöne Sache, — jetzt
weiß man wenigstens, wozu man lebt!"

„Ganz Ihrer Meinung, Verehrtester! Nur daß der Krämer mir gegen-
über auch einen bekam, hat mich doch sehr unangenehm berührt!"

W NoveWAne. LT

Einst kommt der Tag, der uns Vergeltung bringt
Und Fröhlichkeit rmd eine Welt voll Sonne,
Ein neuer Morgen, der uns all umschlingt
Mit einem Kranze reicher Frühlingswonne.
Einst kommt der Tag, wo jede Schranke fällt
Und jedes Bollwerk, das die Menschen scheidet,
Wo die erlöste freie Menschenwelt
Sich aller prüden Heuchelei entkleidet.

Einst kommt der Tag des flammenden Gerichts,
Der nicht Bedrücker kennt n»d keine Knechte,
Der Tag der Wahrheit und der Tag des Lichts,
Der goldne Tag der freien Menschenrechte!

Die schlimmsten Verbrechen des Sternickel waren vom Standpunkte
der Polizei aus nicht seine Morde, Diebstähle und sonstigen Gemein-
heiten, sondern die Tatsache, daß er acht Jahre lang keine Papiere
brauchte und damit das System der polizeilichen An- und Abmeldungen
unsterblich lächerlich machte. «

Das ist der Werner ans Gießen
Der redet ohn' Rast und Ruh'.

Er kann seine Klappe nicht schließen,

Sie öffnet sich immerzu. . . .

Nichts ist ihm problematisch,

Er kritisiert es voll Kraft;

Die Klappe ivirkt automatisch,

Bis alles im Saale erschlafft.

Und wie auch die Sorgen wuchsen
In diesem hochernsten Jahr —

Man merkte an Werners Rede,

Daß es noch Fasching war!

Der Geburtenrückgang in Deutschland ivird neuerdings darauf zurück-
geführt, daß zahlreiche Polizeibehörden glaubten, die für Aviatiker
erlassenen Vorschriften gelten auch für den Storch, und diesen daher
öfters wegen „Überfliegen von Ortschaften" bestraften.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Das vivatband.

Demnächst verstrich ein Sästulum,

Daß man verjagt Uapolium,

Und unser Deutschland, wie ihr wißt,
Ganz frei - ja, frei! - geworden ist.
Darum schlägt jeder Patriot
Uapolium noch einmal tot,

Und trinkt gar manchen Schoppen leer
Und feiert unsre Freiheit sehr;

Denn seine Seele kam in Schwung,

Und ihn erfüllt Begeisterung.

Doch soll man sie auch außen sehn
Als säkulares Phänomen,

Weshalb ein seiner Kopf erfand
Das patriot'sche Vivatband,

Aus feiner Seide, lang und schmal,
Bedruckt mit Bildern ohne Zahl:
lllit Fürsteuköpsen reich geziert
Und Uamenszügen schön garniert,

Ulit Adlerflügeln, Adlerklaun,

Und Versen, die uns sehr erbaun.

Dazwischen wird es leuchtend stehn:
„Vivat!" dreidutzendmal — wie schön!

Und wer der Freiheit sich bewußt,

' Vdtü schwellt der Ulut die ljeldenbrust;

Er knüpf das Band an seinen fjut
Und rollt die Augen: Blut für Blut!

Er knüpft es sich um kjals und Brust —,
Laut pocht sein ljerz in hehrer Lust!

Aus Ulädchenhaaren wird es wehn,
Beseligt heißt es: Seht, wie schön!

wie schön, wenn so der Mensch geziert
Als Bilderbogen 'rumstolziert,
wenn Herzen, Augen, Nasen glühn
Und Deutschland ward zu — Ueu-Uuppiu!

Das Demonstrieren nämlich ist
Erlaubt, wenn du beim „Vivat" bist,
wenn du dich fühlst als grimmer Held
Und dich Kein Zweifel mehr befällt
An Freiheit in dem teutschen Land —

Sonst Kriegst du, Mensch, Kein Vivatband!

__ Pan.

Lieber Jacob!

Paß mal uff, ick werde dir'n Rätsel uffjeben:
Een Mann haut nachts uff de Friedrichstraße
'ne Dame 'n paar Knallschoten runter, verbimst
zwee Autokutscher und eenen Schutzmann un
schlägt uff de Pollezeiwache alleus kurz und
kleen. Er wird wejen diese Taten vor 'n Ber-
liner Jericht jestellt un dieses verurteilt ihm,
nachdem et festjestellt hat, bet er nich mehr-
besoffen jewesen war als wie et sich jeheren
tut, zu janze sechshundert Emm. Nu rate mal:
wat jloobste woll, wat dieser Mann jewesen
is? Wenn de meenst, det er etwa'n Proletarjer
war, uff dessen mangelhafte Erziehung det Je-
richt vielleicht milde Rücksichten jenommen hat,
denn bedenke jefälligst, det sich die Jeschichte
in Preißen zujetragen hat. 'N Edelster und
Bester war er ooch nich, det sage ick dir jleich
von vornherein. Also wat war er? ,,'N Kom-
merzienrat!" Heere ick dir sage», un ick kann
dir zu meine Befriedijung Mitteilen, det de
richtig jerate» hast. Sowat derf sich for sechs-
hundert Mark bloß '» Adelijer oder ’n Kom-
merzienrat leisten, denn diese beeden verdienst-
vollen un hochjeachteten Stände wird det ärzt-
liche Attest, det se janz oder dreiviertel meschugge
sind, jewissermaßen jleich in de Wieje jelegt.

Merkwirdijerweise machen se, wie in den
vorliejenden Fall, von die Bescheinijung aller-
dings immer erst dann effentlichen Jebrauch,
wen» se vou Rechtswejen in 't Kittchen jesperrt
werden sollen. Oder wat meenste, wat mir woll

passiert wäre, wenn ick dem Kommerzienrat
’n Viertelstunde ehe det er seine Heldentaten
uff de Friedrichstraße ausfiehrte, jesagt hätte:
„Männeken, ick erachte Ihnen for brejenklie-
trig!" Ick firchte, det hätte mir mehr wie sechs-
hundert Meter jekostet. Ja, et hat ebent seine
unbestreitbaren Vorzieje, wenn man Kommer-
zienrat is, un man erspart sich ville Unan-
nehmlichkeiten.

Bloß eens weeß ick, wat ick fast noch lieber
wäre: nämlich 'n Jesuit. Haste jelesen, wat diese
Tage in 't Abjeornetenhaus der Jraf Praschma
ieber diese Bevelkerungsklasse jeeißert hat, die
wir leider so wenig kennen, weil se bei uns
zulande keenen Zutritt nich hat? Mir lief je-
radezu det Wasser im Munde zusammen! Keene
menschliche Tugend jibt et, ieber die diese Leite
nich verfiejen, un keene Wohltat, die se nich
ejal aus 'n Ärmel schitteln. Offenheit, Ein-
falt un Biederkeit sollen ihre sprichwörtlichen
Spezialeijentiemlichkeiten sind. In ihre Herzen
un sonstijen inneren Einjeweide befindet sich
de heißeste Vaterlandsliebe, un zu de Linderung
der Fleeschnot sind se janz besonderst jeeijent,
weil se jeder täglich mindestens zwee Dutzend
Sozialdemokraten abschlachten. Jejen diese
Musterknaben können selbst de Edelsten un de
Kommerzienräte nich anstinken. Ick bedauerte
schmerzlich, det wir jewehnliche Sterbliche jar
keene Vorstellung von det Wesen dieser Halb-
jötter haben kennen, aber jlicklicherweise siegte
der Jraf Praschma am Schluß von seine Rede
hinzu: „De Moral der Jesuiten is jenau die-
selbigte, wie se ooch von de Zentrumspartei
for richtig erachtet un praktisch ausjeübt wird."
Da wußte ick uff eenmal Jottseidank jeniejeud
Bescheid.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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