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Die Berner Konferenz.
Die Panzerpatrioten schreien:
Des Michels Rüstung ist zu eng!
Und an der Seine fernen Ufern
Schürt, wühlt und hetzt Monsieur Chauvin;
Frankreich und Deutschland schärft die Maffen
Und rüstet sich zum Massenmord —
Da, in dem Lärm des Schwerterklirrens,
Grtönt ein ernstes Friedenswort.
ein kräftig (Dort, das halt gebietet
Dem ziellos blöden Rüstungswahn,
Durch welchen hüben man wie drüben
Des Uolkes Rraft und Gut vertan;
ein Mort, das Diplomatenränke
Und Phrasenschwall zum Schweigen bringt,
ein Mort, dem ans Millionen Herze»
Ci» jauchzend Gcho widerklingt!
Im Maimond war’s, es prangt und leuchtet
Im Blütenschmuck die Melt ringsum,
Da ward den Massen froh verkündet
Des Friedens €vangelium;
flm Pfingsttag war es, den die Kirche
Als Fest des Geistes feiernd preist —
Da hat befruchtend sich ergossen
Uon Uolk zu üolk ein neuer Geist!
Das hehre Ziel, das ihr euch stecktet,
Mir wissen’s wohl, noch liegt es fern,
Und dennoch bleibt als Markstein stehen
Für alle Zeit der üag von Bern!
Gr brach die Bahn! Dun nicht gerastet,
Bis die Uernunft den Mahn besiegt,
Und Molochs thron, vom Uolk zertrümmert,
Im Staub zu euer» Füssen liegt!
Hector Denis.
Am 10. Mai starb in Brüssel infolge eines Schlaganfalls
der belgische Parteigenosse Hector Denis, Abgeordneter für
Lüttich und Vorsitzender der sozialistischen Kammerfrafttion,
im Alter von 71 Jahren. Denis war eine der hervorragend-
sten Erscheinungen des internationalen Sozialismus, sein
ganzes Leben war den Wissenschaften und der Sache der
Arbeit gewidmet. Er wurde 1883 Professor der Philosophie
und lehrte an der Brüsseler Universität soziale Wissenschaften
nnd politische Ökonomie. 1892 wurde er Universitätsrektor
und Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Dank seiner
umfassenden Kenntnisse und seiner persönlichen Lauterkeit
erwarb er sich im Parlament wie in der wissenschaftlichen
Welt die höchste Achtung. Sein Andenken wird in der so-
zialistischen Internationale hochgehalten werden.
Der chauvinistische Gegenschlag.
Die Berner Verständigungskonserenz hat die deut-
sche» lute die französischen Chauvinisten gleicher-
maßen in Harnisch gebracht. Hüben wie drüben
fürchtet man ein Abflauen des Nüstungsgeschäftes.
Um diese höchst bedenkliche Wirkung zu durchkreuzen,
haben sie eine Gegendemonstration beschlossen. Es soll
demnächst eine deutsch-sranzösich eVerhetzungs-
konferenz stnttfinden. In dem Einladungsschreiben,
das in deutscher und französischer Sprache abgefaßt
ist, wird als Zweck der Konserenz angegeben, „eine
ernste Aussprache zwischen den patriotischen Ver-
tretern der beiden Nationen herbeizusühren über die
besten Mittel und Wege, das gegenseitige Mißtrauen
zu verschärfen und die altehrwürdige Erbfeindschaft
vor jeder Abschwächung durch internationale Har-
monicapostel zu schützen". Am Schlüsse der Konferenz
ist eine solenne Prügelei vorgesehen, um der Welt
handgreiflich vor Augen zu führen, daß die Wclt-
friedensbestrebnngen Unsinn sind.
Wie verlautet, haben sich dieKanonenkönige Krupp-
Essen und Schneider-Creuzot bereit erklärt, gemein-
sam die gesamten Kosten der Zusammenkunft ein-
schließlich der ärztlichen Hilfe zu bezahlen. M
Leider.
Leut' weht ein anderer Wind. Es geht
Nicht mehr im alten Gleise:
Es fehlt die Popularität
Der alten Leherweise!
Man hört des Völkerfriedens Schritt
Schon an der Wegeswende:
Die Völker machen nicht mehr mit —
Sie reichen sich die Lände.
Es klingt ein trübes Weh und Ach
Durch unsre Lallen künftig
Die Völker ringsum wurden wach
And leider auch — vernünftig.
Sie strecken sich und richten jetzt
Sich straffer auf im Bügel
And — gebt nur acht — zuguterletzt
Ergreifen sie die Zügel.
Dann ist's verlorne Liebesmüh,
Die Völker anzufeuern:
Denn leider geht's nicht ohne sie
And ohne ihre — Steuern.
v. Arnim-Schnodderheim
an v.Below-Pleitenbnrg.
Mein Älllerwertester! Aussichtsreicher Balkan-
konflikt durch Rückgabe von Skntari leider ruhm-
los beendet. Können aber bravem Nikita Vor-
wurf von Schlappheit nicht machen. Hat getan,
was menschenmöglich war, nnd mußte schließ-
lich fataler europäischer Übermacht weichen.
Ehre, wem Ehre gebührt! Chose soll ihm
übrigens schöne Stange Gold eingebracht haben.
Hat wochenlang an großen Börsenplätzen auf
Baisse spekuliert, nnd können sich ansrechnen,
welche Summen in allerhöchste Schatulle ge-
flossen. Begreife nicht, was oppositionelle
Schweinepresse daran auszusetzen findet! Könnte
doch froh und stolz sein, mal Fürsten mit wirk-
lich modernen Grundsätzen kennen zu lernen.
Fixender Landesvater und Gottesgnadentum
mit Ultimoregulierung doch wahrhaftig Er-
scheinungen, die aus allen Poren Geist von
Neuzeit atmen. Na also! Aber demokratische
Drecklümmel sind eben niemals znsriedenzu-
stellen!
Berner deutsch-französischen Verbrüderungs-
schwindel finde einfach skandalös. Taktlosig-
keit sondergleichen, derartiges gerade in Jubel-
jahr zu veranstalten. Gute Gesellschaft hat jede
Beteiligung selbstverständlich energisch abge-
lehnt. Verlangte schon allein schuldige Rücksicht
auf deutschen Kronprinzen, der erfrischender-
weise mal wieder impulsiv in literarische Kriegs-
trompete geblasen hat. Prächtiges Wort Sr.
Kaiserlichen Hoheit, daß „Schwert bis znm
Untergang der Welt immer der letzten Endes
ausschlaggebende Faktor sein und bleiben"
werde, hat Schreckgespenst des ewigen Welt-
friedens für alle Zeit zu Ruhe gebracht, Pro-
blem endgültig gelöst, leider aber naseweisen
Friedensanstifter», wie Berner Affäre zeigt,
noch immer nicht Maul stopfen können.
Gute Presse hat Kronprinz nicht mit Un-
recht mit Friedrich dem Großen verglichen.
Tatsächlich frappante Ähnlichkeit. Alter Fritz
mußte als Thronfolger in Rheinsberg sitzen,
Kaiserliche Hoheit ebenfalls fern von Berlin
in Langfuhr. Beide kriegerische Neigungen.
Beide schriftstellern mit Erfolg. Beide pflegen
intimen Umgang mit zeitgenössischen Geistes-
größen, Friedrich mit Voltaire, Kronprinz mit
v.Oldenburg-Januschau. In schneidigem, todes-
verachtendem Reitergeist gegenwärtiger Thron-
folger dem alten aber zweifellos weit über-
legen, wie neuste literarische Publikation be-
weist. Fürchte nur, daß Tollkühnheit im Ernst-
fälle Kaiserliche Hoheit zu allzu waghalsigen
Taten verleiten könnte. Aber glücklicherweise
ist durch moderne Kriegführung weise dafür
gesorgt, daß Leben und Gesundheit landes-
herrlicher Prinzen nicht in Gefahr kommen
kann. Sonst wären Folgen bei Temperament
von Kaiserlicher Hoheit kaum übersehbar.
Mit diesem tröstlichen Gedanken Gvlt-
befohlen! _ Ihr Arnim.
Die Gnade des Heiligen Geistes.
Vom Heiligen Geist hat man seil seiner Aus-
gießung in die Menschheit am ersten Pfingstfest eigent-
lich nicht mehr viel gehört. Von Zeit zu Zeit tritt
er aber doch in Wirksamkeit, nämlich in Kriegszeiten.
Dem Organ der hessischen Zentruuispartci, de»,
„Mainzer Journal", gebührt das Verdienst, in seinem
Psingstartikcl ans die hohe Aufgabe des Heiligen Geistes
zu Zeiten eines Weltkriegs hingewiesen zu haben. Das
froinme Blatt schreibt:
„Wir haben es schon mehrfach betont, das große
Sterben, das ein Weltkrieg mit sich bringen würde,
wäre der Hebel größtes nicht. Glücklich ist, wer
dann iit der Gnade des Heiligen Geistes aus dieser
Zeitlichkeit scheidet."
Und um dieses Glück wollen Sozialisten, Frei-
maurerund Friedensapostel ihre Mitmenschenbrinqen!
Eine niederträchtige Bande! -ft?«