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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0382
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8138

Schlechte Luft.

vaterländisch fozufagen
Muh das Faktum man beklagen,
Oah die preuhilch-deutlche Luft
Neuerdings bedenklich mufft.
Filles zieht die Nase kraus,

Venn es stinkt in unterm Haus.

Orad aus Natriotenkreilen,
wie Nrozetle es beweisen,

Strömt ein penetranter Duft,
vatz vor Schreck zurück man hutt.
Schweselwalserstoff--Parsöng
Ist jetzt Mode, schnedderengdeng.

kommt der stärkste Stank aus Essen,
wollen wir dod) nicht vergessen,
vatz man neben Krupp und Brandt
Fluch noch andre Quellen fand
Und sich tagte ärgerlich:

Ueberall ried)t's sengerich.

wen zum Beispiel hat nicht Losten —
Truppenübungsplatz! — verdrossen,
hier auch ward der Staat barbiert
Und so manche Hand geschmiert,
von ölet? wer tagt es noch?
Trotzdem riecht's in Zotten doch.

Und die Luft wird nicht gesunder,
wenn auch koloniale Orunder,
Sozifretter, das Oerlcht
Bitten: Straft den Bötewicht,

Der hier Unrat hat getehn...
Bitte, riecht es deshalb schön?

Steckt ins Blättchen man die vale
Quellen gleich heraus die Qate
wie aus einem alten Strumpf,
wiederum ein neuer Sumpf,

Der Miasmen mit sich fuhrt
Und die Vasen strapaziert.

Diese trübe Fltmotphäre Schreit, ihr Lumpen, unentwegt,

wird gar bald zu Deutschlands Ehre Schreit, soviel es euch gefällt,
vom Qewitter reingefegt. Deutfchiand itt kein Mefelfeld.

Die Schuldigen.

Nun ist beendet der zweite Prozeß
Und zweie sind verknackt, indes
In „goldener" Freiheit wandern
Die andern.

Die andern, die da ungeniert
Die ganze Suppe eingerührt.

Um lächelnd einzunehmen
Tantiemen!

Klingt lauter auch von fern und nah
Das böse Wörtchen „Panama", —

Man wird es bald vergessen
In Essen.

Man zieht dort ein empört Gesicht:

Uns trifft die ganze Sache nicht! —

Es schließen die Direktoren
Die Ohren.

Die kleinen Schuld'gen wurden gehängt.
Die Großen, die es eingetränkt.

Trifft von der Strafe kein Schimmer —
Wie immer! ,,

Löwensteiniana.

Als Dr. Löwenstein seine Rede beendet hatte, bil-
dete sich im Gerichtssaal sofort ein Ausschuß echt-
deutscher Männer, um dem größten und edelsten
Deutschen — dem Bureauvorsteher Brandt — eine
Kolossalstatue zu errichten. Die Standbilder Aork
von Wartenbnrgs und Bismarcks sollen zu diesem
Zwecke eingeschmolzen werden.

„Jeder Pfennig, den die Firma Krupp verdient,
bedeutet für die Arbeiter dieser Firma eine Mark."

Direktor Hugenberg rieb sich die Hände, als er
dies hörte, und flüsterte einem Kollegen zu: „Wir
werden von jetzt ab unsere Löhne in Pfennigen aus-
zahlen statt in Mark."

„Auch das Honorar fürHerrn Löwenstein?" fragte
der Kollege zurück. ,

Als Ur. LLwenstein sich über Heuchelei, Pharisäer-
tum und Lüge entrüstete, klangen verschiedenen Herren
in Essen die Ohren. Es wurde sofort nach Berlin
telephoniert: „Was hat denn nur der Lömenstein?"
„Er meint ja den .Vorwärts'!" lautete die Antwort.
„Ach so — dann nur vorwärts!" klang es er-
leichtert zurück.

Herr Ulrich, der Verteidiger im ersten Krupp-
Prozeß, wollte sich sofort nach der Löwensteinschen
Rede beschneiden lassen.

„Aber warum denn?" wurde er gefragt.

„Ich komme nicht mehr mit! Es muß einem un-
bedingt was fehlen, wenn man mit dem Kollegen
Löwenstein mitkommen soll." So.

labern.

Sind irgendwo die Deutschen eingednmgen
Und haben sie ein Land sic!) einverleibt,

So sind „moralische Eroberungen“

Das, was zu tun als nächstes übrig bleibt.

Sich das Gemüt des üolkes zuzuwenden,

Ist wohl das leichteste, was es nur gibt.

Man braucht nur lauter — Preussen hinzusenden,
Denn diese machen sich im Jlug beliebt.

Sie werden bald mit allen gut sich stehen,

Sic zeigen nie von Schroffheit eine Spur,

Und etwa einen Missgriff zu begehen,

Das liegt bei ihnen nicht in der Datur.

Als eine von den allerbesten Marken
Wie leider sie nicht überall gedeih»,

Als ein Gemisch des Lieblichen und Starken
Mag Marke „5orstner“ warm empfohlen sein.

Der Cakt, denn diesen darf man nie vergessen,
Hebst vielen andern rühmenswerten Sachen,

Ist diesem Mann mit Scheffeln zugemessen,

So glückt es ihm, sich populär zu machen.

Wo er sich zeigt auf Plätzen und auf Gassen,

Ist lauter Beifall stürmisch ihm geweiht.

Tn Zabern sammelt sich das Uolk in Massen
Und gibt — aus Sympathie — ihm das Geleit.

Den Sohn des Gisass „mackes“ zu benennen,

Das weckte Widerhall in allen herzen,

Und durch den Wanst das Bajonett zu rennen,

Die Aussicht labte jeden Jreund von Scherzen.

Dur tausend Sorsfner braucht ihr zu versenden,
Die gleich beglückt mit trefflichen Gedanken,

So wird im Gisass rasch sich alles wenden —

Sie fordern ihr Jahrhundert in die Schranken.

Politische Glossen.

Das verächtlichste Volk der Erde
Wäre das deutsche Volk, wenn es nicht schleunigst
drei Millionen Mark ansbräckite für ein Bismarck-
denkmal bei Bingerbrück! Also sprach Krenzwendedich
v. Rheinbaben, ehemals preußischer Finanzminister
und derzeit Oberpräsident der Rheinprovinz.

Andere Leute meinen, wir hätten nachgerade genug
Bismarck- und sonstige Denkmäler, viel dringlicher
sei die Fürsorge für die Kriegsveteranen wie für die
Invaliden vom Schlachtfeld der Arbeit. Aber das
sind unpatriotische Ideen vaterlandsloser Gesellen.
O Kreuz-wende-dich!

Umstürzler am Werk.

In Zabern wollte ein preußischer Offizier einen
„Wackes" mit dem Schwert im Man! erstechen, mußte

aber vor der Wut der anderen „Wackes" die Flucht
ergreifen.

In Linz stürmten zwei österreichische Offiziere mit
dem Schwert in der Faust die Redaktion des sozial-
demokratischen Blattes, wurden aber von den herbei-
eilenden Schriftsetzern überwältigt und entwaffnet.

Woraus Ivieder einmal zu ersehen ist, wie wenig
Respekt der aufsässige Pöbel vor den berufenen Hü-
tern des inneren und äußeren Friedens hat. Der
Umsturz erhebt immer kühner sein Haupt. Wie soll
das noch enden! V

Rötger.

Schon manches ist mir zugestoßen
Sn meines Lebens stolzem Lauf,

Und diese Brust, bedeckt mit Grden,

So manchen Hieb schon fing sie ans;

Oes Pöbels Schimpf könnt' ich ertragen,

XDetI fest ich in dem Sattel saß,

Doch was man jetzt mir hat geboten,

Vas geht doch wirklich Über'n Spaß!

3m Rrupp-Prozeß ward ich geladen
GIIs Zeuge vor das Strafgericht,

3ch sagte dieses ans und jenes —

Indessen glaubte man mir nicht;

Sck)on hob zum heil'gen Männereide
Die Finger ich, beherzt und warm,
va fiel - ich denk', mich lauft der Affe —

Der Staatsanwalt mir in den Arm!

Und der Gerichtshof — Haft dn lvorte? —
Schloß ihm sich an und schnitt mir, schwabb,
Ein ganzes meterlanges Ende
von meiner Bürgerehre ab!

Und ohne Lid ward ich entlassen
Und schwer belämmert zog ick) hin,

Und znm Revolver müßt' ich greifen —
tvenn ick) nicht wäre, der ich bin!

Denn Bürgerehre und dergleichen,
was kümmert mich so 'n Firlefanz?

Ich bin und bleib' der lvberbonze
Des großen Scharfmacherverbands!

Ls rutschen vor mir Exzellenzen,
wenn ich es wünsche, auf dem Bauch,

Und Staatsminister selber feg' ich
hinweg mit meines Mundes Hauch.

Und taugt auch meine Männerrechte
3um heil'gen Lide nicht — wohlan:

Ls gibt gottlob noch andere Dinge,
wozu ich sie gebrauchen kann!

So sei in Zukunft denn die kräft'ge,
Znruckgewies'ne Eideshand
Zn einem Amt, das wen'ger heikel,

Znm — Schleiffteindrehn allein verwandt!
 
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