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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0383
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— 8139

„Braunschweiger Leberwurst..."

Zu fingen nach der Melodie: Keil dir im Siegerkranz!

DovelMne. eT

Fünftausendfünfhundert Fasanen
Im Konopischter Wald
Ließen ihr Leben, als dröhnend
Die fürstliche Büchse geknallt.

Es hatten die braven Tiere
Im Sterben immer noch Glück:
Sie fielen zur Befest'gung
Der Dreibund-Politik.

Dies wurde am nächste» Morgen
Den Lesern aufgetischt —

Man jagte und schoß „politisch"
Im Wald von Konopischt.

Auf dem Blechmarkt trat eine schwere Erschütterung ein. Or. Löwen-
stein, der Verteidiger Brandts, warf so viel Ware auf den Markt, daß
die Preise rapid herabgingen.

Während des Ritualmordprozesses in Kiew sind vierunddreißig Zei-
tungen mit zehntausendzweihundertfünfzig Rubel Strafgeldern belegt
worden. Schade, daß der Prozeß schon zu Ende ist, sonst hätte man
die Gerichtskosten noch ganz durch die Presse herausgeschlagen.

In Berlin tagte der Mittelstand und „schäumte"-aber nicht

vor Wut, sondern weil ihn die anwesenden Vertreter der Regierung
und der bürgerliche» Parteien so schön eingeseift hatten.

Die Opferbereiischast deutscher Patrioten im Jubeljahr erklimmt
immer höhere Gipfel. Hat doch sogar der heldenmütige Leutnant Forstner
in Zabern sich bereit erklärt, für jeden ordnungsgemäß niedergesto-
chenen „Wackes" zehn Mark zum Besten zu geben.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die ewige Kommission.

Der Bericht der FIeisch.Snquetekommission ist erschienen.

He! lewet noch! Wer hätt' gedacht,

Datz sie noch immer für uns wacht.

Daß sie noch immer Fleisch und Fisch
Verbilligte — am grünen Tisch.

Wir hatten sie vergessen schon.

Die Fleisch-Enqnetekommission.

Sie hat getagt ein ganzes Jahr
Und hat „enqnetet^ immerdar.

Und Akten sammelten stch dann
Zn wahren Chimboraffos an.

Rnr Fleisch — wer weiß, wie das geschah —
Nur bill'ges Fleisch ist noch nicht da.

Manch Fleischermeister ward gefragt
Und manch Agrarier hat geklagt.

Und was man hörte, sorgenvoll.

Das füllte manches Protokoll.

Rein, nein, man war gewiß nicht fanl:

Bedank dich, Volk - und wisch das Maul!

—— P E.

Religiöser Kulturfortschritt.

Der Pfarrer Don Pietro Cerva in Lanzo, Provinz
Turin, feuerte bei der Parlamentswahl zwei Re-
volverschüsse aus einen liberalen Wahlzettelankleber
ab. Einige Tage zuvor hatte sein Amtsbruder Don
Felici aus der Diözese Udine die Pistole als Waffe
im Wahlkampf benutzt.

Früher bedienten sich die Vorkämpfer der Kirche
der schrecklichsten Folterwerkzeuge, um die Feinde
Christi langsam zu Tode zu quälen. Da muß es
als großer Fortschritt bezeichnet iverden, daß sie jetzt zu
den viel schneller wirkenden Schußwaffen greisen. Man
sieht, selbst die Frömmsten können sich nicht ganz dem
Einfluß einer huinaneren Kultur entziehen. M

Jur gef affigen föcacftung! ..

TJnfcrc Cefer werden frcunbücßft
crfucfft, bcu'Wafjreu'Jacoß über*
aff 311m Hßonncment $u empfeß*
(cn. J>w6enummem fenben wir
auf 'Wunfcß foftenßoä.

Ver'Vertag bce 'Warten Jacob
Stuttgart, Jfurtßadjftraßc 12.

Lieber Jacob!

De Ehen werden bekanntlich im Himmel je-
schlossen, aber de Kosten missen ejal hier uff
Erden berappt iverden. Un die sind manchmal
ziemlich knollig, besonders wenn der Klapper-
storch jar zu zudringlich is. Dadrum ivollen
die janz Jeriebenen und Jcrissenen aus bet
bessere Birjertum ooch nich mehr an dem Speck
'ran, sondern durchbummeln dieses irdesche
Jammertaluff außerehelichen Wejen. Detbringt
nu bekanntlich sor'n jut injerich'tes Staatswesen
mancherlei Nachteile mit sich, un so is et er-
klärlich, det verständije Sozjalpolliteker sich dem
Kopp dadrieber zerbrechen, wie se de zeijungs-
fähije Männerwelt uff't Standesaint verschlep-
pe» könnten. Zu diese Polliteker jeheert ooch
de katholesche Schriftstellerin Elisabeth Gnauck-
Kühne, die neilich in eenen schenialen Zeitungs-
artikel det Thema jrindlichst behandelt hat. Se
meente da, keen Mittel derfe unversucht bleiben,
um de Heiratslust der Männer anzufeiern, un
als det Unwiderstehlichste empfiehlt se 'ne sehr
zweckensprechende Änderung der weiblichen
Tracht. De Frauen un Mächens sollen sich
nämlich ville wenijer anziehen, wat erstens
dem Vorteil hat, det an Schneiderlohn jespart
ivird, zweetens, det selbst der blcedeste Jing-
ling durch de Vorspiejelung der bevorstehenden
Lustbarkeiten dermaßen jeblendet wird, det er
nich mehr an sich halten kann un det Ehever-
sprechen von sich jibt.

Det erschien mir allens so einleichtend, det
ick beschloß, bei meine weibliche Nachkommen-
schaft 'n Versuch nach diese Richtung zu unter-
nehmen. Also letzten Sonnabend nach Feier-
abend wunkte ick mir meine Olle zu 'ne intime
Rücksprache unter vier Oogen. Ick setze ihr
Elisabeth Gnauck'n ihre Methode auseinander
un mache ihr uff de sejensreichen Foljen uff-
merksam. „Wo willste ihnen denn wenijer be-
kleiden?" fragte se mir, „oben oder unten?"
„Von beede Enden", jebe ick zur Antwort, „det
is am sichersten un ick bin prinzipiell immer
for radikalet Verfahren!" „Scheeneken!" sagt

se un jrient wie'n Affe, „daraus sehe ick, det
de ieber de körperliche Beschaffenheit deiner
sechs Techter nach keene Richtung hi» orjani-
siert bist. Oder jloobste villeicht, oller Däme-
lack, det Juste mit ihre Plattfieße un Rieke
mit ihre Säbelbeene un Jette, die de Natur
ohne Waden uff'n Lebensweg jeschickt hat, durch
de Enthillung der Reize von ihre untere Hälfte
eenen Breitijam ankeedern wirden? Un wenn
wir dem Schaden von oben besehn: Minna
hat 'ne schiefe Schulter, Anna 'n hibschen An-
satz zum Buckel un Lucie in't Jenick 'ne Warze,
so jroß wie'n Bratappel!"

Diese kritische Darstellung verletzte mir in
meinen Vaterstolz, so daß ick mit pikante Be-
tonung entjejnete, et wäre 'ne Affenschande,
det de Frauen von heile keene scheeneren Kin-
der nich mehr in de Welt setzen können, un
det wäre ooch wieder ’n Beweis for dem Nieder-
jang der weiblichen Rasse. Aber damit hatte
ick det Kalb in't Ooge jeschlagen! Meine Olle
jab keenen Ton von sich, aber se wurde jras-
jrien in de Fassade, packte mir bei'n Arm un
zerrte mir vor dem Spiejel. Diese Prozedur
>var im heechsten Jrade beschämend for mir
un beraubte mir jedes weiteren Einwandes.
Denn de Säbelbeene, de Plattfieße, de schiefe
Schulter, der Buckel, de Warze, allens war
in meine Erscheinung vorhanden un de Waden
mangelten jänzlichst! Ick ivar jeschlagen, zog
mir schweifend zurück un Heerte bloß noch, wie
meine Olle, die ihre Stimmorjane jottlob im
vollen Umfange wiederjefunden hatte, in de
Worte ausbrach: „Schneiderlohn jibt'sbeiun-
sereinen ieberhaupt nich, denn meine Mächens
nähen sich ihre Klüfte selber! Un von wejen
de bezaubernde Nacktheit: ick mechte de olle
Jnauck'n lieber nich in't Hemde jenießen! Pfui
Deibel!" Nach diese moralische Betrachtung
schob se in de Küche ab un schmiß de Tiere
zu, det der Kalk von de Wand prasselte.

Womit ick verbleibe mit ville Jricße Dein
jetreier Jotthilf Nauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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