Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0388
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8144

Ansere Guillotine.

Speztal-Welkberichterstaktung des »Wahren Jacob'.

Deutschland.

Der Bundesstaat Bayern hat wieder einen
König. Allen Deutschen ist damit ein Stein
vom Herzen gefallen. Haben wir nicht seit
Jahrzehnten schmerzvoll zugesehen, ivie das
liebe Bayern immer bleicher, schwindsüchtiger,
ohnmächtiger wurde, nur weil es keinen richtig-
gehenden König hatte? Wieviel arme Bayern
sind in dieser schrecklichen Zeit krank gewor-
t en! Wieviel noch viel ärmere Bayern haben
sterben müssen! Wie oft gab es dürre und
nasse Sonnner und Feuchtigkeitsepidemien im
Winter. Wie oft stieg der Preis des Bieres!
Wie oft stolperten alte Gäule und junge Mäd-
chen! Wie oft gab es Leute, die Hunger und
Durst hatten und die ihre Steuern nicht zah-
len konnten! Nur weil Bayern keinen König
auf dem Thron hatte, sondern nur einen Re-
genten.

Aber nun hat Bayern wieder einen König.
Und wenn er auch nicht vom lieben Herrgott
selber gemacht wurde, ivie die andern, so muß
sich doch jetzt alles, alles wenden. Bayern ivird
das glücklichste Land der Welt sein. Milch und
Honig werden fließen. Katholische Geistliche
werden nie mehr durchbrennen, weder mit Jung-
fräuleins noch mit Geld. Die Sonne wird nicht
nur im Sommer, sondern auch im Winter schei-
nen und zwar die ganze Nacht. Hunger und
Durst wird's nicht niehr geben, Steuern brauchen
nicht mehr gezahlt zu werden, die Bockwürste
werden an den Dachrinnen ivachsen, das Bier
ivird überall gratis ausgeschenkt, die Minister
werden nur noch von neun Uhr abends bis neun
Uhr morgens schlafen, und nicht wie bisher auch
von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends:
kurz, es wird herrlich werden in
Bayer». Tenn Bayern hat wieder
einen König, mit einer Krone auf dem
Haupt — einen König, der ein König
ist, ohne verrückt zu sein.

Muß nicht unser Aller Herz jubeln
ob so vielen Glücks? O Deutschland,
Deutschland über alles — Deutsch-
land in der Welt voran' Kann es
etwas erhebenderes geben als einen
ganz neuen, ganz frischen, ganz aus-
gewachsenen König, der laufen und
reden kann —. es ist eine wahre Lust
zu leben!

Ungarn.

Ungarn liegt östlich von Österreich.

Es könnte auch östlich von Rußland
liegen und östlich von Japan und
östlich von Amerika: es bliebe doch
Ungarn. . . .

Ungarn hat eine Regierung, wenn
auch nicht immer dieselbe. Die Regie-
rungen sind nie sehr verschieden von
einander. Um in Ungarn Minister
werden zu können, muß man stehlen
gelernt haben. Bringt man's zumMi-
nisier, ohne daß man stehlen gelernt
hat, so wird man von seinen Kollegen
bald als Streikbrecher mit scheelen
Augen angesehen und von der besse-
ren Gesellschaft für einen Troddel
gehalten.

DergrößleMann vonUngarn heißt
Lukacs: er war noch voriges JahrM i-
nisterprästdent. Und da er einige Mil-
lionen gestohlen hatte, wäre er noch
lange, lange Ministerpräsident ge-
blieben. Aber es ist herausgekommen :
und auch in Ungarn darf man nicht
so stehlen, daß es herauskommt, denn
damit beweist man, daß man nichts

vom Handwerk versteht. Deshalb mußte Lukacs
dem Grafen Tisza Platz machen. Der Graf Tisza
hat auch gestohlen: man weiß es, aber es ist noch
nicht herausgekommen und deshalb ist Tisza
immer noch Ministerpräsident, wie es sich gehört.
Ungarn ist ein sehr schönes Land und liegt öst-
lich von Österreich. . .

Frankreich.

In der letzten Zeit sind eine ganze Anzahl
Mutter-, Vater-, Kinds-, Bruder-, Schwestern-,
Schwager-, Gattenmörder vor Schwurgerichten
freigesprochen worden. Das trägt natürlich zur
Steigerung des Freiheitsgefühls in der dritten
Republik sehr bei. Nicht, daß mau dies so ver-
stehen dürfte, als ob nun alles erlaubt wäre:
im Gegenteil. Wenn man Brot stiehlt, oder in
der Kompagnie dem Hauptmann den Gehor-
sam verweigert, oder seine Steuern nicht zahlt,
oder dem Polizisten die Zunge herausstreckt,
oder einem Minister eine Ohrfeige gibt, oder
auf den Boulevards in die Luft schießt, wird
man selbstverständlich verhaftet und verurteilt.

Auf einem Manöverfeld in der Nähe von
Paris wurden kürzlich Versuche mit dem Fall-
schirm gemacht, der in der Höhe von etwa zwei-
hundert Meter von einem Ballon herabgelassen
wurde. Der Erfinder wohnte den Versuchen bei.
Er war allerdings vorsichtig genug, sich nicht
selbst dem Fallschirm anzuvertrauen, dagegen
halte er einen großen Käfig darin angebracht.
Zwei Tauben, ein Hahn und ein Schaf saßen
friedlich darin beieinander. Beim ersten Ver-
such vergaß der Fallschirm sich zu öffnen und
fiel auf Grund bekannter physikalischer Gesetze
wie ein Klotz zur Erde nieder. Als man an
dem Käfig, der in Stücke gegangen war, das
Tuch wegriß, flogen die beiden Tauben davon
und auch der Hahn flatterte weg. Der Erfinder

strahlte: „Seht Ihr, seht Ihr, die Tauben und
der Hahn sind lebendig geblieben." Er vergaß
das Schaf anzusehen: das lag auf der Seite
und guckte traurig, ohne sich zu bewegen, die
Umstehenden an. Und hätte es sprechen können,
so hätte es sicher geseufzt: „O Gott, o Gott,
was habe ich für Kopfschmerzen!" Es war aber
auch nur ein ganz dummes Schaf, das nicht
fliegen konnte.

England.

„Was werden wir morgen machen," fragte
Miß Sampson, die Suffragette, und in ihren
Augen blitzten böse Dinge.

„Morgen ist Sonntag?" erwiderte träume-
risch fragend darauf Miß Kong, die Suffragette.
„Ja."

„Wir werden in die Kirche gehen."

„Um zu beten?"

„Ja, um zu beten."

„Nur um zu beten?"

„Ja, nur um zu beten."

Miß Sampson verstummte und starrte ihre
Kampfgenossin verzweifelt an. Nach einigen
Minuten sagte sie: „Gut, also gehen wir morgen
in die Kirche."

„Um zu beten."

„Ja, nur um zu beten. Und wenn wir fertig
sind, zünden wir die Kanzel an!"

_Aldul-Lpas-Js.

Der Sieger.

Eine Geschichte aus alter Zeit.

In dem Hof des allulächtigcu Königs drängte sich
eine bunte Schar.

Alte und junge Männer standen da, in abgerissener
oder eleganter Kleidung, ruhig abwartend oder heftig
gestikulierend. Aber so verschieden sie auch äußerlich
waren, — ein aufmerksamer Beobachter hätte in ihren
Gesichtern wohl manches Gemeinsame entdeckt. Dies
Gemeinsaine war: ste alle waren Künstler, und sie war-
teten ans den König, der sie hierher ge-
rnfen hatte, >»n mit ihnen über den Um-
bau eines Schlosses zu beraten. Es war
ein großer, gewinnbringender Auftrag,
und sie hatten nicht Kosten noch Zeit ge-
spart, in» rechtzeitig dabei sein zu föimcii.

Junge Männer schwenkten sicgesgewiß
ihre Rollen mit den Zeichnungen; eine
Welt voll Hoffnung beseelte sie: konnten
s e doch mit diesem einen Ban ihren Namen
mit einem Schlag bekannt machen.

DieAlteiyGcreiftcrcn, die bereits manch
wichtiges Werk geschaffen hatten, sahen
lächelnd, mit ruhiger Sicherheit dem Kom-
mende» entgegen.

Stunde um Stunde aber verging, ohne
t aß sich einer um die Wartenden kümmerte.
Tic Lakaien und Palastwachcn standen vor
den verschlossenen Portalen und hatten ans
die immer dringlicher werdenden Fragen
nur ein Achselzucken als Antwort.

Da plötzlich öffnete sich das mittlere
Portal. Eilt erwartungsvolles Schweigen
entstand. Wer würde zuerst zum König
berufen werden? Wer würde den Ban
schassen dürfen?

Aber derHofn,arschall trat an die Rampe •
und näselte: „Geht nur wieder nach Hause,
ihr da! Seine allwissende Majestät hat
bereits den tüchtigsten Architekten heraus-
gefunden und ihm den Ban übertragen."

Als er den Namen des Bevorzugten
nannte, entstand ein leises, rcspeklwidriges
Gelächter, lind der älteste der Künstler
fragte: „Warum gerade diesen, dessen
Bauten allen Kundigen nur ein Lächeln
entlocken?"

„Warum?" Der Hosmarschall lächelte
über tie Wcltsremdheit des Fragers.
„Weil er allein, wie cs sich ziemte, in
Hoslakaienlracht erschien!"

... Diese Geschichte spielt in Versailles,
am Hose des autokratischcnLudwigsXIV.
Heute, in unsere», vorgeschrittenen und
aufgeklärten Zeitalter, wäre so etwas na-
türlich unmöglich!

himmlische Buchführung.

„Sie, Buchhalter, der Herr Hertling läßt Ihnen sagen, das königlich
bayrische Gottcsgnadentmn muß jetzt von Konto Otto auf Konto Ludwig
übertrage» werden!"
 
Annotationen