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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0402
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8158

A &

Der eine spricht:

UJieder strahlt der Cannenbaum in dein Licht der UJeibnacbtskerzen,
Nieder glicht die 5reude auf in viel bunderttausend Berzen.
Reilig Liebt der UJeibenaebt, von der Gottheit einst entzündet,
llocb bat unser Menschensinn deinen Schimmer nicht ergründet;
Uber jede Seele fühlt deine Kraft in ihren Halten,

Jauchzend unterwirft sie sieb deinen siegenden Gewalten.

Und der Liebe Mein gebt, wo du leuchtest, durch die Lande,
UJebet leis und inniglich um die Menschen Bruderbande.

Elle Jlugen blicken freier, froher auf an deinem 'Feste,

Und die gleiche Roffnung wandert durch die Rütten und Paläste.
Reilig Licht der Hleibenacht, nur in deiner ew’gen Reinheit
linden Staubgeborne wir uns zur gottdurebwirkten Ginbeit,

Mag Geschlecht drum auf Geschlecht ewig wechselnd untergehen,
Dieser Geist und dieses Licht werden ewig fortbesteben.

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IsT Ist

Hugust Olinnig.

Der andere spricht!

HJohl sehe ich das gold’ne Licht mit seiner zaubervollen Pracht,

Doch seb’icb hinter allem Glanz die drohend schwarze Menschenmacht,
Und weiss, dass aller Kerzen Schein und aller Glocken frommer Klang
Uerbleicht, verrauscht - und ungestillt bleibt doch des Uolks erlösungsdrang.
Du siehst nur, was sich draussen drängt und freudestrahlend um sich blickt,
Du hörst das helle Jauchzen nur von Kindern, die das Fest beglückt.

Ich aber seb’ der Brüder viel, zu deren Lisch der Billiger schleicht,

Und höre manchen wilden Fluch, der eure Ohren nie erreicht.

Und von dem Geist der UJeibenacbt und von der Schönheit ihres Lichts
Und eurer Liebe Bruderband empfinden diese Massen nichts.

Ihr feiert euer Fest allein und singt und betet ohne sie,

Sie singen einen neuen Psalm in einer neuen Melodie.

Ginst kommt der Lag, da schreiten sie in eines neuen Festes Schein,

Das wird der Sieg des Menschentums, das hohe Fest der Hlabrheit sein.

Rast unterm Weihnachtsbaum.

Ein Letzer soll ich gewesen sein?

Lab nur mein Recht verlangt!

Die Jagd nach Brot trieb mich hinaus.

Die Straße ward mein ein und aus.

Lab nur das Recht verlangt.

So zog ich in die weite Welt.

Fand Brüder gleichgesinnt.

Der Wind pfeift kalt, es stürmt und schneit.
Zum Rasten lockt die Weihnachtszeit
Bei Brüdern gleichgesinnt.

Ihr tapfren Brüder, seid gegrüßt!

Wie strahlt der Weihnachtsbaum!

Die Leimat, kaum ich sie verlor,

Ich find' sie schöner wie zuvor
Bei euch am Weihnachtsbaum.

Run singt das stolze Bundeslied I
Das rote Banner faßt!

Glück auf! Beim frohen Sonnwendsest
Lält man, eh's neu zum Angriff bläst.

Im Lager kurze Rast. L. P.

Politische Glossen.

Ein skandalöses Finanzgeschäft.

Die Gemeinde Gröba bei Riesa hat sich nicht ent-
blödet, zur Durchführung eines Schleusenbaues eine
Anleihe von 300 000 Mark von der „sozialdemo-
kratischen" Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsum-
Vereine anzunehmen. Die konservative Presse ist dar-
über empört. Mit vollem Recht!

Denn erstens nimmt ein anständiger Mensch über-
haupt kein Geld von Sozialdemokraten. Zweitens
sollten die Sozialdemokraten überhaupt kein Geld
haben. Und drittens sollte der Staat es ihnen ein-
fach fortnehmen und den Junkern geben, die es wahr-
haftig besser zu verwenden wissen als zu Schleusen-
bauten und ähnlichen „Lausekanal"-Werken.

Die Umstürzler am Werk.

Aus Göttingen kommen alarmierende Meldungen,
die erkennen lassen, daß der große Umsturz aller
Dinge beginnt. Dort wurden kurz nacheinander nächt-
licherweile umgestürzt: ein monumentaler Trink-
brunne», den der Verschönerungsverein gestiftet hatte;
ferner eine ganze Gartenmauer, die dem Schutze
privaten Eigentums diente; und schließlich sogar eine
Feuermeldeleitung, offenbar mit der geheimen Ab-
sicht, demnächst die ganze Stadt unbemerkt in Asche
legen zu können.

Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die Ur-
heber dieser Schandtaten der Umsturzpartei ange-
hören. Bestätigt wird das durch die weitere Mit-
teilung, daß die Täter mit den Mützen und Bändern
dortiger Couleurstudenten geschmückt waren. Das
war natürlich nur ein schlau erdachtes Verkleidungs-

manöver, durch das die sozialdemokratischen Zer-
störer den Verdacht der Urheberschaft auf friedliche
Musensöhne abzulenken suchten. Wer die staatserhal-
tende Gesinnung unserer wackeren Korpsstudenten
kennt, wird sich durch diesen Trick nicht täuschen lassen.

Ein kaiserliches Hofkinolheater.

Patriotische Blätter berichten, Kaiser Wilhelm II.
sei ein großer Verehrer des Kino. Er habe sich eine»
eigenen Vorführungsapparat nngeschafst und lasse sich
oft nach dem Abendessen Vorstellungen geben, wobei
er namentlich humoristische Filme bevorzuge. Auch
die kronprinzliche Familie soll für kinomatographische
Vorstellungen begeistert sein.

Nun werden hoffentlich die kritischen Nörgler ver-
stummen, die behaupten, der Berliner Hof schätze
und fördere die moderne Kunst nicht. M

Neues SolöatenlieS.

In Kattowitz und Tarnowitz haben sich Vereine gebildet,
um eine Belohnung für den Soldaten auszubringen, der

sich als ersten unehelichen Vater ausweisen kann.

wer will unter öie Soldaten,

Der muß haben Männerkraft,

Oie das Vaterland verteidigt
Und dem Staate Kinder schafft:

Söhnchen, diese Ooppelpflicht
Merk dir und vergiß sie nicht!

Ob du dich im Stechschritt übest
Oder mit den Sporen klirrst,

Nötig ist vor allen Dingen,

Daß du schleunigst Vater wirst:

Darum, tapfrer Kriegersmann,

Sieh dich um und halt' dich dran!

Kriegst in Katt- und tarnowitz du
Pils Rekrut dies fertig schon,

Zahlen noble Stammtisch-Spießer
Dir den höchsten Macherlohn:

Eh'lich oder uneh'lich -
Man prämiiert und feiert dich!

Mögen auch die Nörgler zetern
Uber mangelnde Moral,

Einem wahren Patrioten

Ist das schnuppe und egal:

jedermann, der wohlgesinnt

preiset das Nekrutenkind! Arminius.

Programm der Nüstungskommission.

8. Januar: Fragen an die Herren Referenten
und Vertagung bis Karfreitag.

Karfreitag: Antworten der Herren Referenten
und Vertagung bis Pfingstdienstag.

Pfingstdienstag: Fragen an die Sachverstän-
digen und Vertagung bis zur Herbstparade.

Usw. usw. usw.

Frommer Wunsch.

„Hast du gehört: die Bergbau-Aktiengesellschaft
,Phönix' hat über zwei Millionen Tantieme verteilt."

„Ach, ich wünschte, auch ich könnte wie ein ,Phönix'
aus der Asche auftauchen!"

Die Schlacht von Zabern.

Der Leutnant ziehet durch die Stadt,
Einkäufe er zu machen hat.

And ihn begleitet ein Pikett
Mit aufgepflanztem Bajonett.

Es sind im ganzen viere.

Recht tapfre Grenadiere.

Es lacht darob das Publikum

Sich bucklig, schief und krank und krumm.

Dem Leutnant wallet hoch das Blut,

Es packt ihn Wut und Leldenmut:

Ein Mann ward kühn und trutzend
Besiegt von einem Dutzend!

Rrrum bumbumbum — rrrum Bumbumbum —
Was kommt da um die Ecke rum?

Das ist 'ne halbe Kompagnie!

Das erste Glied sinkt auf die Knie'

And ladet die Gewehre —

Jetzt geht die Sache quere!

Doch ein Gemetzel fand nicht statt.

Schlug auch Alarm Lerr Leutnant Schadt.
Das Zwanzig-Männer-Publikum
Das drehte sich nur schweigend um.

Zeigt ihm die Rückenseite
And lud ihn auf die Freite.

Da trommelte der Tambour Sturm —

Jetzt schütz' dich Gott, du Bürgerwurm!

Mit Lurra stürmte der Soldat
Auf Staatsanwalt und auf Lerrn Rat
Vom hohen Landgerichte —

Es lacht die Weltgeschichte!

Zur Wache wurden sie gebracht
And auch Lerr Lewy, der zur Nacht
In seinem Zimmer speisend saß
And grade Karbonade aß. —

Weil andre nicht zu haben.

Schlug man noch einen Knaben.

Nach Zabern heißet diese Schlacht!

Sie kündet Deutschlands Ruhm und Macht —
Wie einst die Köpenickerei!

Denn dieses denkt man doch dabei
Im Süden wie im Norden:

Die sind verrückt geworden! Lo.

Glosse.

In einem Lande, in dem gegebenenfalls ans Vater
und Mutter geschossen werden muß, darf man n-cht
erwarten, daß einem durch Militärs beschimpften
Volke sein Recht wird. Gerechtigkeit und Militaris-
mus sind zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen.
 
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