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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0403
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— 8159

Der Paftor in not.

„Schutzmann! Zu Hilft! Die Kerls stehlen mir alle meine Steuerzahler!"

ftobelfpäne. e©

Der Kanzler legt die Stirn in Falten
Und manchmal seufzt er bitterlich;

Wie lange kann er sich noch halten,
Läßt ihn die Krone erst im Slich?

Ach, kein Ade wird man ihm winken,
Spült ihn hinweg der Strom der Zeit;
Muß er verduften und versinken,
Herrscht das Gefühl der Wurstigkeit.

Er sitzt in keinem Rosengarten,

Denn alle Stützen sind verkohlt.

Und hat nur einfach abzuwarten.

Bis Junker Heydebrand ihn holt.

Deutschland wagt nicht, einen Leutnant, der ein „wiedergewonnencs
Brudervolk" beschimpft hat, zurückzuziehen, aus Furcht, die Disziplin
könnte sonst Schaden leiden. Wie wackelig muß sie doch sein, wenn sie
nicht einmal eine solche „Säule" entbehren kann.

Der Franzose Paul de Cassagnac hat den Leutnant v. Forstner ge-
fordert. Das ist sehr verkehrt. Nicht fordern, sondern fördern sollte
Frankreich diesen jungen Mann, denn es kann sich für seine Interessen
gar keinen besseren Agitator im Elsaß wünschen, als ihn.

Der „Ochs im Porzellanladen" gilt im Piivatleben als das, was er
ist: ein Rindvieh! In der Diplomatie, in der Verwaltung, im Heer
hat er noch immer seine hohen Gönner.

Den Scharfmachern sollte Knecht Ruprecht statt der harmlosen Rute
lieber gleich einen „Igel zum Maulwischen" bringen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

viplomatenreise.

In hochpolitischen Geschäften —

U)ie es im kjofberichte heißt —

Kam Väterchens Premierminister
Uokowzew nach Berlin gereist;

Und zähe wie die Uletten heften
Sich an die Schöße seines Uocks
ITTit klatjchbegier'gen Schnüffelnasen
Die bürgerlichen Zeitungsschmocks.

„wenn ich," orakelt stolz der erste,

„Den Zweck der Ueise nicht verkenn',
Betrifft er die Int'ressensphären
Im türkischen Uleinasien."

„Nicht dran zu denken!" ruft der zweite,
„Es sind, das sagt mir mein Gefühl,
ljöchst wicht'ge finanzielle Fragen
vor allen Dingen hier im Spiel!"

„wie heißt Gefühl?" versetzt der dritte,
„Gewißheit muß man haben! Nu?

Ich wag's! vielleicht, wer kann es wissen,
Gewährt er mir ein Interview!"

Dann greifen sie beherzt zur Tinte
Und tauchen ihre Federn ein
Und füllen eifrig Spalt' um Spalte
Mit blöden Uannegießerei'n.

Der Michel liest den wisch und wirft ihn
Beiseite als ein weiser Mann:

„was geht," spricht er, „Uokowzewr Ueise,
was mich der Schmocks Geseire an?

Elb Muger oder Dummes wieder
Das Diplornatenkorps verbrach:

Ich Hab' dabei nicht mitzureden,

Drum frage ich auch nicht danach.

Ich weiß ja: früher oder später
Erfahr' ich, was dahinter steckt,

Und was der Troß der Neunmalweisen
Um grünen Tische ausgeheckt!

Uch, gründlicher als ich es wünsche
werd' ich von allem informiert,
wenn plötzlich man mir eines Tages
Die — Kostenrechnung präsentiert! Lehmann.

Lieber Jacob!

Ick wollte Dir mal in eene Sache um Rat
fragen, wo weder ick noch mein Freind Ede-
ward sich drin auskennen. Vor kurzem is doch
der bayersche Prinzrejent Keenig jeworden un
der Prinz von Cumberland wurde Herzog von
Braunschweig. Beedemale stand nu in de Zei-
tungen, det se det „von Jottes Jnaden" je-
worden wären — un det verstehe ick ebent nich
un Edeward versteht et ooch nich, objleich der-
selbe keen jeborener Berliner nich is, sondern
von seine unjlickliche Kindheit her aus det
hinterste Ostelbien stammt, wo se ieber det
Jottesjnadentum ville besser Bescheid wissen
als wie bei uns in't uffjeklärte Stromjebiet
der Pauke. Also wat heeßt hier „von Jottes
Jnaden"? Der Cumberländer war zuerst jar-
nischt, un , denn wurde er Schwiejersohn des
deitschen Kaisers, un denn wurde er Herzog
von Braunschweig. Offenbarte sich nu deJnade
Jottes dadrin, det de Tochter des Kaisers ihm
jenommen hat? Dann hätte er doch aber schon
bei de Hochzeit dem Titel „Schwiejersohn von
Jottes Jnaden" annehmen missen, un nich erst
jetz, wo er jewissermaßen — bildlich jenommen
— bloß de Frichte von den Samen erntete,
den er vorher ausjeslreit halte!

Un wie is det eejentlich mit den bayerschen
Prinzrejenten? Der is Keenig jeworden, weil
sein Borjänger an unheilbare Jeistesschwäche
leidet? Wo da de Jnade Jottes stecken tut, is
mir absolutemang duster. Denn der Mann is
doch schon seit siebenunzwanzig Jahren nich
bei sich un war trotzdem all die Zeit tiptop
„von Jottes Jnaden". Un nu uff eenmal soll
et Essig mit sind? Et scheint also, als wenn
der liebe Jott sich pletzlich eenes bessern be-
sonnen un Otto'n de Jnade abjeknöppt hat,
um se Ludwig'n zuzuschanzen. Merkwirdig is
bloß, det der bayersche Landtag von diesen
jettlichen Entschluß sofort unterrichte! wurde
un det neetije veranlassen konnte. Oder ville-
mehr: merkwirdig is det ja eejentlich nich,
denn in det jesejente Parlament sitzen sonne

schwere Menge jeistliche Zentrumsbrieder, die
ejal in intimste Fiehlung zu de himmlischen
Heerscharen stehen un natierlich immer janz
jenau wissen, wat oben los is. Aber stelle Dir
mal den schaudervollen Fall vor, det in bayer-
schen Landtag nich de Schwarzen, sondern de
Roten de Mehrheit jehabt hätten! Dann hätte
keene Menschenseele nischt von bemerkt, det de
jettliche Jnade von een erlauchtes Miljlied des
keeniglichen Hauses uff'n anderes ieberjejangen
is, un Otto hätte ohne Jnade weiter rejiert,
während Ludwig von sein heimliches Jottes-
jnadentum nich dem jeringsten Jenuß jehabt
hätte!

Det sind also janz verwickelte Fragen, in
die ick mir, wie jesagt, mit meinen beschränkten
Untertanenverstand leider nich zurechtstnden
kann. Aber eens is mir doch klar. Der bayersche
Landtag hat nich bloß dem Keenigstitel, son-
dern ooch ve Zivilliste sor dem neien Landes-
vater un seine zahlreiche Familje bewillijen
missen. Woraus ick janz deillich entnommen
habe, det der liebe Jott zwar dem nach seinen
unerforschlichen Ratschluß auserwählten Herr-
scher de Jnade zuerteilt, aber sor de Unkosten
nich uffkommen will. Tie muß det Volk be-
rappen, un det is de irdesche Schattenseite
von den himmlischen Jnadenjlanz.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.

* ❖ Zu Weihnachten! ❖ ❖

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