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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0035
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8207

Zeitgemäße trgäriMng ücr 0sß2ier5umsorm.


Scheuklappen für Leutnants, die den Anblick lächelnder Zivilisten
nicht vertragen können.
>


M koveWäne. kT
Wären die Gesetze Polizisten,
Die auf das Kommando schießen, stechen.
Dann vermöchte man der Zivilisten
Frechen Trotz mit Leichtigkeit zu brechen.

Die Begriffe scharfer Wissenslehren
Spießt man nicht auf einen Schutzmannssäbel,
Will man sie zu Sklavendienst entehren,
Fährt man mit der Stange in den Nebel.

Dieses sollt' ein Doktor Juris wissen.
Auch wenn er schon exmatrikuliert ist,
) Läßt er diesen Kenntnisstand vermissen,
r-A Hoffen wir, daß er bald pensioniert ist.

Gepfiffen und gejohlt hat es wohl am meisten im Kopfe des Herrn
Obersten und seiner vier Leutnants! Aber gerade über diese „hohlen
Gassen voll rauflustiger Gedanken" haben sie leider keinen „Belage-
rungszustand" verhängt. .

Es ist eine schöne Zeit. Man kann
In Deutschland ruhig schlafe»:
Man machte im schönen Bayernland
Baron von Hertling zum Grafen.
Macht man nun Bethmann noch zum Baron
Und läßt ihn kanonisieren.
Dann bleibt in Deutschland gar nichts mehr
Zu Wünschen und Kritisieren.
Ein Redakteur gleicht einem Straßenkehrer. Wenn er die Öffentlich-
keit intensiv bekehren will, muß er über einen handfesten „Stil" ver-
fügen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

D^eue Schreckensnachrichten aus Zabern.
Stach Privattelcgrammen der „Kreuz-Zcitung".

Gestern wurden in Zabern kurz nacheinander zwei
Dynamitbouibeu gegen das Schloß geschleudert in
der teuflischen Absicht, das Gebäude mit der gesamten
Besatzung in die Luft zu sprengen, tlnbcgrciflichcr-
weise ließ der Wachtposten die beiden Verbrecher
entkommen, ohne ihre Persönlichkeiten festgestcllt
zu haben.



Nachdem die Bombenwerfer unbestraft entkommen
sind, hat der Pöbel begonnen, Barrikaden vor der
Schloßkaseruc zu bauen, in der offenbaren Absicht,
die Garnison zu belagern und durch Hunger zur lieber-
gabe zu zwingen.


Als sich heute nacht kurz nach 4 Uhr der Leut-
nant v. Süffling aus dem Kasino nach Hause be-
geben wollte, trat ihm Plötzlich ein riesiger Wackcs
mit drohend erhobenem Knüppel in den Weg. Herr
v. Süssling rannte dem Banditen kurzerhand den
Degen durch den Leib.
Splitter.
Die Junker erheben mit Recht den Anspruch dar-
auf, erfolgreiche Heerführer zu sein: ihre Unverschämt-
heit hat noch jederzeit alle Grenzen überschritten.
Lieber Jacob!
Ja, wenn wir Jagow'n »ich hätten! Wat
wäre Berlin, wat wäre Preißen, wat wäre de
Welt ohne ihm? Det is 'n Mann, der sein
Jahrhundert um mindestens zwee Reichskanzler-
längen voraus is! Jura hat er studiert, aber
jloobste woll, det er sich in den schenjalen Fluge
seiner Ideen durch Jesctze un sonne Mumpitz
behindern läßt? Fällt ihn janich ein! Der
Mann hat ebent allens in't Jefiehl, un sein
zartes Jsfiehl sagt ihn, det det Kriegsjericht dem
Leitnant Forstner, der dem lahmen Schuster-
jesellen zur Strecke brachte, ieberhaupt nich hätte
bestrafen Versen, weil sor sonne Individuali-
täten det Strasjesetzbuch nich jiltig is. Da wirste
Dir zwar dricber wundern, denn Du verstehst
ebent von sonne juristischen Feinheiten nischt,
aber det Jeschäft is trotzdem richtig, un et

hängtnach Jagow'n foljendermaßen zusammen:
Wenn Du eenen ohne Jrund eens ieber de
Kohlriebe haust, dann biste 'n Raudie un
ivirst wejen Körperverletzung injespundt, un de
konservativen Zeitungen bedauern uffs leben-
digste, det sor sonne Roheitsverbrechen noch
immer keene Priejelstrafe nich injefiehrt is. Aber
— nu pass' uff! — wenn een blutdurstijer
Unteroffizier oder' een Leitnant, den de neetije
Jberlejungskraft mangeln tut, Dir zu Boden
schlagen, denn is det keene Körperverletzung un
keen Roheitsverbrechen nich, sondern detis een
„Akt der Staatshoheit". Wenn et Dir mit
Deine beschränkten Verstandeskräfte jejlickt is,
§ det zu bejreifen, denn wirste de preißesche
Weltjeschichte in'n janz anderes Licht erblicken
un wirst dem tiefen Jeist befriste» haben, der
in Jagow un in de janze Berliner Pollezei-
verwaltung mächtig is. Denn wird Dir ooch uff
eenmal klar werden, wieso de beeden Schutz-
leite, die dunnemals in Moabit dem Arbeeter
Herman» dotschlugen, dem Ehrenschild der Ber-
liner Pollezei nich befleckt haben. Wat die zwee
Halunken nämlich jetan haben, det war keen
Verbrechen nich, sondern det war ooch een
Akt von Jagow'n seine Staatshoheit!
Iber eens aber muß ick mir doch wundern:
det de Konservativen noch immer dajejen sind,
det in de Volksschulen Unterricht in de Vsr-
fassungs- un Jesetzeskunde verzappt wird.
Se meenen, det de proletarische Jugend schon
so zu ville lernt un det de Junker am Ende
nich mehr mit können. Ick meene aber, det se
jetz zu sonne Besorjnisse keenen Jrund nich
mehr haben. Det preißesche Kultusministerjum
braucht bloß dem Doktor juris Traujott v.Ja-
gow zu beufftragen, det er 'n Leitfaden for
Viesern Unterricht verfaßt, denn wird in unser
Volk 'ne Weisheit verbreitet werden, vor die
sich selbst Oldenburg-Januschau nicht zu äng-
stijeu braucht, un de Jefahr, det de Jugend zu
klug werden wird, is jänzlichst ausjeschlossen!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,
an 'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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