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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0039
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8211

Sonne! Ich selber mußt' es nicht." Aber Abbas
Billah griff in die linke Rocktasche und zog
eine seidene Schnur hervor: „Geh, hänge dich
auf, wenn du nichts weißt."
Und während der Großwesir tat, wie ihm
befohlen war, winkte der Kalif mit dem Finger
und ein neuer Großwesir kam.
„Rate mir!" sagte Abbas Billah. „Wie schaff'
ich ihnen lustige Gesichter?"
Und der neue Großwesir knickte in der Mitte
ein und antwortete: „Erhabenste Majestät! In
den Papieren meiner Ahnen fand ich ein altes,
einfaches Rezept. Es lautet: Sauer macht lustig.
Darum, Licht der Welt, gib ihnen Kompott.
Die Gurken- und Kürbisernte ist gut geraten,
und in den Kellern deines Schlosses liegt sie
fein säuerlich duftend in riesigen Fässern. Gib
sie den Armen und sie werden fröhlich werden."
Da atmete Abbas Billah auf und befahl so.
Hunderte von betreßten Dienern gingen mit
großen Schüsseln durch die Menge und riefen:
„Nehmt! Dies spendet euch unser gnädiger
Herr, der weise und milde Kalif Abbas Billah!"
Und gierige Hände griffe» zu, und Tausende
von hungrigen Mäulern aßen.
Viele aber sprachen finster: „Es ist uns Ar-
beit verheißen. Bringt uns erst die Mahlzeit
und dann das Kompott!"
„Undankbare!" riesen entrüstet die Diener.
„Wo soll unser Herr so viel Arbeit hernehmen?"
Da erwachte ein gar wildes und höhnisches
Lachen in der ganzen weiten Ebene. Das scholl
so hart und stürmisch, daß die Mauern des
Schlosses erzitterten.
Und der Kalif hörte es und fragte: „Sind
sie nun fröhlich, Wesir?"
„Edelster aller Edlen!" Der Großwesir sank
in die Knie und küßte ihm dreimal die Schuh-
spitzen. „Achte nicht mehr der Unzufriedenen!
Sie sind unersättlich und nicht würdig deiner
göttlichen Milde!"
„So beseitige die Unzufriedenheit!" Abbas
Billah saß finster auf seinem Thron. „Wozu
habe ich Räte, wenn sie keinen Rat wissen?"
„Mächtigster aller Mächtigen! Das Problem
ist neu und schwierig. Giv uns Zeit, zu er-
wägen."
„So erwäget! Sofort! Ihr alle!"
Ta wurde es totenstill im Saal. Und der
Wesir und die Räte senkten die Köpfe und
begannen nachzudenkcn.
Draußen in der Menge aber erwachten von
neuem die drohenden Rufe: „Arbeit!... Brot!
. . . Brot!! . . . Arbeit!!" Da gingen die be-
treßten Diener geschäftig umher und flüsterten
bedeutsam: „Seid still! Die Räte erwägen
eure Not. Stört sie nicht."
Und der Schweiß floß von den Stirnen der
Minister im Marmorsaale. Er bildete kleine
Bäche und dann Flusse und wurde zu Strom
und Meer. Er drang durch die Dielen und
Mauern des Schlosses und floß rauschend in
die Ebene hinaus.
Da wich die Menge und verlief sich. Viele
aber ertranken.
Und der Wesir und die Räte erwogen wohl
an die zwanzig Jahre oder mehr. Und wenn
sie nicht gestorben sind, dann erwägen sie



Der Traum des Polizeipräsidenten.
-o-

Musik und Leben.
„Die ganze Welt ist ein Orchester", heißt es in
einem alten Berliner Couplet. In der Tat, es gibt
Leute, die immer die erste Violine spielen, andere
gehen mit Pauken nnd Trompeten durchs Leben,
und der dritte ist nnr das Dirigieren gewöhnt —
mancher hat es jedoch bloß bis zum Notenhalter
für die andern gebracht.
„Der Himmel hängt voller Geigen!" Wahrhaftig,
gebt mir nur einen Fiedelbogen!
Man kann Dissonanzen in Akkorde auflösen. Macht
man aber im Leben Akkorde, entstehen Dissonanzen.
Ein Professor der Ästhetik sagte: „Musik ist die
harmonische Verbindung von Tönen, an der wir
Gefallen finden."
„Ach du lieber Himmel -", stöhnte da ein
Musikkritiker. P. Riedel.

Lieber Wahrer Jacob!
Der Rentier Stöpsel besuchte eine Kirchenaustritts-
versammlnng, sank aber bereits während der Rede
des Referenten in einen sanften Schlummer. Als ein
Herr des Komitees nach der Rede die Versammlungs-
besucher au ihren Plätzen zum Kirchcnauslritt ani-
mierte und auch Herrn Stöpsel fragte, ob er aus-
treten möchte, antwortete dieser ganz verworren:
„Danke, ich war schon vor dein Beginn der Ver-
sammlung."

Die enttäuschten Militaristen.
Zwei Schüsse sind gefallen
Von feiger Mörderhand,
Sie galten dem Soldaten,
Der an dem Tore stand.
Am einsamen Kasernentor
Von Zabern hielt er Wacht —
Verhüll' dein Laupt, o Vaterland,
Vor solcher Niedertracht!
Nun auf, ihr Wackern Kämpen,
Nützt die Gelegenheit,
Die dieser blut'ge Frevel
Uns Patrioten beut:
Zur muntern Letze sammelt euch.
Beherzt und kunstgerecht —
Lurra! In Scherben schlagen wir
Verfassung jetzt und Recht!
Den Mörder zu entdecken
Bestrebt sich das Gericht,
Doch ach, man fand den Mörder
Und auch die Kugeln nicht;
Zwei Platzpatronen haben nur
Zu Narren uns gemacht -
Verhüll' dein Laupt, o Vaterland
Vor solcher Niedertracht! Arminius.
Im Kasino.
„Ärgerlich, daß man uns den Tango verboten hat!"
„Macht nischt, Kamerad! Wenn man nns nur an-
dere Seitensprünge erlaubt."
 
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