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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 31.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.8258#0358
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8530

Der schuldige Teil.
Wer trägt die Schuld an diesem Krieg?
Mit düsterm Angesicht
Stand mancher schon vor dem Problem
Und fand die Lösung nicht.
Zu dieser aber drang gottlob
Jetzt klaren Geistes durch
Der fromme Pastor Modersohn
Im Bade Blankenburg.
„Mit Unrecht," ruft er wutentbrannt.
Indem sein Ange sprüht,
„Gilt Franzmann, Brite oder Ruff'
Euch als der Störenfried!
Der Wellkrieg ist ein Strafgericht,
Das Gott der Lerr gesandt
Als Buße und als Läuterung
Dem sünd'gen deutschen Land!
„Zum ersten ward des Lümmels Zorn
Auf euer.Haupt gelenkt.
Weil oft den Kindersegen ihr
Labt freventlich beschränkt!
Zum zweiten aber traf euch schwer
Des Herrgotts Rächerhand,
Weil ihr vom rechten Glauben habt
Die Seelen abgewandt!"
So rief der zürnende Prophet
Und löste mit Geschick
Ein vielumstrittenes Problem
Der äußern Politik;
Du aber folge seinem Wort
O sündige Nation
Und bessre dich nach dem Rezept
Des Pastors Modersohn!
Glaub' alles, was der Pastor glaubt.
Und unterlasse nicht.
Was dir im stillen .heim gebeut
Die eheliche Pflicht! —
Dann werden Grey und Delcassö
Sich deines Werts bewußt.
Und schluchzend drückt Iswolsky dich
An seine Freundesbrust. Lehmann.

„Lassen Sie man, der kriegt ooch noch sein
Fett. Aber nu zeigen Sie mal, jespannt bin
ick ja."
„Hier. Lesen werden Sie's wohl können."
„Mir scheint bloß, det Ding is Ihnen zu
lang jeraten. Wird det man nich zu teuer?"
„Sechs Strophen, Herr Hönecke, das ist die
natürliche Länge. Sie werden das empfinden,
wenn Sie das Gedicht gelesen haben."
„Un wieviel rechnen Sie sor eene Schtrofe?"
„Drei Mark. Ausnahmepreis."
„Achtzehn Mark also fort Janze. Sie, det
wird aber 'n teures Jeschäft. Fuffzehn Mark
wer' ick Ihnen jeden. Jlatt! Jeld jenug sor
so'n Quatsch, halt' ick bald jesagt. Wissen
Sie, der Pietschke, wat mein Konkurrent is,
schräg übern Damm, der hat sich det Ding janz
alleene jemacht. lln schlecht war't ooch nicht."
„Aber denken Sie denn, das Pathos, was
da drin ist, kostet gar nichts?"
„Wat heeßt Pathos? Schwung, det is die
Seele. Un denn noch so 'n bißchen Humor mang."
„Ist alles drin! Lesen Sie doch schon endlich
mal!" (Hönecke liest.)
„Mensch, det haben Sie aber jroßartig je-
macht. Da liegt wat drin, alle Hochachtung!
Unter so 'n Ding kann schon een Schlächter-
meester ruhig seinen ehrlichen Namen setzen. Ja-
woll! Aber mit fuffzehn is et nich schlecht bezahlt.
Hier, nehmen Sie! Un am Abend schicken Sie
Ihre Frau 'rum. Heut jibt's Jrützwürschte.
Ick wer' ihr so Stücke sechs zuschieben, wenn
meine Olle jrade nich uffpaßt. Wissen Sie, die
soll nichts merken von die janze Sache. Ick
will sie nämlich mal überraschen. Die Oogen,
die sie machen wird, wenn sie det Fachblatt
uffmacht un liest: ,Jermania, Hurrad Un
unten janz breit: Justav Hönecke, Schlächter-
meister. Un der Pietschke aber erst! Der wird
nich schlecht spucken. Ick trage et selbst hin.
Wat der Redakteur von unsre Fachzeitung is,
det is 'n oller Bekannter von mir. Wir haben
malin een Haus zusammenjewohnt. Aber mein'
Namen müssen Sie noch 'runtersetzen: Gustav
Hönecke, Schlächtermeister, Neukölln. Neukölln
jenügt. Höneckeu kennt jeder. Un stecken Sie

det Jeld man weg! Een Rätsel is et mir aber
doch, Ivie Sie so 'n Jedicht fertigkriegen. Machen
Sie det nach 'ner Vorlage?"
„I bewahre! Ich setze mich hin und warte,
bis es kommt."
„Na, un kommt det so von alleene?"
„Von ganz alleene!"
„Muß aber Spaß machen, wenn det so aus
die Feder fließt."
„O ja, es ist ein erhebendes Gefühl."
„Aus mir würden Sie keen Vers 'rauskriegen.
Un wenn Sie mir reene uff'n Kopp stellen
würden! Adjös also! Ick wer' jleich 'runter-
fahren nach die Redaktion."
„Adieu, Herr Hönecke. Ich danke auch; und
wenn Sie wieder einmal-"
„Wer' mal sehen! In die nächsten Tage
kommt meine Nichte aus Sorau. Vielleicht
können Sie der ooch eens machen. Von een
Schlächtermeester in Britz hat ooch 'ne Nichte
eens in die Zeitung setzen lassen. War jar nich
so übel. Sie haben alle wat weg von die Dicht-
kunst, die Schlächter. Wat?"
„Und ob! Aber der Krieg befruchtet auch
den Geist. Und auf den Kopf gefallen sind die
Schlächtermeister nicht."
„Det stimmt! Also ick wer' Ihnen meine
Nichte schicken. Un Sie machen ihr ooch eens.
Mit Feuer — un nich zu teuer! Sehn Sie,
uu fang' ick ooch an zu dichten. Doll! Wat?"
„Keine Bange,.das legt sich wieder! Meine
Hochachtung, Herr Hönecke."
„Mahlzeit! Un versessen Sie nich, Ihre
Frau 'iumzuschicken. Von wejen die Jriitz-
würschte!" _

Lieber Wahrer Jacob!
Ein Bayer aus München begegnete beiDix-
muiden einem Engländer im schottischen Ko-
stüm. Der Bayer führte den Engländer ganz
freundlich in ein nahegelegenes Gebüsch, zog
ihm die Uniform aus und gab ihm eine Quit-
tung dafür, daß er sie nach dem Münchener
Fasching wieder abholeu könnte.

Schlächtermeister Äönecke.
„Komme ich zu früh, Herr-?
Na, wie heißen Sie doch jleich?"
„Wolke."
„Richtig, Wolke. Steht ja ooch
ufs't Schild da draußen. Ick kann't
bloß nich behalten. Aber Sie sitzen
wohl noch auf dem Zossen? Wat?"
„Zossen?"
„Na ja, wie heißt doch det Pferd,
wodruff die Dichter sitzen, wenn sie
was machen?"
„Ach so, jetzt verstehe ich Sie. Sie
meinen den PegasuS."
„Stimmt! Den meine ick. Ick hab'
doch mal wat läuten hören von so'n
jeflügelten Gaul. Wie haben Sie je-
sagt, heißt det Vieh?"
„Pegasus. Aber setzen Sie sich
doch, Herr Hönecke. Nur ein Reim
fehlt mir noch. Aber er ist schon
da: Auf Schakal reimt sich Stahl
wie gegossen. Der gelbe Schakal,
wissen Sic, das ist der Japaner,
der Schuft."

englische Sorgen.

„Uenn ich bloß nicht müßte auf die Schiff — ich fühlen schon
den deutschen Torpedo im Leib!"


Zum Nachdenken!
Kann man den Tod etwa noch
das „Ende des Lebens" nennen, seit
er in Wirklichkeit sogar Ziel und
Zweck des Lebens geworden ist...?
Der moderne Krieg kennt nach
allen vorliegenden Berichten eine
„Leere des Schlachtfeldes", die aber
ergänzt wird durch eine Fülle der
Verlustlisten.
Wie leicht überschreitet der Haß
die Grenzen der Völker ... und wie
selten die Liebe!
Daß ein Spitzmantelgeschoß stärker
ist als die reichste Gedankenwelt,
das hätte die Wissenschaft schließ-
lich auch an dem Schädel irgend
eines Professors der Ästhetik erpro-
ben können.
Welch eine Alltäglichkeit ist doch
in dieser Zeit das Sterben ge-
worden ...!
 
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