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Im Cafe Größenwahn.
„3«»t Militärdienst sind dir Kerls alle untauglich - dafür mache» sie patriotische Gedichte, in denen ganze Armeen »„»gebracht werden!"
Dunkle Tage. (Schluß von S. 8592.)
das Versteck und ging mit erhobene» Armen
— zum Zeichen seiner Waffenlosigkeit — über
das mondhelle Feld auf die Chaussee zu.
Bald verstand er die Sprache der Kommando-
rufe, es »varen Deutsche. Und eine halbe Stunde
später führte er deutsche Sanitäter zu seiner
Frau, und ein alter Regimcnlsarzt übte sich
mit Erfolg i» der ungeivohnten Kunst der Ge-
burtshilfe. Ein junger Valtinat schrie in die
ka »> p s d u r ch t o b t e N a ch t.
ui.
Es dauerte lange, ehe der Barbier sich von
den Strapaze» dieser Tage erholte. In de»
Nächten quälten ihn schlimme Träume: er sah
sein Weib von Kosakenlanzen durchbohrt, er
sah sich selber beim Rasieren die Kehle durch-
schneiden und vernahm russische Flüche. Diese
Träume ließen ihn ivild auffahre», und kalter
Schweiß troff von der Stirn und den Schläfen.
Nur einmal lächelte er darüber. Das war,
als nach der großen Schlacht bei Tannenberg
die ersten russischen Gefangenen nach Königs-
berg. in dessen sicheren Mauern er sich jetzt
befand, gebracht »vmden. Als einer der ersten
im Zuge marschierte jener Hauptinan», de»
er damals hatte rasieren müssen. Fast wäre
cr zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, wer
ihm die andere Seite rasiert hätte!
Aber dann eilte cr nach Hause, nahm seinen
kleinen Jungen in den Arm, herzte ihn und
ivard froh in der Hoffnung, daß dem Buben
und seiner Generation all dieser Wirrsal er-
spart bleiben würde.
Der Stammtisch-Stratege.
Des Fcldzugs äußeren Verkauf,
Wie seine tiefsten Zwecke
Durchschau' und prüf' ich sichern Blicks
"Aus meiner Stammlischecke;
And was ich denke, fiircht' und hoff'.
Verkünd' mit lautem Munde
Ich abends zwischen Acht und Elf
Der durst'gen Tafelrunde.
Was bei dem Vormarsch Lindcnburgs
Verheißungsvoll, ivas mies ist.
Warum v. Kluck in Flandern erst
And noch nicht in Paris ist.
Was unsrer Flotte heut' noch fehlt.
Am Englands Macht zu brechen —
Das seh' ich klar und zög're nicht.
Es deutlich auszusprcche».
Ztvar auch beim Rückmarsch wiird'gc ich
Die höheren Motive,
Doch bi» im allgemeinen ich
Durchaus für Offensive;
Kein Opfer schreckt mich, wenn cs gilt
Das Kampfziel zu erreichen.
Ich beiß' beherzt die Zähne fest
And schreite über Leichen!
Doch nicht nur in der Strategie
Bin ich, gottlob, beschlagen:
Ich löse auch in» üandnmdrehn
Die diplomat'schen Fragen;
Den Friedenspakt cntwcrf' ich kühn,
Kapitel für Kapitel:
Von Rußland neh»>' die §>älfte ich,
Von Frankreich fast zwei Drille!.
Dem Mutigen gehört die Welt,
Der feste packt und zuhaut!
And lvas uns England bleche» muß.
Das geht auf keine Kuhhaut!-
So liegt am Schluß nach heißem Streit
And schwerem Blutvergießen,
Wenn ich beim zwölften Schoppen bin,
Europa mir zu Füßen! Lehman».
Lieber Wahrer Jacob!
Wir waren vom Roten Kreuz zum Bahn-
hofsdienst kommandiert,um durchfahrende Ver-
wundete zu laben. Die Damen reichten Kaffee
und Wurst, ich teilte Zigarren aus. Ein schwä-
bischer Landwehrnian» stieß den Ranch kritisch
durch die Nase, schaute das Kraut mißtrauisch
an und sagte: „Im Schitzegrabe heut mer als
an Zigarre dreht."
„So?" erwiderte ich, „von was denn?"
„Bon Nußblätter und Wcideschabezich."''
„Wirklich? Ja, wie hat denn das Zeug ge-
schmeckt?"
Der Soldat hielt mir die geschenkte Licbes-
zigarre unter die Nase und antwortete: „Grad
»via bin do!" 9!.
* Weidenrinde.
Im Cafe Größenwahn.
„3«»t Militärdienst sind dir Kerls alle untauglich - dafür mache» sie patriotische Gedichte, in denen ganze Armeen »„»gebracht werden!"
Dunkle Tage. (Schluß von S. 8592.)
das Versteck und ging mit erhobene» Armen
— zum Zeichen seiner Waffenlosigkeit — über
das mondhelle Feld auf die Chaussee zu.
Bald verstand er die Sprache der Kommando-
rufe, es »varen Deutsche. Und eine halbe Stunde
später führte er deutsche Sanitäter zu seiner
Frau, und ein alter Regimcnlsarzt übte sich
mit Erfolg i» der ungeivohnten Kunst der Ge-
burtshilfe. Ein junger Valtinat schrie in die
ka »> p s d u r ch t o b t e N a ch t.
ui.
Es dauerte lange, ehe der Barbier sich von
den Strapaze» dieser Tage erholte. In de»
Nächten quälten ihn schlimme Träume: er sah
sein Weib von Kosakenlanzen durchbohrt, er
sah sich selber beim Rasieren die Kehle durch-
schneiden und vernahm russische Flüche. Diese
Träume ließen ihn ivild auffahre», und kalter
Schweiß troff von der Stirn und den Schläfen.
Nur einmal lächelte er darüber. Das war,
als nach der großen Schlacht bei Tannenberg
die ersten russischen Gefangenen nach Königs-
berg. in dessen sicheren Mauern er sich jetzt
befand, gebracht »vmden. Als einer der ersten
im Zuge marschierte jener Hauptinan», de»
er damals hatte rasieren müssen. Fast wäre
cr zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, wer
ihm die andere Seite rasiert hätte!
Aber dann eilte cr nach Hause, nahm seinen
kleinen Jungen in den Arm, herzte ihn und
ivard froh in der Hoffnung, daß dem Buben
und seiner Generation all dieser Wirrsal er-
spart bleiben würde.
Der Stammtisch-Stratege.
Des Fcldzugs äußeren Verkauf,
Wie seine tiefsten Zwecke
Durchschau' und prüf' ich sichern Blicks
"Aus meiner Stammlischecke;
And was ich denke, fiircht' und hoff'.
Verkünd' mit lautem Munde
Ich abends zwischen Acht und Elf
Der durst'gen Tafelrunde.
Was bei dem Vormarsch Lindcnburgs
Verheißungsvoll, ivas mies ist.
Warum v. Kluck in Flandern erst
And noch nicht in Paris ist.
Was unsrer Flotte heut' noch fehlt.
Am Englands Macht zu brechen —
Das seh' ich klar und zög're nicht.
Es deutlich auszusprcche».
Ztvar auch beim Rückmarsch wiird'gc ich
Die höheren Motive,
Doch bi» im allgemeinen ich
Durchaus für Offensive;
Kein Opfer schreckt mich, wenn cs gilt
Das Kampfziel zu erreichen.
Ich beiß' beherzt die Zähne fest
And schreite über Leichen!
Doch nicht nur in der Strategie
Bin ich, gottlob, beschlagen:
Ich löse auch in» üandnmdrehn
Die diplomat'schen Fragen;
Den Friedenspakt cntwcrf' ich kühn,
Kapitel für Kapitel:
Von Rußland neh»>' die §>älfte ich,
Von Frankreich fast zwei Drille!.
Dem Mutigen gehört die Welt,
Der feste packt und zuhaut!
And lvas uns England bleche» muß.
Das geht auf keine Kuhhaut!-
So liegt am Schluß nach heißem Streit
And schwerem Blutvergießen,
Wenn ich beim zwölften Schoppen bin,
Europa mir zu Füßen! Lehman».
Lieber Wahrer Jacob!
Wir waren vom Roten Kreuz zum Bahn-
hofsdienst kommandiert,um durchfahrende Ver-
wundete zu laben. Die Damen reichten Kaffee
und Wurst, ich teilte Zigarren aus. Ein schwä-
bischer Landwehrnian» stieß den Ranch kritisch
durch die Nase, schaute das Kraut mißtrauisch
an und sagte: „Im Schitzegrabe heut mer als
an Zigarre dreht."
„So?" erwiderte ich, „von was denn?"
„Bon Nußblätter und Wcideschabezich."''
„Wirklich? Ja, wie hat denn das Zeug ge-
schmeckt?"
Der Soldat hielt mir die geschenkte Licbes-
zigarre unter die Nase und antwortete: „Grad
»via bin do!" 9!.
* Weidenrinde.