Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0066
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 8622

Der Japaner.

Die Stürme rasen durch die Welt,

Die schon so lange drohten,

Europas Uölker sind erwacht
Und prügeln sich nach Noten;

Der eine gönnt dem andern nichts
Und, gleich den gier’geit Raben,

Will alles, was der eine will,

Huch jeder andre haben.

Ich, unberührt von dieser Ratz,

Nahm unterdess in China Platz.

Um mit der russischen Kultur
Den Wichel zu beglücken,

Wollt’ Uäterchen ihm nach Berlin
Den Pelzkosaken schicken;

Doch INichel schlug ihm auf das Raupt
Mit seinem guten Schwerte,

Dass man bis Dischni-Dowgorod
Die Läuse piepen hörte.

Ich aber macht’ mir untertan
Indes den Stillen Ozean.

Um Deutschlands läst’ge Konkurrenz
Uom halse sich zu schaffen,

Rief Englands Bank-- und Börsenvolk
Com Htkins zu den Waffen;

Der kämpft für Zins und Zinseszins
Im stolzen Söldnerheere —

Wenn nur die Unterseebootpest
Und Zeppelin nicht wäre!

Ich legte mir indessen bei
Das Bergrecht in der Mongolei.

Kurzum, dieweil Europa sich
Zerfleischt mit blut’gen Rieben,

Sitz’ ich in meinem Räubernest
Und fische still im Criiben;

Und wenn mir auch kein Ehrenkreuz
Die Reldenbrust besternte
Und ich mit meinen Caten auch

0rad keine Corbeer’n ernte-

So ist es tröstlich immerhin,

Dass ich bestimmt der schlau’ste bin! cebmami.

Der Franzmann fuhr mit grimmer Wut
Dem Deutschen in die Raare:

Seit vier Jahrzehnten fordert er
Revanche und Moire!

Doch ganz was andres hat erwischt
Er aus Pandoras Büchse:

JTch, statt Moire gab es Schacht
Und statt Revanche — Wichse!

Ich selbst in stiller Seelenrub

Nahm mir einstweilen Kiautschoti.

Disziplin.

»Eines ist not: Disziplin!"

Wilhelm Liebknecht.

Das eine ist vor allem not:

Disziplin!

Es ist so nötig wie's tägliche Brot:
Disziplin!

Denke zu jeder Stunde daran,

Kämpfer der Freiheit, o Arbeitsmann!

Es bringt im Donner der Schlacht den Sieg:
Disziplin!

Es siegt auch später im friedlichen Krieg:
Disziplin!

Nur dann kommt das vergossene Blut
Später euch und uns allen zu gut!

Die kleinen Unterschiede fort!

Disziplin!

Parole bleibe und Losungswort:

Disziplin!

Ihr, deren Kerzen und Fahnen rot.

Vergeht es nicht: dies eine ist not!

&&

Feldpostbriefe.

XV.

Geliebte Rieke! Im Namen der Westarmee
sage ich Dir herzlichen Dank für die Leberivnrst,
die in Dein letztes Liebespaket wohlbehalten
hier eingetroffen war. Ich kann Dir nämlich
nicht in meinem eigenen Namen danken, denn
ich habe die Wurst nicht selber gegessen. Aber
ich hoffe trotzdem, daß Du Dir mit das Schick-
sal derselben einverstanden erklären wirst, wenn
Du den strategischen Zusammenhang der An-
gelegenheit begriffen hast, was ich mit diesen
Zeilen versuchen lvill.

Als ich Deine Leberwnrst bekommen hatte,
lagen wir gerade in ein französisches Nonnen-
kloster. Nun sehe ich Dir bereits in meinem
Geiste mit leidenschaftliche Gebärden hoch-
fahren. Aber ich bitte Dir, mäßige Deine eifer-
sichtlichen Anwandlungen: Das Kloster war
nämlich leer. Und überhaupt ist die Wurst
garnicht von ein menschliches Wesen verzehrt
ivorden, sondern sie fand auf einem anderen,
aber auch sehr natürlichen Wege im Kloster-
garten ihr seliges Ende.

Wir waren spät abends in das verlassene
Kloster eingerückt und hatten den Befehl be-
komnien, die Stellung unter allen Umständen
zu halten. Bon Reservetruppen war vor nächsten
Mittag nichts zu hoffen. Deswegen verbarri-
kadierten wir uns, so gut wie es ging, und
machten uns Gewehrauflagen und Schieß-
scharten, indem daß wir die Kissen und Ma-
tratzen ans die Nonnen ihre Betten holten
und auf die dicken Mauern aufbauten. Bei
diese Gelegenheit fing ich drei Flöhe auf, die
mir aber bald wieder verließen, weil sie
wahrscheinlich bisher in den« Kloster an was
Besseres gewöhnt waren. Schlafen gab es die
Nacht nicht. Wir mußten egal auf Posten
bleiben, denn wir konnten jeden Augenblick
Besuch von gegenüber kriegen. Auch Feuer
durfte nicht gemacht werden, weil die Sache
schon so >vie so brenzlich genug war.

Ich und mein Freund Justav standen Schul-
ter an Schulter hinter unsere Schießscharte
und erzählten uns leise von unsere gemeinsam
erlebte Jugend in die IM. Gemeindeschule
auf dem Wedding. Hunger hatten ivir keinen,
von ivegen die dienstliche Aufregung, aber
trotzdem war mir Deine Leberivnrst, die in
meine Tasche stach, ein tröstliches Bewußt-

sein, und ich gelobte Justav'n, iveun >vir den
nächsten Morgen erleben würden, sie gemein-
schaftlich mit ihm zum Frühstück zu verputzen.
Er wollte mir dafür gerade umärmeln, als
das Tanzvergnügen losging. Die französischen
Herrschaften hatten sich in die Dunkelheit bis
dicht an uns herangeschlichen, und nun hörten
ivir plötzlich auf ihre ganze Linie das bekannte
Geschrei „Anna Wang!" und da waren sie
auch schon an unsere Mauer, die Turkos ivie
immer voran. Drüben pfiffen sie die Marseil-
laise und bei uns trommelten sie „Kartoffel-
supp, Kartoffelsupp", das Schnellfeuer blitzte
und die Maschinengewehre rasselten; es war,
daß n>an sein Augen- und Ohrenlicht verlieren
konnte! Aber wir waren sie über, sie muhten
retour und ivir hinterdrein. Im Klostergarten
gab es noch eine kurze Balgerei mit die Tur-
kos, daun ivar Ruhe und wir zogen uns wieder
hinter unsere Nonnenbetten zurück.

Wir hatten die Stellung jlorreich gehalten,
aber zu meinem Schrecken mußte ich entdecken,
daß mein Justav weg war! Wir warteten,
bis es helle wurde, dann suchten wir das Ge-
lände ab, brachten die Berivnndelen ein und
begruben die Toten. Aber Justav war nicht
mang. Ich kam retour, setzte mir nieder
und weinte Rotzblasen. Deine Leberivurst stach
noch immer in meine Tasche, aber ich konnte
ihr vor Gram nicht essen. Sie kam mir vor
wie ein Waisenkind, das eins von seine El-
tern verloren hat.

Eben langte ich schon eine Feldpostkarte und
die Adresse von Justav'n seinen Vater raus,
um ihm das traurige Ereignis mitzuteilen, als
die Reservetruppen anrückten und wir ab-
rücken sollten. Da sah ich einen Sanitätshund-
führer, der mit das neue Regiment gekommen
 
Annotationen