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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0042
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8598

Im weissen (Halde.

Wie scbimmert’s bell von allen Zweigen!
Dick wölbt auf Cüipfel sieb und Hst
Des Winters silberweisse Last.

So tnancbesBäumcben, schlank und stolz,
ßar wurzelfest, aus zähem Bolz,

IDuss seine Krone duldend neigen.

Huf jedem Busch ein weisses Cucb,
gewirkt aus blanken Slockensternen;
Bis in die tiefsten Waldesfernen
Hn dunklen Stämmen leichte Säume...
Und in dir bunte Kinderträume
Bus einem alten Märchenbuch:

Die GIfen tanzen ihren Reigen;

Kobolde wimmeln rings im Walde;

6in Riese, tausend Jahre alt,

Siebt zu, streicht sich den Bart und lacht...
Doch dann verschluckt den Spuk dieDacht
mit ihrem grossen, dunklen Schweigen.

einst rann die Quelle hier durchs Wehr.
Und in des Sommers dumpfer Schwüle
erquickte sich an ihrer Kühle
ein dürstend Beer von trocknen Lippen.
Dun starrt es hier von weissen Klippen;
Die alte Quelle rinnt nicht mehr.

Dein ?uss geht lautlos auf den Pfaden
Durch diese weiche Slockenpracbt.
ein leises Flüstern ist erwacht:

Uom Cod, der alle Sehnsucht stillt,

Und von der Kraft, die heimlich quillt,
Das Leben wieder zu begnaden.

Pan.

Staatssozialismus.

Man kam nicht leicht zu dem Entschluß,
Es Hat gar lang gedauert,

Und manchen braven Mann von rechts
Lat's eisig überschauert.

Die Ländler stehen wutentbrannt:

Der Staat legt auf das Korn die Land!

Einst fand man solchen Vorschlag dreist

Und gänzlich unerträglich

Und man bewies es uns haarscharf:

Die Sache ist unmöglich --

Nun in des Krieges hartem Joch
Ging es mit einem Male doch!

Man lernt gar schnell in solcher Zeit;
Doch soll es im Gedächtnis
Festsitzen auch für späterhin
Als dieser Zeit Vermächtnis:

Der Staat soll lindern unsre Not!

Der Staat geb' uns das täglich Brot!

Feldpostbriefe.

XIII.

Geliebte Rieke! Vorigen Mittwoch waren
gerade drei Jahre vergangen seit dem unaus-
sprechlichen Tage, ivo wir beide uns zum ersten-
mal in dieses Leben sahen und dem Entschluß
faßten, uns gegenseitig als Braut und Bräu-
tigam zu betrachten. Es war damals ein
frostiger Februarabend, der Mond schien hell
und auf die Treptower Wiese lag dicker Reif,
so daß Du Dir nasse Beine holtest, wie mir
beide darüber gelustwandelt sind. Du zogst
von Deinem Zeigefinger den Ring, den Du
von Deinem Onkel zur Einsegnung bekommen
hattest, und schenktest ihn mir zu ewiges Ge-
denken.

An dieses poetische Ereignis mußte ich Mitt-
woch den ganzen Tag über denken, denn vor
uns lag eine Wiese, genau wie die in Treptow,
hinten mit ein Wäldchen, und wie es Abend
wurde, glitzerte der Mond auf das befrorene
Gelände. Und es war, als ob das Schicksal
mir an diesem Gedächtnistage alles, was wir
vor drei Jahren erlebt hatten, wieder vor die
Augen führen wollte; denn auf einmal kam

das Kommando: „Fertig machen zum Vor-
gehen!" und wir mußten raus und über die
Wiese. Aber leider war nicht meine Rieke
neben mir, sondern bloß unser Korporalschafts-
führer, der Sergeant Lehmann, der nicht den
geringsten Sinn für die höheren menschlichen
Gefühle besitzt. Es war übrigens auch keine
Zeit zu sowas, denn der Feind beschoß uns
aus das gegenüberliegende Wäldchen in der
rüdigsten Weise und wir mußten uns alle
paar Schritte platt auf den Bauch schmeißen,
um nicht gänzlich von dieses irdische Jammer-
tal weggefegt zu werden. Aber da Rückzug
auf die preußischen Exerzierplätze nicht geübt
wird, so mußten wir egal vorwärts und schließ-
lich befanden wir uns bei die feindlichen
Schützengräben, die die vorherigen Trocken-
wohner in schleunigste Eilfertigkeit geräumt
hatten. Damit war unsere Aufgabe gelöst und
wir richteten uns in das neue Quartier ein.
Gegen zehne erschien auch die Gullaschkanone
in unserm Rücken und bis dahin vertrieben
wir uns die Zeit damit, daß ein baierischer
Infanterist, der sich während dem Sturm aus
ein benachbartes Regiment zu uns verirrt
hatte, seine heimatlichen Volkslieder vortrng,
was sie dort Schnodderhupfel nennen, und
den Gesang mit nachgeahmte Zithertöne aus
seine Stockschnupfennase auf eine sehr künst-
lerische Weise begleitete. So endete unser Er-
innerungstag mit schöne poetische Klänge und
ich versichere Dir, daß ich die ganze Nacht
egal von Dir geträumt habe, so daß mir mein
Nachbar zweimal wecken mußte, weil ich ihm
durch Grunztöne und versuchte Umärmelungen
in die Ausübung seines Schlafes gestört hätte.

Am nächsten Morgen hatte ich das ehren-
volle Vergnügen, mit dem Sergeanten Lehmann
und vier andern Kameraden zum Abtransport
der Gefangenen kommandiert zu werden, die
wir in dem eroberten Schützengraben gemacht
hatten. Sie waren diesmal von die indische
Gattung, die ich schon in meine Jugendzeit bei
eine Karawane auf dem Kurfürstendamm ken-
nen gelernt halte. Ihre Hauptbeschäftigung
besteht darin, daß sie sich untereinander in
Kasten teilen, wie mir der Sergeant Lehmann
instruiert hat, und einer bildet sich immer ein,

daß er was Feineres ist wie die andern, und
was der eine gekocht hat, das will der andere
nicht fressen. Diese Indier haben auch eine Art
Heilsarmee, die sie Fakire nennen und die sich
durch allerlei ekelhafte Dämlichkeiten in die
ewige Seligkeit hineinzuschustern suchen. Der
eine schluckt Feuer, der andere frißt lebendige
Kreuzottern, der dritte polkt sich die Augen
aus dem Kopfe und setzt sie sich dann wieder
ein, als wie wenn gar nichts gewesen wäre.
Es soll auch solche geben, die sich ganze Glied-
maßen von ihren Körper abschneiden und auf
Wunsch wieder nachwachsen lassen können. Am
besten aber haben es die sogenannten unver-
wundbaren Fakire, die auf keine natürliche
Weise umzubringen sind. Ich hörte zum Bei-
spiel von einem, der mit Gewalt ins Lazarett
wollte. Er ließ sich zuerst von drei Bajonette
durchstechen, dann setzte er sich auf eine Flatter-
mine, die ihn anderthalb Kilometer in die Luft
schleuderte, und schließlich gelang es ihm, mit
seinem Hintern eine Stahlpanzergranate auf-
zufangen. Die Granate krepierte, aber der Fakir
nicht. Als ihm aber ein Zweiundvierzig-Zenti-
meter-Geschost direkt auf die Kohlrübe schlug,
da war er doch eine ganze Weile wiebeduselt
und mußte dreimal heftig niesen. Indessen
blieben auch hier die gewünschten Folgen aus
und der Fakir entschloß sich in seine Verzweif-
lung, einen leichten Durchfall zu simulieren.
Die englischen Arzte fielen auch wirklich darauf
rein, schickten ihn ins Lazarett und nach eine
dreitägige Kur war der unverwundbare Fakir
tot.

Der dienstliche Umgang mit die Exotiker war
für mich sehr belehrend, aber er hatte leider die
unangenehme Folge, daß ich mehrere Läuse auf-
fing. Aus welchen Kasten dieselben stammten,
weiß ich nicht, aber ich vermutmaße, daß sie
von die fakirsche. Sorte waren, denn ich konnte
sie nicht tot kriegen und es wachsen egal neue
nach. Ich wäre Dir daher sehr dankbar, wenn
Du mir mit Deine demnächstigen lieben Zeilen
ein paar. Handvoll persisches Insektenpulver
schicken möchtest.

Bis wohin ich in ewige Liebe verbleibe Dein
Bräutigam

August Säge jun., Garde-Grenadier.
 
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