SG02
Sam:
tullwi
\ IJnil
MW
Y'fm
Überschwemmung in Flandern.
o
Eine Mutter.
Von A. ß.
Die Huberbäuerin von Unterhaching hat
ihren Loisl halt auch hergeben müssen. „Mut-
ter". hat er gesagt, „soll i mi ebba auschaun
lassen von die Leut, das; i daheim hock, groß
und stark, wia i bin?"
Die Mutter hat zivar gemeint, er war doch
grad erst siebzehn und er war doch 's einzige,
ivas sie auf der Welt hält', und wie sie denn
nachher ohne ihn das Gütl in Stand halten
sollt? Aber es war rein nichts mit ihm zu
machen.
Da hat sie ihn halt ziehe» lassen müssen
und der Wimpfinger-Karl und der Reitmaier-
Seppl nus'i» Dorf sind auch mitgegaugeu. Am
Bahnhof, o du mei, da hat's grad so givurlt
vor Leut', junge und alte. Und gesungen haben's
und gejuchheit und grad notwendig haben's
es ghabt. daß' nur mitkeunna, erseht in d'
Stadt München cina und daun glei in'n Krieg.
Die Huberbäueriu hat 's Weinen angsangt,
aber der Loisl hat g'sagt: „Grein net, Mntterl,
Wann i wieder komm ...", aber was er weiter
noch sagte, hat sie »imnier g'hört.
Nach acht Tagen ist eine Postkart kommen
vom Loisl. Das war eine Freud'! Sie waren
noch in München, nus'm Oberwiesenfeld, und
inüßtcu's erst auszustudieren, daß 's uacha im
Kcieg ihr' Sach verstünde». Und 's ging ihm
sehr gut. Und er war' bei der Feldartollerie-
lind daß er zu die Rösser kommen war', das
wär' schon sei größte Freud'! Und 's könnt'
scho »och an die vier Wochen hergeheu, hat,
der Herr Wachtmeister gesagt, bis 's ins Frank-
reich eiuageht.
Da war die Huberbäuerin schon zufrieden.
Sie schniunzelte in sich hinein: vier Wochen
müsse» 's no studieren; uacha is der Krieg
Überhaupts scho rum! Wohl hundertmal hat
sie die Karte gelesen und hat sie den Nachbarn
zeigt. Und mit eins ist ihr der Gedanke» ge-
kommen: sie könnt' am End' ihren Loisl in
München besuchen! Der Krieg muntert halt
alles auf, selbst so ein bescheidenes Weiberl,
das au die zehn Jahre nimmer in der Stadt
geivcseu is.
Die Huberbäueriu geht nun zum MntthieS,
ob er derweil nach ihrem Sach schauen ivill.
's ist schon bald, als ob 's ihr Testament
machet, so viel und jedes einzelne tut 's ihm
extra auf die Seel' binden. Und daß er nur
grad Obacht gibt auf die Gescheckete und den
Hausl rvürd' sie ihm lieber glei »über bringen.
Der Matthies verspricht hoch und heilig, daß
er aufpasseu ivird ivie ein Haftelniacher, und
fragt beiläufig, wieviel Wochen sie denn weg-
bleibeu ivill. Da schaut ihn die Huberbäuerin
an ivie nicht gescheit und sagt: „Morgen in
der Früh um halbe Fünfe geht der Zug, hat
der Herr Pfarrer gesagt, und auf d' Nacht um
Zehne bin i wieder daheini."
Da schlagt si der Matthies aufs Knie und
lacht: „Na alsdann, glückliche Reis', Nach-
barin, und komm g'suud heim und grüß auch
dein'» Bub'n!"
Die Huberbäueriu ist aber am selbigen Abend
über die Truhen gegangen von ihrem Mann
selig und hat lang drinnen gekramt. Einen
schönen wollenen Janker hat 's herausgefischt
und die Pfeif'n und den ledernen Tabaks-
beutel, ivo der Bub schon lang darauf gespitzt
hat. Der kommt zuunterst in den Korb, denn
das ist die Überraschung. Dädrauf aber kommt,
schön verwahrt, ein Geselchtes — das ist sei'
Leibspeis' - und eine dicke runde Wurst und
ein Zwetschenkuchen, den 's heut exlra back'n
hat, und eine Flasch'n Taubeerschnaps — für
die Gesundheit. Der Korb ist voll bis oben-
auf, aber da i» die Ecken nei geht grad noch
ein Trumm Butter. Wer weiß, was für schlam-
petes Zeug der Loisl in der Stadt statt'»
Butter kriegt. So, jetzt ist's fertig, und über
die ganze Herrlichkeit ivird sauber ein schönes
blauweiß gewürfeltes Sacktuch gebreitet.
Den Korb gibt die Huberbäueriu auch auf
der Eiseubahusahrt nicht aus den Händen.
Einer, der ihr gegenüber si .t, sagt, sie solle
doch den Korb neben sich stellen, da wär' ja
auch noch Platz genug. Aber sie sieht ihn nur
mißtrauisch an: gel, daß so a ausgschamter
Tagdieb ihn derwischen tät, wann ihr der
Schlaf ankäm! Naa, mein Liaber, des is grad,
als wenn i mein'» Bub'n ans den Knien hätll;
da feit sie nix!
Der Zug hält und die Huberbäueriu klettert
hinaus. „Herrschaft!" seufzt sie nur leise vor
sich hin und ist auch schon mit fortgerissen
von der Meuschenivoge, die sich in die groß-
mächtige Hallo ergießt. Hunderte prallen an
ihren Korb. Der eine sagt: Hoppla! der an-
dere sagt: Pardon! der dritte schreit: Sakra!
Sie wird gestoßen, geschubst, umeinander ge-
wirbelt und auf einmal steht sie draußen vor
dem Portal und vor ihr ist ein großer Platz.
Marand Joseph, da geht's zu! Wie närrisch
sausen die Automobüll' umanand und die
Wägen und die Leut' alleweil mitten drin!
Grad wie ein Ameishaufen, denkt sie. Aber
da traut sie sich nicht hinüber. Pfüat di Gott!
das wär'ja der reinste Selbstmord! Aber naa,
sie will doch ihren Loisl besuchen.
Wie aus Holz geschnitzt, mit tiefen Furchen
im verwitterten Gesicht steht die Huberbäueriu,
unbeweglich. Aber drüben aus der Ecke hat
ein Schutzmann sie schon eine Weile beobachtet.
Sam:
tullwi
\ IJnil
MW
Y'fm
Überschwemmung in Flandern.
o
Eine Mutter.
Von A. ß.
Die Huberbäuerin von Unterhaching hat
ihren Loisl halt auch hergeben müssen. „Mut-
ter". hat er gesagt, „soll i mi ebba auschaun
lassen von die Leut, das; i daheim hock, groß
und stark, wia i bin?"
Die Mutter hat zivar gemeint, er war doch
grad erst siebzehn und er war doch 's einzige,
ivas sie auf der Welt hält', und wie sie denn
nachher ohne ihn das Gütl in Stand halten
sollt? Aber es war rein nichts mit ihm zu
machen.
Da hat sie ihn halt ziehe» lassen müssen
und der Wimpfinger-Karl und der Reitmaier-
Seppl nus'i» Dorf sind auch mitgegaugeu. Am
Bahnhof, o du mei, da hat's grad so givurlt
vor Leut', junge und alte. Und gesungen haben's
und gejuchheit und grad notwendig haben's
es ghabt. daß' nur mitkeunna, erseht in d'
Stadt München cina und daun glei in'n Krieg.
Die Huberbäueriu hat 's Weinen angsangt,
aber der Loisl hat g'sagt: „Grein net, Mntterl,
Wann i wieder komm ...", aber was er weiter
noch sagte, hat sie »imnier g'hört.
Nach acht Tagen ist eine Postkart kommen
vom Loisl. Das war eine Freud'! Sie waren
noch in München, nus'm Oberwiesenfeld, und
inüßtcu's erst auszustudieren, daß 's uacha im
Kcieg ihr' Sach verstünde». Und 's ging ihm
sehr gut. Und er war' bei der Feldartollerie-
lind daß er zu die Rösser kommen war', das
wär' schon sei größte Freud'! Und 's könnt'
scho »och an die vier Wochen hergeheu, hat,
der Herr Wachtmeister gesagt, bis 's ins Frank-
reich eiuageht.
Da war die Huberbäuerin schon zufrieden.
Sie schniunzelte in sich hinein: vier Wochen
müsse» 's no studieren; uacha is der Krieg
Überhaupts scho rum! Wohl hundertmal hat
sie die Karte gelesen und hat sie den Nachbarn
zeigt. Und mit eins ist ihr der Gedanke» ge-
kommen: sie könnt' am End' ihren Loisl in
München besuchen! Der Krieg muntert halt
alles auf, selbst so ein bescheidenes Weiberl,
das au die zehn Jahre nimmer in der Stadt
geivcseu is.
Die Huberbäueriu geht nun zum MntthieS,
ob er derweil nach ihrem Sach schauen ivill.
's ist schon bald, als ob 's ihr Testament
machet, so viel und jedes einzelne tut 's ihm
extra auf die Seel' binden. Und daß er nur
grad Obacht gibt auf die Gescheckete und den
Hausl rvürd' sie ihm lieber glei »über bringen.
Der Matthies verspricht hoch und heilig, daß
er aufpasseu ivird ivie ein Haftelniacher, und
fragt beiläufig, wieviel Wochen sie denn weg-
bleibeu ivill. Da schaut ihn die Huberbäuerin
an ivie nicht gescheit und sagt: „Morgen in
der Früh um halbe Fünfe geht der Zug, hat
der Herr Pfarrer gesagt, und auf d' Nacht um
Zehne bin i wieder daheini."
Da schlagt si der Matthies aufs Knie und
lacht: „Na alsdann, glückliche Reis', Nach-
barin, und komm g'suud heim und grüß auch
dein'» Bub'n!"
Die Huberbäueriu ist aber am selbigen Abend
über die Truhen gegangen von ihrem Mann
selig und hat lang drinnen gekramt. Einen
schönen wollenen Janker hat 's herausgefischt
und die Pfeif'n und den ledernen Tabaks-
beutel, ivo der Bub schon lang darauf gespitzt
hat. Der kommt zuunterst in den Korb, denn
das ist die Überraschung. Dädrauf aber kommt,
schön verwahrt, ein Geselchtes — das ist sei'
Leibspeis' - und eine dicke runde Wurst und
ein Zwetschenkuchen, den 's heut exlra back'n
hat, und eine Flasch'n Taubeerschnaps — für
die Gesundheit. Der Korb ist voll bis oben-
auf, aber da i» die Ecken nei geht grad noch
ein Trumm Butter. Wer weiß, was für schlam-
petes Zeug der Loisl in der Stadt statt'»
Butter kriegt. So, jetzt ist's fertig, und über
die ganze Herrlichkeit ivird sauber ein schönes
blauweiß gewürfeltes Sacktuch gebreitet.
Den Korb gibt die Huberbäueriu auch auf
der Eiseubahusahrt nicht aus den Händen.
Einer, der ihr gegenüber si .t, sagt, sie solle
doch den Korb neben sich stellen, da wär' ja
auch noch Platz genug. Aber sie sieht ihn nur
mißtrauisch an: gel, daß so a ausgschamter
Tagdieb ihn derwischen tät, wann ihr der
Schlaf ankäm! Naa, mein Liaber, des is grad,
als wenn i mein'» Bub'n ans den Knien hätll;
da feit sie nix!
Der Zug hält und die Huberbäueriu klettert
hinaus. „Herrschaft!" seufzt sie nur leise vor
sich hin und ist auch schon mit fortgerissen
von der Meuschenivoge, die sich in die groß-
mächtige Hallo ergießt. Hunderte prallen an
ihren Korb. Der eine sagt: Hoppla! der an-
dere sagt: Pardon! der dritte schreit: Sakra!
Sie wird gestoßen, geschubst, umeinander ge-
wirbelt und auf einmal steht sie draußen vor
dem Portal und vor ihr ist ein großer Platz.
Marand Joseph, da geht's zu! Wie närrisch
sausen die Automobüll' umanand und die
Wägen und die Leut' alleweil mitten drin!
Grad wie ein Ameishaufen, denkt sie. Aber
da traut sie sich nicht hinüber. Pfüat di Gott!
das wär'ja der reinste Selbstmord! Aber naa,
sie will doch ihren Loisl besuchen.
Wie aus Holz geschnitzt, mit tiefen Furchen
im verwitterten Gesicht steht die Huberbäueriu,
unbeweglich. Aber drüben aus der Ecke hat
ein Schutzmann sie schon eine Weile beobachtet.