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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0055
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8611

Aus „Humoristieke Listy“, Prag.

Wie sich amerikanische Millionärskinder mit den Kriegsgeivinnen
ihrer Vater die Zeit vertreiben.

ftobelfpäne. eT

Des Friedens Genius trauert,

Gesenkt sei» Haupt er hält;

Wie lang, fragt cr, wohl dauert
Der Krieg noch in der Welt?

Wie lang ob seinem Qualme
Verfinstert sich der Tag,

Bis mit der Friedenspalms
Ich wieder walten mag? —-

Und harrend seiner Stunde
Das Ohr er lauschend neigt
Und in der weiten Runde
Hört's jedermann und — schweigt.

Das tägliche Gebet des Dreiverbandes lautete Lieber Gott, laß
England soviel goldene Kugeln haben, daß Amerika uns all sein Eisen
liefern muß!

Das winz'ge Frühstück und das „Einheitsbrot"

Will nur bedingungsweise dir gefallen?

Je nun, du wirst schon unterm Druck der Not
Den Hungerriemen etwas enger schnallen.

Jetzt gibt es treffliche Gelegenheit,

Des deutschen Mannes Tugend zu entfalten
Und in dem großen, ungeheuren Streit
Bis an das Ende glorreich „durchzuhalten".

Daß sich „Hiebe" auf „Liebe" reimt, kommt in den besten Familien
vor und ist schon was altes -- zumal in der indogermanischen Pölker-

fannlre. Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

an Vetter Paule nach die Ostarmee eine Büchse
Lausesalbe schicken und an mir eine Büchse
Butter. Aber leider muß sie wohl die beiden
Delikatessen verwechselt haben, denn was ich
mir nach Empfang des Pakets auf mein
Kommißbrot geschmiert habe, das kann ich
keinem Menschen beschreiben! Diesen Wohl-
geschmack vergißt meine Zunge nicht und wenn
sie mir noch hundert Jahre dienstbar bleibt!
Hoffentlich hat Vetter Paule dem Irrtum
rechtzeitiger bemerkt wie ich und mit meine
schöne Butter nicht sein polnisches Ungeziefer
gefüttert! Ob die von mir genossene Salbe sehr
giftig ist, weiß ich nicht bestimmt, aber auf
alle Fälle möchte ich Euch, geliebte Eltern, der
Vorsicht halber bitten, mir ein Gegengift in
Gestalt einer Flasche Mampe möglichst um-
gehend zusendeu zu ivollen.

Mit herzlichste Grüße Euer ewig dankbarer
Sohn August Säge jun., Garde-Grenadier.

Xriegsfasching.

Uuf Zaschingstreiben mußten wir verzichten,
Weil kNors und Mars die blut'gc Ernte mäht;
Wir taten's gern, als eine jener Pflichten,

Die uns geboten Takt und Pietät.

Den Briten bannt' dies Beispiel nicht verleiten,
tDeil cr nun einmal nichts entbehren bann;

So sah man ihn auch heuer sich verbleiden,

Bis pankee erst und dann als kjollandschmann.

Alles für die Landwirtschaft!

Eine Anzahl namhafter deutscher Schrift-
steller haben ihre Produktion als Humus für
die Landwirtschaft nligeboten. Diese echt vater-
ländische Widmung ist mit Dank angenommen
worden.

Aus Rußland.

Nach einem Ukas des Senats ist fortan dem
Brot ein Prozentsatz von dem Kitt zuzusehen, der
die Völker des heiligen Rußland.zusammenhält.

Lieber Jacob!

Man sollte janich jlooben, >vat et for dick-
köppije Menschen jibt! Da erklärte in de
russesche Dnma der dortije Kriejsminister, er
könnte de Deitschen schon jetz jeden Tag be-
siejen un in Berlin einziehen, wenn er ivollte
— aber er wolle nicht Un wenn sich Hinden-
burg uff'n Kopp stellte, so wirken ihm de
Russe» doch »ich dein Jefallen tun un seine
Armeen in de Flucht jagen! Nu jerade nicht —
Ick dachte erst, der Mann macht Spaß, aber
et war »ich an dem: de Russen sind wirklich
aus Ostpreißeu abjerickt un haben sich aus de
Bukowina un aus de Karpathen zurickjezogen,
un zwar, ivie se sagen, aus puren Eijensinn.
Ick firchtete schon, se hätten uns villeicht ivat
iebel jenommen, aber ick wißte nich, ivat.
Denn wir haben se, un wenn se ooch reje-
mentermeise zu uns ieberjeloofen kamen, im-
mer sehr jastfreindlich uffjenoinmen. Aber
am Ende hat se et doch jekränkt, bet se bei
uns ihres Kopfschmuckes beraubt un dienstlich
entlaust werden. Denn een russesches Sprich-
wort sagt bekanntlich; „Det muß een lumpijer
Kerl sind, der nich mal eene klcene Laus er-
nähren kann!" Un nu jlooben se villeicht, wir
trauen se det nich mehr zu uu unterschätzen
ihre völkische Bejabung. Aber ivie det nu ooch
zusammenhängeu mag, det eene steht fest: se
sind ausjerickt u» lasse» scheen jrießen.

Ick sprach ueilich ieber diesen stratejische»
Fall mit meinen Freind Edeivard, der uff Ur-

laub aus Döberitz hier war. Aber ooch er
ivußte mir keene Erklärung zu jeden, objleich
er in andauernde dienstliche Mehlung mit de
heechsteu Landsturmscharschen steht un sonst
ieber sämtliche Kriegspläne bombensicher unter-
richtet is. Dajeje» hat er mir ieber die Ent-
laüsnngspraxis in det Jefangenenlager uffje-
klärt. Er bestätigte mir dabei det zoolojische
Wunder, wovon ick schon in de Zeitung je-
lesen hatte, nämlich det de Läuse, die se aus
de Kosakenmäntel nusjekocht haben, bei diese
Prozedur ihre Farbe wechseln uu rot wie de
Krebse werden. Wo det Herkommen tut, wußte
er aber ooch nich. Villeicht erröten diese ver-
wöhnten Lieblinge der russesche» Armee von
ivejen die schlechte Behandlung, wo se in ihre
Heimat nich dran jewehnt sind.

Ick bummelte mit Edeward'n de Friedrich-
straße lang un wir wunderten uns, woso da
det Flastcr nffjerissen war un ejal jerammt
wurde. Wir heerten, det det von ivejen de
»eie Unterjrundlinie is, weil sich herauSjestellt
hat, det det janze Jelände längs de Friedrich-
straße ejal aus Sumpf besteht uu jroße Schwie-
rigkeiten bei de Tunnelung macht. Edeward
ivollte mir uzen un eißerte: „Ihr seid ja 'ne
anjenehme Schwefelbande! Während unser-
cener for det Vaterland unter Waffen steht,
sumpft ihr hier derartig in de Friedrichstraße,
det sich der Sumpf sojar bis untern Asphalt
zieht!" Ick ließ mir aber nischt merken, son-
der» entjejentc bloß: „Lieber Edeward, wenn
ihr bei'» Landsturm keene besseren Witze machen
könnt, dann möchte ick dir raten; „Bleibe in
Dobritz un lausc dir rötlich!"

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an ’» Jörlitzer Bahnhof jleich links.
 
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