— 8627
Die verlassene Werkstatt.
Es fließt durchs kleine Fensterlei»
Der liebe goldne Sonnenschein;
Die ganze Welt verklärt sein Licht.
Mir aber scheint die Sonne nicht.
Kaum trag ich all den Schmerz und Gram,
Seit jene Botschaft zu mir kam:
Dein Junge kommt nicht mehr nach Laus!
Das löschte alle Sonne aus .. .
Die Werkstatt, drin mit Jugendkraft
Und Fröhlichkeit er brav geschafft
21» Vaters Platz, sie steht nun leer:
Mein lieber Junge kommt nicht mehr
Fern, drüben im Argonnenwald
Lat einmal Nachts ein Schuß geknallt;
Er traf den Posten gar zu gut:
Es floß sein junges, heißes Blut.
Die Werkstatt leer, das Leben leer —
Ich hoff' und träume nun nichts mehr
In meines Lebens Abendrot.
Mann nahst du mir, Erlöser Tod??
Sie bekam einen Schreck. Gerade unter ihr,
in einem Liegestuhl, saß der junge Schlosser
und ließ sich von der Sonne bescheinen. Nie
war ihr sein Gesicht so gelblich fahl erschienen
wie jetzt in dem vollen Licht.
Er lächelte zu ihr empor: „Ja, ich faulenze,
Fräulein Magda, und laß mir von Ihnen
etwaZ Vorsingen. Mit der Arbeit will es noch
nicht recht gehen."
Sie betrachtete ihn und sagte unwillkürlich:
„Was Sie für merkwürdige Augen machen!
Ganz anders als früher."
„Früher . . . wie lange ist das her? Ich
weiß nur noch wenig davon. Und die Augen?
Ja, mag sei». Ich habe inzwischen allerlei
gesehen." Er starrte geradeaus. „Man kommt
schwer davon los."
„Ja," sagte sie leise. „Es ist wohl schrecklich. ,
Und dann Ihre eigenen Verwundungen. Es
ist nicht leicht für Sie."
„Nein, nicht leicht. Aber," er versuchte ein
Lächeln, „wenn Sie singen, wird mir doch
leichter. Ihre Stimme ist viel voller und
schöner noch als früher."
„Das kommt Ihnen wohl nur so vor."
„Nein. Es ist bestimmt so. Und," er betrach-
tete sie mit einem Anflug von Neid. „Sie sind
ja auch so gesund und stark."
„Ich muß singen," sagte Magda. „Wenn
die Sonne scheint, muß ich. Wenn es mich
auch gar nicht mehr so recht freut."
„Warum nicht?"
-o-
Das Mädchen errötete und sagte zögernd:
„Weil Sie mir gar nie mehr dabei helfen."
„Ja, ich. Das ist etwas anderes. Früher
ging es mir genau so wie Ihne». Jetzt?" Er
machte eine resignierte Geste und sah wieder
starr geradeaus.
„Sie sind wohl noch zu schwach," sagte sie
tröstend. „Wenn der Frühling erst wirklich da
ist, dann
Er hob den Kopf und sagte hart: „Ich
werde nie mehr singen, Fräulein Magda."
„Nie?!" Angst war in dem Worte.
„Nie. Meine Stimme haben sie da draußen
totgeschossen." Er schwieg eine Weile, richtete
dann den Blick auf sie und sagte gedämpft:
„Eine Hoffnung auch, Fräulein Magda. Sie
wissen schon, >velche." Er erhob sich mühsam,
blickte sie nicht mehr an, ging gebeugt davon
ivie ein alter, ganz alter Mann.
Sie sah ihm mit entsetzten Blicken nach,
sprang von der Bank und lief ins Haus.
Und die Mutter sagte: „Dummes Mädel,
warum weinst du denn?!"
Und wenn der Schlosser in späteren Tagen
sein Fenster öffnete, weil die Sonne gar so
prächtig schien, wenn seine Feile in langsame»,
gebrochenen Strichen schrillte und kreischte,
dann wartete er immer und immer wieder
auf das zuversichtliche Lied seiner jungen Nach-
barin. Wartete vergebens.
Sie war verstummt ivie er.
Eiserner Frühling.
von Ludwig Lessen,
o o O
Ls zog der Frühling ins branne Land.
Lr streute Veilchen und Tausendschön
Uns kviesenrain, Nlaldsaum und Uckerrand.
Der letzte Schnee zerschmolz auf den ksöh'n.
Schon sang die Drossel ihr ksochzeitslied
kjinein in das lockende Vogelgetön.
Cs ging ein Säuseln durch lvald und Nied ...
Da lianr es feldgrau die Straße einher,
vom Glanze der Frühlingssonne umsprüht,
Und doch so matt, so schweigend, so schwer.. .
verwundete waren's: in Linden die lhand, —
Um blonde Uöpfe ging kreuz und quer
In weißen Schlingen verband um verband, —
In lehmigen Mänteln klaffte manch Loch,
wo die Uugel Einfahrt und Uusfahrt fand.
Vas Grauen des Schlachtfelds umstarrte sie noch...
Sie schlichen schweigend dahin, wie im Traum,
Und merkten's nicht, daß nach Veilchen roch
Die weiche Luft, die der Winter kaum
Geräumt auf seiner eiligen Flucht!
voll Unospen schimmerten Strauch und Baum.—
Im Schollenlaud keimte die neue Frucht.. .
Die verlassene Werkstatt.
Es fließt durchs kleine Fensterlei»
Der liebe goldne Sonnenschein;
Die ganze Welt verklärt sein Licht.
Mir aber scheint die Sonne nicht.
Kaum trag ich all den Schmerz und Gram,
Seit jene Botschaft zu mir kam:
Dein Junge kommt nicht mehr nach Laus!
Das löschte alle Sonne aus .. .
Die Werkstatt, drin mit Jugendkraft
Und Fröhlichkeit er brav geschafft
21» Vaters Platz, sie steht nun leer:
Mein lieber Junge kommt nicht mehr
Fern, drüben im Argonnenwald
Lat einmal Nachts ein Schuß geknallt;
Er traf den Posten gar zu gut:
Es floß sein junges, heißes Blut.
Die Werkstatt leer, das Leben leer —
Ich hoff' und träume nun nichts mehr
In meines Lebens Abendrot.
Mann nahst du mir, Erlöser Tod??
Sie bekam einen Schreck. Gerade unter ihr,
in einem Liegestuhl, saß der junge Schlosser
und ließ sich von der Sonne bescheinen. Nie
war ihr sein Gesicht so gelblich fahl erschienen
wie jetzt in dem vollen Licht.
Er lächelte zu ihr empor: „Ja, ich faulenze,
Fräulein Magda, und laß mir von Ihnen
etwaZ Vorsingen. Mit der Arbeit will es noch
nicht recht gehen."
Sie betrachtete ihn und sagte unwillkürlich:
„Was Sie für merkwürdige Augen machen!
Ganz anders als früher."
„Früher . . . wie lange ist das her? Ich
weiß nur noch wenig davon. Und die Augen?
Ja, mag sei». Ich habe inzwischen allerlei
gesehen." Er starrte geradeaus. „Man kommt
schwer davon los."
„Ja," sagte sie leise. „Es ist wohl schrecklich. ,
Und dann Ihre eigenen Verwundungen. Es
ist nicht leicht für Sie."
„Nein, nicht leicht. Aber," er versuchte ein
Lächeln, „wenn Sie singen, wird mir doch
leichter. Ihre Stimme ist viel voller und
schöner noch als früher."
„Das kommt Ihnen wohl nur so vor."
„Nein. Es ist bestimmt so. Und," er betrach-
tete sie mit einem Anflug von Neid. „Sie sind
ja auch so gesund und stark."
„Ich muß singen," sagte Magda. „Wenn
die Sonne scheint, muß ich. Wenn es mich
auch gar nicht mehr so recht freut."
„Warum nicht?"
-o-
Das Mädchen errötete und sagte zögernd:
„Weil Sie mir gar nie mehr dabei helfen."
„Ja, ich. Das ist etwas anderes. Früher
ging es mir genau so wie Ihne». Jetzt?" Er
machte eine resignierte Geste und sah wieder
starr geradeaus.
„Sie sind wohl noch zu schwach," sagte sie
tröstend. „Wenn der Frühling erst wirklich da
ist, dann
Er hob den Kopf und sagte hart: „Ich
werde nie mehr singen, Fräulein Magda."
„Nie?!" Angst war in dem Worte.
„Nie. Meine Stimme haben sie da draußen
totgeschossen." Er schwieg eine Weile, richtete
dann den Blick auf sie und sagte gedämpft:
„Eine Hoffnung auch, Fräulein Magda. Sie
wissen schon, >velche." Er erhob sich mühsam,
blickte sie nicht mehr an, ging gebeugt davon
ivie ein alter, ganz alter Mann.
Sie sah ihm mit entsetzten Blicken nach,
sprang von der Bank und lief ins Haus.
Und die Mutter sagte: „Dummes Mädel,
warum weinst du denn?!"
Und wenn der Schlosser in späteren Tagen
sein Fenster öffnete, weil die Sonne gar so
prächtig schien, wenn seine Feile in langsame»,
gebrochenen Strichen schrillte und kreischte,
dann wartete er immer und immer wieder
auf das zuversichtliche Lied seiner jungen Nach-
barin. Wartete vergebens.
Sie war verstummt ivie er.
Eiserner Frühling.
von Ludwig Lessen,
o o O
Ls zog der Frühling ins branne Land.
Lr streute Veilchen und Tausendschön
Uns kviesenrain, Nlaldsaum und Uckerrand.
Der letzte Schnee zerschmolz auf den ksöh'n.
Schon sang die Drossel ihr ksochzeitslied
kjinein in das lockende Vogelgetön.
Cs ging ein Säuseln durch lvald und Nied ...
Da lianr es feldgrau die Straße einher,
vom Glanze der Frühlingssonne umsprüht,
Und doch so matt, so schweigend, so schwer.. .
verwundete waren's: in Linden die lhand, —
Um blonde Uöpfe ging kreuz und quer
In weißen Schlingen verband um verband, —
In lehmigen Mänteln klaffte manch Loch,
wo die Uugel Einfahrt und Uusfahrt fand.
Vas Grauen des Schlachtfelds umstarrte sie noch...
Sie schlichen schweigend dahin, wie im Traum,
Und merkten's nicht, daß nach Veilchen roch
Die weiche Luft, die der Winter kaum
Geräumt auf seiner eiligen Flucht!
voll Unospen schimmerten Strauch und Baum.—
Im Schollenlaud keimte die neue Frucht.. .