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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0091
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8647

folgen der msmarcfefcicr.

„Ich wollte gerne ein paar Bismarckhäringe haben."

„Tut mir leid, die sind nach der hundertjährigen Geburtstagsfeier

ausverkaustworden. Kannich vielleicht mitBülowhäringen aushelfen?"

liobclfpäne.

Ich ging, mir zu beschauen
Die deutsche Landwirtschaft;

Sie hat in diesen Zeiten
Bewiesen ihre Kraft.

An Nahrung ist kein Mangel,
Doch kränkt mich's, daß ich seh'.
Wie die Kartoffelpreise
Noch immer in der Höh'.

Es hat doch stets der Wucher
Dazwischen heut' sein Spiel,

Und zieht aus Volkes Nöten
Profit heraus gar viel.


Ein haltbares Völkerrecht muß auf fest verankerten Pfeilern von
Volksrechten ruhen. Bisher hat man immer der Menschheit ein Dach
in die Luft bauen wolle».

An den Brotkarten kann man sich im Kuponschneiden üben. Das
„Wert"papier ist freilich nur der Rand.

Auch der Staat hat sich den Frühlingsspaziergängern angeschlossen.
Er geht mit der Wünschelrute nach Gold und mit dem Ochsenziemer
nach Mehl. .

Englands Aushungerungsplan gegen Deutschland ist schon lange
vor seinem Beginn durch einen Angehörigen seines eigenen Landes zu
nichts gemacht worden: durch Sir Francis Drake, der einst die ersten
Kartoffeln aus Amerika mitbrachte.

Es war leichter, Felder der Ehre in Ödland zu verwandeln, als
jetzt Ödland in Felder der Ähre.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Friedliche Annexion.

Durch Eindeichungen wurden in Ostfriesland Tausende
Lektar Land gewonnen.

Leut steht gar vielen Schwätzern der Sinn
Nach Annexion und Landgewinn.

Sie teilen Westen und Osten ein,

Ihr Deutschland muß täglich größer sein.
Der Werkmann von Ostfriesland lacht:
„Das haben wir ja längst gemacht!

„Was uns das Meer im Sturm einst nahm.
Wieder zurück nach Deutschland kam!

Wir deichten ein manch weite Bucht
And schlugen das feindliche Meer in die Flucht.
And wir errangen Sieg auf Sieg —

Auch ohne einen blutigen Krieg!

„Wir schufen Platz, um Städte zu bau'n;
Auf die Pflugschar warten Felder und Au'n.
Wir haben vergrößert die deutsche Flur,

In schwieliger Faust das Schwert der Kultur!"
Durch Deutschland klingt es wie Iubelton:
Loch lebe die friedliche Annexion!

Vom Sterben.

Das Kind im Mutterleibe zu töten war stets
Barbarei; die Geschlechter der Zukunft im
Manne zu töten — heißt Krieg.

Das Jenseits soll sehr friedfertig sein. Aber
weiß denn die Menschheit nicht anders zuin
Frieden zu kommen, als sterbend?

„Töte oder stirb!"... Es istschwer zu sagen,
welches Rätsel dich grimmiger anblicken könnte.

Lieber Jacob!

Neilich kommt inein Zweetjingster un frägt
mir: „Sage mal, Vater, wat is denn bet eejent-
lich, eene Episode!" Hier in de Zeitung steht,
die Beschießung der Dardanellen sei nach An-
sicht der englischen „Heeresleitung inan bloß
eene Episode jewesen". „Hm," sage ick un be-
fand mir in eene brenzliche Lage von wejen
mein väterliches Ansehen, „eene Episode,
weeßte, bet is so ville wie 'ne Dummheit oder
'n Rinfall oder so. Ick muß mir iebrijens
wunder», det du bet noch »ich in de Schule
jehabt hast."

Damit jing er belehrt von mir, aber wie er
nächsten Tag aus de Schule retour kommt,
tritt er, feixend wie 'n Affe, vor mein An-
jesicht un sagt: „Ick weeß nich, Vater," sagt
die Rotzncese, „wat ick von deine Bildung
halten soll. Ick habe Lehrer Schnitzen jefragt
un der sagt, det Wort Episode käme aus det
Jriechische-"

„Halt!" unterbrach ick ihm in seine Rede,
„wenn det aus det Jriechische kommt, dann is
det allerdings wat anderes un dann versteht
et sich von alleene, det et keene Dummheit un
keen Rinfall is. Denn nff de Jriechen lasse ick
nischt komme», die Leite haben 'n hellen Kopp
und wissen, wat se wollen! Also wat sagt Herr
Schultze, det et bedeiten tut?" „Ja, er meent,
Episode det is so'n Knaatsch, der man bloß
'ne Weile dauert un denn wieder alle is." „Det
stimmt," entjejente ick, „det stimmt auffallend
bei det Dardanellenverjniejen, un det stimmt
ooch bei manches andre in diesen Weltkrieg.
Die jlorreiche russesche Eroberung von Ost-
preißen war 'ne Episode, un de englische Aus-

hungerung Deitschlands war 'ne Episode, un
de Brotkarten sind 'ne Episode, un de Heechst-
preisc un der Burgfrieden, det sind allens man
bloß Episoden — nachher kommt et wieder janz
anders!"

„Dann is woll," frägt mir der Bengel,
„am Ende der janze Krieg ooch man bloß 'ne
Episode?" „Det wollen wir bestimmt hoffen,"
belehre ick ihm, „Krieje können Jottseidank nie
ewig dauern, denn schließlich muß eenem von
die Staaten de Puste ausjehen un wenn se
keene Pinke un keene Soldate nich mehr haben,
denn is ebent Friede." „Aber der Friede,"
verhörte er mir weiter, „det wird doch keene
Episode nich sind?" „Det wollen wir noch be-
stimmter hoffen," versetzte ick, „vorausjesetzt,
det er von die Diplomaten mit den richtijen
Schick jedeichselt wird. Dann kann er von keene
Macht der Welt niemals nich mehr jestört
werden!"

Mein Zweetjingster dachte eene Weile nach
un brach dann in die tiefsinnigen Worte aus:
„Also een Krieg muß een Ende nehmen, weil
schließlich de Pinke un de Soldaten alle wer-
den — det verstehe ick. Aber det mit die Diplo-
maten, Vater, det verstehe ick nich janz. Wer-
den die denn nie alle?"

„Uff diese Frage, mein Sohn," sagte ick
mit eene Träne in's Ooge, „derf ick dir in
de jejenwärtijen Zeiten keene Antwort nich
jeden. Aber hier haste 'n Jroschen zur Beloh-
nung for deine kluge Frage; da kannste dir
for koofen, wat de willst!"

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Bestellungen auf diese Nummer werden tunlichst umgehend erbeten.
 
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