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Das Linheitsbrot.
wer hätte das noch jüngst gedacht:
Der „Zukunftsstaat" kam über Nacht!
Zu Leibe geht's der bleichen Not,
Venn jeder kriegt das gleiche Brot!
Ts ist nun doch ein Nnfang da,
Den wir begrüßen mit Hurra,
Hängt auch noch manches drum und dran,
was wenig nur gefallen Kann.
Nur weiter auf dem gleichen Grund,
Dann Konimt auch noch die große Stund,
wo alles rings im Deutschen Neich
Nn Pflichten ist und Rechten gleich. UI.
Hamborg bei St.Pauli,
im April.
Werte Redakschon!
Also wir sitzen neu-
lich beisammen in mein
internatschonalesLokal
und klöhneu über die
Nahrungsmittel - Ver-
sorgung und wollen
auch was tun und be-
0 schließen, auf genossen-
schaftlichem Weg ein
paar Bauplätze zu pachten und zu Kartoffeln
und Bohnen zu verwerten. Indem aber allens
mit die bekannte deutsche Gründlichkeit gemacht
werden muß, wählen wir einen Statutenaus-
schuß, einen provisorischen Vorstand, einen pro-
visorischen Aufsichtsrat und eine provisorische
Beschwerdekvmmission, und weil wir bei die
Gründung gerade unser sieben sind, so kriegt
nämlich jeder gleich ’it paar Postens ab, was
für die Lebensfähigkeit des Vereins gut ist, in-
dem dann nämlich keine Streberei nicht ein-
reißen kann. Nur über den Namen von die
nützliche Vereinigung sind wir in eine sehr
bewegte Diskuschon geraten mit freundschaft-
lich-genossenschaftliche Verbalinschurien, wie
die Afskaten sagen, und wurde auch mit die
Hände auf den Tisch geschlagen und allge-
mein durcheinander geredet, wie das bei die
Wichtigkeit des Namens jümmers ist. Ta auf
einmal kommt von die Tür her eine Stimme:
„Dicke Kartoffel ist der rechte Name, denn
die kriegt ihr, dazu seid ihr dumm genug!"
In allgemeine Entrüstung springen wir aus
und wollen gegen diesen Beleidiger von unsere
Korporalschon angehen, da sehen wir, daß es
ein Mariner ist, nämlich mein, lieber Nevöh!
Damit war das Thema verlassen und die
Statutenkommission in Verbindung mit Vor-
stand und Anfsichtsrat wurde mit die passende
Namenssuche beauftragt. Der Mariner bekam
erst seinen Grog und dann mußte er erzählen.
Nämlich er hatte einen Verpustungsurlaub von
acht Tage bekommen, den er im Schoße seiner
Familie, wo aus mir besteht, verleben soll, um
dann zu neuen Heldentaten auszuziehen, wie
er sagte, denn der Bengel hat ein geläufiges
Mundwerk und spricht wie ein Buch. Man
habe ihn, erzählte mein Nevöh, nach Flandern
geschickt, wo er als Amphibium bald auf dem
Wasser, bald auf dem Land, meistens aber im
Schlamm seine Taten verrichtet habe, von die
er aber nicht sprechen dürfe, weil sie ein wich-
ligcs strategisches Geheimnis seien. Als Aus-
zeichnuüg sei seine Versetzung auf ein Unter-
seeboot erfolgt, und da habe er was erlebt —
oha!
„Swartmuul," habe sein Kapitän zu ihm ge-
sagt, als sie den Kanal längs schipperten,
„Swartmuul, Sie sind 'n Kerl, der in die Welt
paßt und was gesehen hat. Wie meinen Sie,
daß wir den Engelschmann am besten packen
können?" In strammer Haltung habe er, der
Nevöh nämlich, entgegnet: „Zu Befehl, Herr
Kapitänleutnant, in die Irische See, wo ich
kenne wie meine Hosentasche." „Danke sehr!
Also gehen wir rechts um die Ecke rum in die
Irische See." Und nun die eigenen Worte von
meinem Nevöh, wo in die Weltgeschichte kom-
men müssen:
„Also wir kamen in die Irische See und
hielten Ausguck, ich immer am Periskop mit
meine scharfen Augen, aber es war nichts; der
Engelschmann hatte ivohl so 'ne Ahnung und
ging nicht aufs Wasser. Ich also zum Kom-
mandanten gesagt, wir müßten doch wohl in
den Mersey und nach Liverpool, um Kund-
schaft einzuziehen. Ja, meinte er, mit nach-
denklichem Kopfkratzen, das wäre schon recht,
aber das Periskop dürften wir nicht zeigen und
wären somit blind. Ich aber: „Zu Befehl, Herr
Kapitänleutnant, abcrst wo man nicht sehen
kann, kann man hören, und ich habe ein so
feines Ohr, daß ich im Hamburger Elbtunnel
es ganz genau verstand, wenn oben;n paar
Ewerführer über den Schlepper schimpsten."
„Ja, wenn das so ist, denn man 'rinn in den
Mersey," sagte der Kommandant. Worauf wir
mit eingezogenem Periskop nach Liverpool
unterseeten, mittenmang die Stihmers, aber
auf dem Grund. Ich also war im Turm beim
Kommandanten, spitzte die Horchlappen, und
richtig, ich verstand allens, was die Shippers
von den Vieh- und sonstigen Dampfern ein-
ander zugröhllen über die „damned Germans“
und von dem Kurs, wo man nehmen müsse,
um sicher nach Belfast zu kommen, und wann
sie abfahren wollten, und so, und der Kom-
mandant überlegte, welches Fahrzeug er sich
zuerst holen wolle, und welches als zweites.
Worauf ich mir erlaubte, zu sagen: „Zu Be-
fehl, HerrKapitänleutnant, aberst für die Mann-
schaft möchte ich bitten, daß wir uns zu aller-
erst den ,Tipsy Jack' langen, denn der hat
eine Ziehharmonika an Bord; ich habe gehört,
daß sie im Mannschaftslogis gespielt wurde."
„Gut!" sagte der Kommandant, „m. w.!" Sechs
Stunden später tauchten wir draußen neben
dem „Tipsy Jack" auf und hießen die Mann-
schaft in die Boote gehen. Richtig kam der
Koch mit'ner Ziehharmonika unterm Arm aus
die Kombüse und wollte damit abziehen. Aberst
ich war mit die Sprenggruppe an Bord des
„Tipsy Jack" und sagte: „No, Mister English-
man, dies Instrument wird requiriert, don't
you understand?“ Und er verstand! „Tipsy
Jack" lag zehn Minuten später am Grund der
Irischen See und wir hatten gleich darauf
Konzert an Bord unseres Bootes. Da kam der
Kommandant und sagte: „Jungs, laßt das sein!
Der Engelschmann könnte uns hören!" Je-
doch ich ontgegnete: „Zu Befehl, Herr Kapilün-
leutnant, aber dieses hat keine Gefahr. Denn
durch Stahlplatten und noch zehn Meter Wasser
hindurch hört kein Engelschmann nicht; dieses
ist eine besondere Naturgabe von mir und im
Elbtunnel ausgebildet." Und als Beiveis für
die Wahrhaftigkeit dieser Geschichte lege ich
die zur guten Prise erklärte Harmonika hier-
mit auf den Tisch des Hauses . .."
So schloß mein Nevöh dieses Kapitel der
Seekriegsgeschichte, und wir betrachteten mit
Verehrung das eroberte Instrument, und mein
Nevöh hielt mir das Glas hin zum Füllen,
was ich mit Hochachtung tat. Denn man freut
sich, wenn man in der Familie solche Ohren
hat. Wenn die werte Redakschon ein Dokument
verlangt, so lege ich dem nächsten Brief eine
Photografie der Ziehharmonika bei.
Für heute Schluß nnt Gruß!
Claus Swartmuul,
Fleegenwirt und Heldenonkel.
Drückeberger.
Die Gemeinde Plastau bei Goslar zeigte bei
der Aufnahme der Getreidevorräte statt 1100
Zentner ungedroschenen Roggens nur 89 Zent-
ner an. Es ist klar, daß ein solches Verhalten
nur von Bescheidenheit diktiert war; die biede-
ren Plastauer wollten nur die ärmeren Gemein-
den im Reich nicht neidisch machen. Wenn die
Behörde diese Tat öffentlich bekannt machte,
so geschah das nur, um sie nach Gebühr zu ver-
herrlichen; und wenn sie dabei das bekannte
Wort zitierte: „Nun wollen wir sie dreschen!"
so meinte sie dabei beileibe nicht die Plastauer
Bauern, sondern nur — ihren Roggen!
Vereins-Gründungen.
Um einem tiefgefühlten Bedürfnis abzuhelfen,
hat man in Berlin eine „Freie Vaterländische
Vereinigung" gegründet.Demnächstwerdennoch
folgende Vereine aus der Taufe gehoben werden:
Verein der Hindenburg-Autographensammler;
Verein der Wirtshaus-Strategen;
Verein der Miesmacher;
Verein der Liebhaber von Höchstpreisen;
Verein der Gegner von Höchstpreisen;
Verein der Kriegs-Lyriker;
Verein der Annexionsforderer;
Verein der Protestler gegen den Ein-Uhr-Nacht-
schluß in Berlin;
Verein der Blut- und Eisen-Redakteure;
Verein derer, die nichts vergessen und nichts
hinzugelernt haben.
Das Linheitsbrot.
wer hätte das noch jüngst gedacht:
Der „Zukunftsstaat" kam über Nacht!
Zu Leibe geht's der bleichen Not,
Venn jeder kriegt das gleiche Brot!
Ts ist nun doch ein Nnfang da,
Den wir begrüßen mit Hurra,
Hängt auch noch manches drum und dran,
was wenig nur gefallen Kann.
Nur weiter auf dem gleichen Grund,
Dann Konimt auch noch die große Stund,
wo alles rings im Deutschen Neich
Nn Pflichten ist und Rechten gleich. UI.
Hamborg bei St.Pauli,
im April.
Werte Redakschon!
Also wir sitzen neu-
lich beisammen in mein
internatschonalesLokal
und klöhneu über die
Nahrungsmittel - Ver-
sorgung und wollen
auch was tun und be-
0 schließen, auf genossen-
schaftlichem Weg ein
paar Bauplätze zu pachten und zu Kartoffeln
und Bohnen zu verwerten. Indem aber allens
mit die bekannte deutsche Gründlichkeit gemacht
werden muß, wählen wir einen Statutenaus-
schuß, einen provisorischen Vorstand, einen pro-
visorischen Aufsichtsrat und eine provisorische
Beschwerdekvmmission, und weil wir bei die
Gründung gerade unser sieben sind, so kriegt
nämlich jeder gleich ’it paar Postens ab, was
für die Lebensfähigkeit des Vereins gut ist, in-
dem dann nämlich keine Streberei nicht ein-
reißen kann. Nur über den Namen von die
nützliche Vereinigung sind wir in eine sehr
bewegte Diskuschon geraten mit freundschaft-
lich-genossenschaftliche Verbalinschurien, wie
die Afskaten sagen, und wurde auch mit die
Hände auf den Tisch geschlagen und allge-
mein durcheinander geredet, wie das bei die
Wichtigkeit des Namens jümmers ist. Ta auf
einmal kommt von die Tür her eine Stimme:
„Dicke Kartoffel ist der rechte Name, denn
die kriegt ihr, dazu seid ihr dumm genug!"
In allgemeine Entrüstung springen wir aus
und wollen gegen diesen Beleidiger von unsere
Korporalschon angehen, da sehen wir, daß es
ein Mariner ist, nämlich mein, lieber Nevöh!
Damit war das Thema verlassen und die
Statutenkommission in Verbindung mit Vor-
stand und Anfsichtsrat wurde mit die passende
Namenssuche beauftragt. Der Mariner bekam
erst seinen Grog und dann mußte er erzählen.
Nämlich er hatte einen Verpustungsurlaub von
acht Tage bekommen, den er im Schoße seiner
Familie, wo aus mir besteht, verleben soll, um
dann zu neuen Heldentaten auszuziehen, wie
er sagte, denn der Bengel hat ein geläufiges
Mundwerk und spricht wie ein Buch. Man
habe ihn, erzählte mein Nevöh, nach Flandern
geschickt, wo er als Amphibium bald auf dem
Wasser, bald auf dem Land, meistens aber im
Schlamm seine Taten verrichtet habe, von die
er aber nicht sprechen dürfe, weil sie ein wich-
ligcs strategisches Geheimnis seien. Als Aus-
zeichnuüg sei seine Versetzung auf ein Unter-
seeboot erfolgt, und da habe er was erlebt —
oha!
„Swartmuul," habe sein Kapitän zu ihm ge-
sagt, als sie den Kanal längs schipperten,
„Swartmuul, Sie sind 'n Kerl, der in die Welt
paßt und was gesehen hat. Wie meinen Sie,
daß wir den Engelschmann am besten packen
können?" In strammer Haltung habe er, der
Nevöh nämlich, entgegnet: „Zu Befehl, Herr
Kapitänleutnant, in die Irische See, wo ich
kenne wie meine Hosentasche." „Danke sehr!
Also gehen wir rechts um die Ecke rum in die
Irische See." Und nun die eigenen Worte von
meinem Nevöh, wo in die Weltgeschichte kom-
men müssen:
„Also wir kamen in die Irische See und
hielten Ausguck, ich immer am Periskop mit
meine scharfen Augen, aber es war nichts; der
Engelschmann hatte ivohl so 'ne Ahnung und
ging nicht aufs Wasser. Ich also zum Kom-
mandanten gesagt, wir müßten doch wohl in
den Mersey und nach Liverpool, um Kund-
schaft einzuziehen. Ja, meinte er, mit nach-
denklichem Kopfkratzen, das wäre schon recht,
aber das Periskop dürften wir nicht zeigen und
wären somit blind. Ich aber: „Zu Befehl, Herr
Kapitänleutnant, abcrst wo man nicht sehen
kann, kann man hören, und ich habe ein so
feines Ohr, daß ich im Hamburger Elbtunnel
es ganz genau verstand, wenn oben;n paar
Ewerführer über den Schlepper schimpsten."
„Ja, wenn das so ist, denn man 'rinn in den
Mersey," sagte der Kommandant. Worauf wir
mit eingezogenem Periskop nach Liverpool
unterseeten, mittenmang die Stihmers, aber
auf dem Grund. Ich also war im Turm beim
Kommandanten, spitzte die Horchlappen, und
richtig, ich verstand allens, was die Shippers
von den Vieh- und sonstigen Dampfern ein-
ander zugröhllen über die „damned Germans“
und von dem Kurs, wo man nehmen müsse,
um sicher nach Belfast zu kommen, und wann
sie abfahren wollten, und so, und der Kom-
mandant überlegte, welches Fahrzeug er sich
zuerst holen wolle, und welches als zweites.
Worauf ich mir erlaubte, zu sagen: „Zu Be-
fehl, HerrKapitänleutnant, aberst für die Mann-
schaft möchte ich bitten, daß wir uns zu aller-
erst den ,Tipsy Jack' langen, denn der hat
eine Ziehharmonika an Bord; ich habe gehört,
daß sie im Mannschaftslogis gespielt wurde."
„Gut!" sagte der Kommandant, „m. w.!" Sechs
Stunden später tauchten wir draußen neben
dem „Tipsy Jack" auf und hießen die Mann-
schaft in die Boote gehen. Richtig kam der
Koch mit'ner Ziehharmonika unterm Arm aus
die Kombüse und wollte damit abziehen. Aberst
ich war mit die Sprenggruppe an Bord des
„Tipsy Jack" und sagte: „No, Mister English-
man, dies Instrument wird requiriert, don't
you understand?“ Und er verstand! „Tipsy
Jack" lag zehn Minuten später am Grund der
Irischen See und wir hatten gleich darauf
Konzert an Bord unseres Bootes. Da kam der
Kommandant und sagte: „Jungs, laßt das sein!
Der Engelschmann könnte uns hören!" Je-
doch ich ontgegnete: „Zu Befehl, Herr Kapilün-
leutnant, aber dieses hat keine Gefahr. Denn
durch Stahlplatten und noch zehn Meter Wasser
hindurch hört kein Engelschmann nicht; dieses
ist eine besondere Naturgabe von mir und im
Elbtunnel ausgebildet." Und als Beiveis für
die Wahrhaftigkeit dieser Geschichte lege ich
die zur guten Prise erklärte Harmonika hier-
mit auf den Tisch des Hauses . .."
So schloß mein Nevöh dieses Kapitel der
Seekriegsgeschichte, und wir betrachteten mit
Verehrung das eroberte Instrument, und mein
Nevöh hielt mir das Glas hin zum Füllen,
was ich mit Hochachtung tat. Denn man freut
sich, wenn man in der Familie solche Ohren
hat. Wenn die werte Redakschon ein Dokument
verlangt, so lege ich dem nächsten Brief eine
Photografie der Ziehharmonika bei.
Für heute Schluß nnt Gruß!
Claus Swartmuul,
Fleegenwirt und Heldenonkel.
Drückeberger.
Die Gemeinde Plastau bei Goslar zeigte bei
der Aufnahme der Getreidevorräte statt 1100
Zentner ungedroschenen Roggens nur 89 Zent-
ner an. Es ist klar, daß ein solches Verhalten
nur von Bescheidenheit diktiert war; die biede-
ren Plastauer wollten nur die ärmeren Gemein-
den im Reich nicht neidisch machen. Wenn die
Behörde diese Tat öffentlich bekannt machte,
so geschah das nur, um sie nach Gebühr zu ver-
herrlichen; und wenn sie dabei das bekannte
Wort zitierte: „Nun wollen wir sie dreschen!"
so meinte sie dabei beileibe nicht die Plastauer
Bauern, sondern nur — ihren Roggen!
Vereins-Gründungen.
Um einem tiefgefühlten Bedürfnis abzuhelfen,
hat man in Berlin eine „Freie Vaterländische
Vereinigung" gegründet.Demnächstwerdennoch
folgende Vereine aus der Taufe gehoben werden:
Verein der Hindenburg-Autographensammler;
Verein der Wirtshaus-Strategen;
Verein der Miesmacher;
Verein der Liebhaber von Höchstpreisen;
Verein der Gegner von Höchstpreisen;
Verein der Kriegs-Lyriker;
Verein der Annexionsforderer;
Verein der Protestler gegen den Ein-Uhr-Nacht-
schluß in Berlin;
Verein der Blut- und Eisen-Redakteure;
Verein derer, die nichts vergessen und nichts
hinzugelernt haben.