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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0118
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Drei wackre Brüder, frischjunges Blut,

Den Sinn voll Lösten, das Lerz voll Mut,
Die haben dem Vaterland sich gestellt.
Freiwillig zogen sie aus ins Feld.

Sie haben sich auch im Krieg nicht getrennt:
Sie dienten beim gleiche» Regiment,

Sie standen bei gleicher Batterie —

So treulich hielten zusammen sie!

Die drei Brüder.

Sie haben gestritten in mancher Schlacht,

Ihr Donner hat in den Feind gekracht,

And war das blutige Ringen vorbei.

Da reichten sich freudig die Land die drei.

Doch einstmals, schwarz steht umrändert der Tag,
Tat auch der Feind seinen Donnerschlag,
Eine Bombe schlug in die Batterie,

Daß ringsum Tod und Verderben spie.

And als verzogen der Pulverdampf,

Da lag der eine im Todeskampf;

Es floß dahin sein Blut so rot —

Da lag der jüngste der Brüder tot!

Still Huben ihn auf die andern zwei
And trugen ihn fort und weinten dabei;
Sie gruben im Walde ein tiefes Grab
And senkten ihn unter Tränen hinab.

Nun liegt er dort unten zur ewigen Ruh', Doch wortlos stellten sich wieder die zwei

Kanonen brüllen den Segen dazu — Zu Kampf und Tod in der Andern Reih'. Ernst Klaar.

-o-

Der feldgraue Sämann.

Namen des Grafen längst das ominöse Kreuz-
zeichen stand?"

Der andere zuckte die Achseln. „Möglich ist es
schon. Warum stellte er sich auch in den Weg!"

Sie verabschiedeten sich. Während der Ge-
neral sich den Gemächern des Zaren näherte,
flogen durch sein Hirn einige Bilder: die Er-
gebnisse dieses russischen Systems der politischen
Morde. Bilder voll Blut und Grauen. Aber
der General lächelte, wenn er an die Wirkung
dieses Systems für daS heilige Rußland dachte.
Zuerst tauchten die polnischen Opfer des Grafen
Murawjew auf: die Bevölkerung ganzer Städte

und Dörfer hing am Galgen oder — wo das
zu lange dauerte — an den Bäumen der Alleen.
Dann dachte er an Sibirien, das nur dadurch
russisch wurde, daß man dort ein paar Dutzend
Häuptlinge ermordete. Der Emir von Buchara,
der Rußlands Protektorat nicht anerkennen
ivollte, ivnrde abgesetzt. In Persien, Turkestan,
der Mandschurei, in Korea, überall waren die
widerspenstigen Politiker mit Gift, Dolch, Re-
volver oder Bombe beseitigt worden. In Bul-
garen mußte Stambulow fallen, in Serbien
Alexander, in Serajewo ... Eine lange blutige
Reihe zog vorüber. Sie war endlos, zählte man
die heimischen Opfer hin-
zu, die Kleinen unten im
Volk und die Großen bis
hinauf zum Zaren.

Ja, bis hinauf zum
Zaren! Und ein böses
Lächeln überflog das Ge-
sicht des Generals, der
nun vor der Tür deS
Audienzzimmers stand,
in dem er seinem aller-
höchsten Herrn Vortrag
über einige im Heer vor-
gekommene Meutereien
halten sollte.. . .

Schwärmer.

. Auf einem großen Um-
wege, unter Strapazen
und mit großen Kosten,
war Kurtjow, der ver-
bannte Revolutionär,
aus dem Exil nach Ruß-
land zurückgekehrt. Müt-
terchen Rußland rief den
' verstoßenen Sohn zurück.
O, er wußte.genau: die
Heimat würde ihn jetzt
freudig in ihren Schoß
aufnehmen. Davon hatte
er während der ganzen
langen Fahrt geträumt.
Die Meldung von der
Amnestie, die derZar er-
lassen, hatte seine Seele
aufgerührt. Nun waren
die alten schlimmen Zei-
tenvorüber.Und in treuer
Zusammenarbeit wür-
den der Zar und das
Volk ihr gemeinsames
Vaterland denZielen der
Nach Sodler. Kultur entgegenführen.

Russische Bilder.

Der Schrecke».

Durch die Korridore des Winterpalastes ging
ein Raunen von Mund zu Mund. Die Diener
horchten an den Türen, die zu den Zimmern
des Zaren führten, und prallten erschreckt zu-
rück, wenn die Tür plötzlich aufgerissen wurde
und ein hoher Würdenträger herausstürmte.
Aber niemand achtete auf sie, jeder schien von
von einem großen Ereignis in Anspruch ge-
nommen zu sein, das alle in Atem hielt.

„Ist es wahr, Väterchen?" fragte der junge
Diener den älteren Kol-
legen, „der Graf soll im
Vorzimmer des Zaren
ermordet — —"

„Pst!" unterbrach ihn
der Alte, „wahre deine
Zunge!"

„Aber sie sagen es doch
alle."

DerAltelächelte:„Hier
wird niemand ermordet.

Hier stirbt man höchstens
am Herzschlag. So ist
auch der unvorsichtige
Graf gestorben."

„Unvorsichtig?"

„Ja, weil er gegen die
Großfürsten ausgetreten
ist und gegen die heilige
Kirche, zu der wir alle
anderen Europäer be-
kehren wollen —"

EinweißbärtigerHerr,
von zwei Leibkosaken ge-
leitet, durchschritt den
Korridor. Der Leibarzt
des Zaren. Ein General
trat auf ihn zu und fragte
lächelnd: „Nun?"

Auch der Arzt lächelte:

„Nichts Besonderes. Die
übliche Krankheit Seiner
Majestät bei solchen Er-
eignissen: Weinkrampf.
Aberesistschonvorüber "

„Natürlich bei so guter
Hilfe."

„O bitte," ivehrte der
Arzt ab. „Aber sagen Sie,

Exzellenz" — er dämpfte
seine Stimme zuin Flü-
stern —, „ist es wahr, daß
in der Liste hinter dem

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