8676 —
Kirdorf — Sydow.
Wie kommen Sie mir vor, mein Herr Minister,
Sie zetteln an ein Techtel-Mechtel mit den Führern
Der Bergarbeiter, um uns reinzulegen!?
Sie haben Mut, mein Herr, und sind verwegen.
Wohin der Dusel führt, weih bald ein jeder,
Nur der Minister nicht für Handel und Gewerbe:
Mehr Lohn für wenig Arbeit, 's ist zum Lachen,
Und den Profit woll'n Hue und Sachse machen!
Gottlob, noch herrschen Wir auf Unfern Werken,
Und Trumpf bei uns sind immer noch die Batzen.
Mil Einigungsdusel ist nichts zu gewinnen,
Drum packen Sie gefälligst sich von hinnen.
Wir lassen uns nicht an den Wimpern klimpern,
Wir bleiben unentwegt auf unfern Werken sitzen
Und halten fest verschlossen unsre Pforten.
Mit Gruh, ergebenst Kirdorf und Konsorten.
O
Die Damen.
Auf dem Amweg über Italien beziehen deutsche
Modedamen Pariser Frllhjahrshüte.
Lurra! Der neue Lut ist da!
Er kostet zwar 'ne Menge Kies,
Doch dazu haben wir es ja —
Für den Saisonhut aus Paris.
Wir Damen sind uns immer gleich:
Erstickt die Welt auch rings im Blut,
Es macht das Lerz uns pflaumenweich
Ein echt Pariser Frühjahrshut.
Ihr Krieger, die im harten Schritt
Dort fern marschiert, nehmt doch Paris,
Bringt uns ein paar Modelle mit
Aus unserm Modeparadies!
Nach allen Kämpfen, tiefergrimmt.
War' das der köstlichste Gewinn —
Der Sieg, wenn man es richtig nimmt.
Lat doch erst dann den rechten Sinn....
Der Daheimgebliebene
und der von draußen.
Ein Daheimgeblicbencr hatte mit einem, der
draußen gewesen war, eine „Patrouillenreise"
durch ganz Deutschland gemacht, und der Da-
heimgebliebene war außerordentlich stolz auf
das, ivas sie dabei alles gesehen hatten. Sie
waren in großen Fabriken, auf kleinen Guts-
höfen, in den Straßen riesiger Städte und auf
den Marktplätzen kleiner Dörfer gewesen.
„Was sagst du nun ?" sprach mit fester, männ-
licher Stimme der Daheimgebliebene, „alle Rä-
der laufen, alle Felder werden bestellt, der
Wagen des Fuhrmanns fährt die Straße ent-
lang und jeder Zug hält seinen Fahrplan auf
die Minute ein. Die Kinder gehen in die Schule
und die Väter zum Abendschoppen, auf dem
Baum singt die Amsel und auf dem Brettl die
Diva, -- haben wir uns nicht großartig an
den Krieg gewöhnt?"
Der von draußen sagte aber nichts. Er strich
mit seiner zerschossenen und noch kaum geheil-
ten Hand über die Stirn und sah erstaunt in
dieser angewöhnten Welt umher.
Der Daheimgebliebene fuhr mit erhobener
Stimme fort: „Das mußt du doch anerkennen,
darin liegt auch eine Tapferkeit! Diese An-
passungsfähigkeit ist doch einfach großartig!
Wir essen Kriegsbrot, trinke» weniger Bier,
Kaviar gibt es überhaupt nicht mehr — und
dennoch leisten wir das alles. Unsere Theater
spielen, gute Konzerte werden gegeben, wir
haben sogar im Kleinen unfern Karneval ge-
habt, und so haben wir weniger Arbeitslose als
gewöhnlich. Ist das nicht einfach großartig?"
Der von draußen sagte immer noch nichts,
und der andere sah in diesem Schweigen eine
gewisse Verständnislosigkeit, eine Dickfelligkeit,
die ihm auf die Nerven ging. Darum fuhr er
fort: Siehst du, unsere Angewöhnung geht so
weit, daß unsere ersten Zeitschriften nicht nur
vom Krieg schreiben. Da findest du Aufsätze
über alte Meister und neue Porzellansiguren,
Romane, die dir wunderbar schildern, wie die
Lili den Artur küßt, und wenn einer dem an-
dern ein paar Hosenträger stiehlt, so halten
wir eine Gerichtssitzung darüber ab und be-
richten es im Lokalblättchen. So sehr haben
wir uns an den Krieg gewöhnt, daß wir an
alles andere fast wie sonst denken können. Siehst
du, darin liegt diese gediegene, solide Volks-
kraft, das ist einzig, das ist unser Werk!"
Der Daheimgebliebene hatte sehr laut ge-
sprochen und erwartete unbedingt eine An-
erkennung. Aber der von draußen sagte erst
nach Minuten etwas, und er sprach langsam
und einfach:
„Sehr wahr, sehr wahr! Aber das mußt
du anerkennen, auch wir haben uns an den
Ein Sozialreformer.
Bildnis des Herrn Medizinalrats Lebcrccht Meier,
Verfasser der preisgekrönten Schriften: „Fleischgenub -
ein Laster" und „Wie ernährt sich der Arbeiter aus-
reichend und gut mit il'/'i Pfennig täglich?"
Krieg gewöhnt; ja, wirklich großzügig! Wir
stehen tagelang im Schlamm, lassen die Schrap-
nellstücke um unsere Köpfe fliegen und ruhen
»ns nach achtundvierzigstündiger Anstrengung
auf kopfgroßen Feldsteinen aus. Dabei gibt
es vielleicht drei Tage und drei Nächte nichts
zu essen. Spaß! Man darf sich nur daran ge-
ivöhnen. Und mau geivöhnt sich. Schau: dem
einen reißt es den Kopf ab, dem andern ein
Loch in den Brustkasten. Manchmal gibt es
nur ein Pünktchen auf der Stirn; du siehst es
kaum, aber es genügt auch. Prächtig haben
wir uns an das gewöhnt. Nur jammerschade,
daß von denen, die sich an das Zerrissenwerden
geivöhnt haben, geivöhnlich nur die Stücke
übrig bleiben — — sonst könnten die Kultur-
völker der Welt diesen Krieg fortsetzen bis
zur nächsten Gletscherperiode. Schade, wirklich
sehr, sehr schade!" F. Sänger.
Gebet des Bruder Jonathan.
Großer Gott im Himmel droben.
Den wir täglich, stündlich loben —
Notabene, wenn nicht grade
Ans die Zeit dazu zu schade —
Lieber Gott im hohen Himmel,
Schau aus dieses Kriegsgetümmel,
Das in so humaner Zeit
Wirklich auf zum Himmel schreit!
Dieses Morden und Verwüsten
Muß dich innerlich entrüsten.
Drum erhör' mein heißes Flehen:
Laß es läitger nicht geschehen!
Sorg', o Herr, daß wieder Frieden
Balde ist der Welt beschieden!
Herr, ich lies're auch Granaten —
Laß die Dinger wohl geraten.
Denn es ist mit solchen Sachen
Jetzt ein gut Geschäft zu machen!
Russen, Briten und Franzosen
Brauchen viel von diesen Chosen,
Zahlen fabelhafte Preise,
Daß es weiter geh' im Kreise.
Deutsche stehen wie die Mauern,
Darum kann's noch lange dauern.
Ob die Völker auch verbluten —
Mir gereicht es sehr zum Guten.
Drum erheb' ich meine Hände:
Mach' dem Krieg noch nicht ein Ende!
Kirdorf — Sydow.
Wie kommen Sie mir vor, mein Herr Minister,
Sie zetteln an ein Techtel-Mechtel mit den Führern
Der Bergarbeiter, um uns reinzulegen!?
Sie haben Mut, mein Herr, und sind verwegen.
Wohin der Dusel führt, weih bald ein jeder,
Nur der Minister nicht für Handel und Gewerbe:
Mehr Lohn für wenig Arbeit, 's ist zum Lachen,
Und den Profit woll'n Hue und Sachse machen!
Gottlob, noch herrschen Wir auf Unfern Werken,
Und Trumpf bei uns sind immer noch die Batzen.
Mil Einigungsdusel ist nichts zu gewinnen,
Drum packen Sie gefälligst sich von hinnen.
Wir lassen uns nicht an den Wimpern klimpern,
Wir bleiben unentwegt auf unfern Werken sitzen
Und halten fest verschlossen unsre Pforten.
Mit Gruh, ergebenst Kirdorf und Konsorten.
O
Die Damen.
Auf dem Amweg über Italien beziehen deutsche
Modedamen Pariser Frllhjahrshüte.
Lurra! Der neue Lut ist da!
Er kostet zwar 'ne Menge Kies,
Doch dazu haben wir es ja —
Für den Saisonhut aus Paris.
Wir Damen sind uns immer gleich:
Erstickt die Welt auch rings im Blut,
Es macht das Lerz uns pflaumenweich
Ein echt Pariser Frühjahrshut.
Ihr Krieger, die im harten Schritt
Dort fern marschiert, nehmt doch Paris,
Bringt uns ein paar Modelle mit
Aus unserm Modeparadies!
Nach allen Kämpfen, tiefergrimmt.
War' das der köstlichste Gewinn —
Der Sieg, wenn man es richtig nimmt.
Lat doch erst dann den rechten Sinn....
Der Daheimgebliebene
und der von draußen.
Ein Daheimgeblicbencr hatte mit einem, der
draußen gewesen war, eine „Patrouillenreise"
durch ganz Deutschland gemacht, und der Da-
heimgebliebene war außerordentlich stolz auf
das, ivas sie dabei alles gesehen hatten. Sie
waren in großen Fabriken, auf kleinen Guts-
höfen, in den Straßen riesiger Städte und auf
den Marktplätzen kleiner Dörfer gewesen.
„Was sagst du nun ?" sprach mit fester, männ-
licher Stimme der Daheimgebliebene, „alle Rä-
der laufen, alle Felder werden bestellt, der
Wagen des Fuhrmanns fährt die Straße ent-
lang und jeder Zug hält seinen Fahrplan auf
die Minute ein. Die Kinder gehen in die Schule
und die Väter zum Abendschoppen, auf dem
Baum singt die Amsel und auf dem Brettl die
Diva, -- haben wir uns nicht großartig an
den Krieg gewöhnt?"
Der von draußen sagte aber nichts. Er strich
mit seiner zerschossenen und noch kaum geheil-
ten Hand über die Stirn und sah erstaunt in
dieser angewöhnten Welt umher.
Der Daheimgebliebene fuhr mit erhobener
Stimme fort: „Das mußt du doch anerkennen,
darin liegt auch eine Tapferkeit! Diese An-
passungsfähigkeit ist doch einfach großartig!
Wir essen Kriegsbrot, trinke» weniger Bier,
Kaviar gibt es überhaupt nicht mehr — und
dennoch leisten wir das alles. Unsere Theater
spielen, gute Konzerte werden gegeben, wir
haben sogar im Kleinen unfern Karneval ge-
habt, und so haben wir weniger Arbeitslose als
gewöhnlich. Ist das nicht einfach großartig?"
Der von draußen sagte immer noch nichts,
und der andere sah in diesem Schweigen eine
gewisse Verständnislosigkeit, eine Dickfelligkeit,
die ihm auf die Nerven ging. Darum fuhr er
fort: Siehst du, unsere Angewöhnung geht so
weit, daß unsere ersten Zeitschriften nicht nur
vom Krieg schreiben. Da findest du Aufsätze
über alte Meister und neue Porzellansiguren,
Romane, die dir wunderbar schildern, wie die
Lili den Artur küßt, und wenn einer dem an-
dern ein paar Hosenträger stiehlt, so halten
wir eine Gerichtssitzung darüber ab und be-
richten es im Lokalblättchen. So sehr haben
wir uns an den Krieg gewöhnt, daß wir an
alles andere fast wie sonst denken können. Siehst
du, darin liegt diese gediegene, solide Volks-
kraft, das ist einzig, das ist unser Werk!"
Der Daheimgebliebene hatte sehr laut ge-
sprochen und erwartete unbedingt eine An-
erkennung. Aber der von draußen sagte erst
nach Minuten etwas, und er sprach langsam
und einfach:
„Sehr wahr, sehr wahr! Aber das mußt
du anerkennen, auch wir haben uns an den
Ein Sozialreformer.
Bildnis des Herrn Medizinalrats Lebcrccht Meier,
Verfasser der preisgekrönten Schriften: „Fleischgenub -
ein Laster" und „Wie ernährt sich der Arbeiter aus-
reichend und gut mit il'/'i Pfennig täglich?"
Krieg gewöhnt; ja, wirklich großzügig! Wir
stehen tagelang im Schlamm, lassen die Schrap-
nellstücke um unsere Köpfe fliegen und ruhen
»ns nach achtundvierzigstündiger Anstrengung
auf kopfgroßen Feldsteinen aus. Dabei gibt
es vielleicht drei Tage und drei Nächte nichts
zu essen. Spaß! Man darf sich nur daran ge-
ivöhnen. Und mau geivöhnt sich. Schau: dem
einen reißt es den Kopf ab, dem andern ein
Loch in den Brustkasten. Manchmal gibt es
nur ein Pünktchen auf der Stirn; du siehst es
kaum, aber es genügt auch. Prächtig haben
wir uns an das gewöhnt. Nur jammerschade,
daß von denen, die sich an das Zerrissenwerden
geivöhnt haben, geivöhnlich nur die Stücke
übrig bleiben — — sonst könnten die Kultur-
völker der Welt diesen Krieg fortsetzen bis
zur nächsten Gletscherperiode. Schade, wirklich
sehr, sehr schade!" F. Sänger.
Gebet des Bruder Jonathan.
Großer Gott im Himmel droben.
Den wir täglich, stündlich loben —
Notabene, wenn nicht grade
Ans die Zeit dazu zu schade —
Lieber Gott im hohen Himmel,
Schau aus dieses Kriegsgetümmel,
Das in so humaner Zeit
Wirklich auf zum Himmel schreit!
Dieses Morden und Verwüsten
Muß dich innerlich entrüsten.
Drum erhör' mein heißes Flehen:
Laß es läitger nicht geschehen!
Sorg', o Herr, daß wieder Frieden
Balde ist der Welt beschieden!
Herr, ich lies're auch Granaten —
Laß die Dinger wohl geraten.
Denn es ist mit solchen Sachen
Jetzt ein gut Geschäft zu machen!
Russen, Briten und Franzosen
Brauchen viel von diesen Chosen,
Zahlen fabelhafte Preise,
Daß es weiter geh' im Kreise.
Deutsche stehen wie die Mauern,
Darum kann's noch lange dauern.
Ob die Völker auch verbluten —
Mir gereicht es sehr zum Guten.
Drum erheb' ich meine Hände:
Mach' dem Krieg noch nicht ein Ende!