8760 -
Wie die Struzpi» ihre» Mann gc'olt hat.
(Schluß von Seite 8758.i
Viertelstunde. Schon in den nächsten fünf Mi-
nuten. Schon der Feldgraue dort drüben konnte
es sein.
Er war es nicht. Auch nicht in einer Viertel-
stunde. Auch nicht in einer Stunde. Der Abend
kam, die Strnppin fas; noch immer am Fenster.
Aber noch ehe es dunkel ivurde, stand sie
auf einmal schwer und langsam auf, ivarf einen
langen Blick auf den Gekreuzigten am Kruzifix
im Herrgottswinkel und ging in den Hof. Dort
stand ein Handkarren in der Ecke. Mit einer
dünnen Eisenkette war er an einen rostigen
Ring geschlossen. Die Strnppin löste die Eiseu-
kette und sie machte keinen Griff zu viel. Auch
als sie den Karren nmdrehte und zum Tor
hinausschob, das war alles so sachkundig und
ruhig und hatte beinahe einen leisen 'Anstrich
von Feierlichkeit. Jetzt stolperte der Karren
über das äufgerissene Straßenpflaster.
„Strnppin, ivas tust du mit dein Karren?"
Tie Strnppin gab keine Antwort.
Jetzt >var die Straße durch einen Haufen
von Leichen versperrt.
„Was du mit dem Karren tust, Strnppin?"
Aber die Strupp n schob ihren Karren um
den Leicheuhaufen scharf herum So, da konnte
man die Köpfe sehen. Die Strnppin ließ die
Augen über die Reihen gehen, vorwärts, rück-
ivärts, wieder vorwärts ..., wie man die^eite
eines Buches herunterliest. Dann schob D^ren
Karren wieder weiter. . . .
So — jetzt ivar sie aus dem Dorfe heraus.
Das mar das letzte Schlachtfeld. Leute mit dem
roten Kreuz auf iveißen Binden liefen umher.
„Frau, ivas wollen Sie mit Ihrem Karren?"
„Lassen S' mich gehen!"
„Aber, guteFrau,Sie dürfen nicht mitJhrem
Karren —"
Der Karren holperte schon ein Stück in den
Feldweg hinein und blieb hinter einer kleinen
Weide stehen.
Und daun sah man eine stille Frau über das
Schlachtfeld gehen. Da, ivo Franzosen lagen,
ging sie rasch vorbei, Aber ivo es grau >var,
feldgrau, blieb sie stehen und suchte. Darauf
kam sie ivieder zurück zum Karren und schob
ihn ein Stück weiter, wo die vom Roten Kreuz
die Arbeit noch nicht aufgeuommen hatten.
Sie war die erste hier.
Und wieder ging sie von Rot zu Grau, von
Grau zu Rot. Und es war keine Hast in ihrem
Suchen. Nur sah sie einmal besorgt nach
dem Abendhimmel, der schon dunkel werden
ivollte.
'Als sie auss neue zu suchen begann, kam es
ivie eine Erlösung über die eckigen, starren Be-
wegungen. Irgend etivas fesselte sie, sie kniete
nieder, schien zu sprechen, schob einen Helm
zurück, und jetzt verstand man deutlich: „Max!
Mein Max!" Und der Klang war nicht viel
anders als im Frieden, wenn sie mit ihrem
Manne sprach.
Dann sah sie auf. Der Karren war nur ein
paar Schritte weit. Sie schob ihn herüber. Es
ivar schwer. Da lagen die Füße eines Toten
im Weg. 'Aber der Strnppin Karren machte
einen Ruck, und weg war er über die Jnfan-
teriestiefel.
Und daun hat die Struppin ihren toten
Mann aufgeladen und hat ihn fortgefahren.
Nach Hause. . . .
Die Schipper-Bataillone.
v.n klriur Stahl, im Leide.
Oer Schipper ist ein Ukann von Ivelt
vom Kopf bis zu den Füßen,
Und wenn euch seine Urt gefällt,
So läßt er bestens grüßen.
Tr ist sehr brauchbar als Soldat
Nicht nur in Uussijch-Polen,
Man pflegt den Schipper in der Tat
Uach Frankreich auch zu holen.
vielseitig ist, wie sein Deruf,
Uuch hier sein Tun und Lassen:
Oer Dichter selbst, der Verse schuf,
Hat kräftig anzufassen.
Oer Doktor, der Sanskrit einst las,
Zieht jetzt die blanke Säge,
Der Zahnarzt fällt, es ist kein Spaß,
Den Daum durch wucht'ge Schläge.
Der Künstler, der dem Wimmerholz
Manch zarten Ton entlockte,
Der Maler, der mit großem Stolz
vor seiner Landschaft hockte,
Sie reichen brüderlich die kjand
Den Leuten aus dem kjandwsrksstand
Und tragen gleiche Uleider
wie Schuster, Schmied und Schneider.
Und ist die Zeit der Ernte gar,
Uann man sie gut verwenden;
Denn mancher Schipper hat fürwahr
Noch Urast in seinen yänden.
Tr führt die Sense, wendet ljen,
Fährt Mist und füttert Pferde,
Damit er, wenn der Urieg vo.bei,
In allem Meister werde.
Uach Fricdensschluß spricht er zum Weib:
Schmeiß fort den alten Krempel,
wir gründen uns zum Zeitvertreib
Jetzt einen neuen Tempel!
was brauchen wir den vielen Tand?
Ich Hab' ihn gründlich dicke,
wir baun uns einen Unterstand
Mit Spaten und mit picke!
wir kaufen uns ein Rittergut
von hundertsünfzig Ellen,
Denn ich versteh den Doden gut
Ertragreich zu bestellen!
Die Stadtluft reizt mich gar nicht mehr,
Einseitig war mein Treiben,
Drum will ich — wie beim Militär —
Ein Uckerbürger bleiben!
G3&
Lieber Wahrer Jacob!
Landsturminann Meyer III ist auf Urlaub
und erzählt:
-Jehn Se mir ab mit de Sprachführer!
Zu nischt sind se zu jebrauchen, zu nischt! Sehn
Se, kam ick da kurz vor Weihnachten im Westen
bei 'ne alte französische Jräfin ins Quartier.
Piekfeine Aufnahme, jeberfter Tisch. „Wuhle-
wuh manschet)?" So viel hat man nu schon
jelerut, bet bet heeßt: „Woll'n Se wat zu essen
haben?" I, denk ick, hier kannste aussuchen, und
überjehe so im Jeiste meine Lieblingsjerichte:
Kartoffelpuffer oder Eisbein mit Sauerkohl.
Ick also ran an meinen Sprachführer, wo
allens alphabetisch drin sein soll. Pustekuchen
— nich zu finden! Jrade de Hauptsache steht
uich drin. 'Also nischt zu machen! Ick krame
mein biske» Französisch aus und sage: „Tut-
mämschooß — janz ejal!"
Wat allens so 'ne französische Jräfin zu-
sammenfrißt! Wie Kraut und Rüben! Ick
wurde ja satt, aber allcus kann 'u tapfrer
Laudsturmmauu eben ooch nich vertragen. Mir
wurmte bet mit eenem Male janz eklich in'n
Magen. „Madmoasäl," sagte ick, „mir is janz
anders, ivo is denn hier — "
Sehn Se, nu wußte ick nich weiter. Ick
blättre in meinen Sprachführer immer zehn
Seiten uff eeumal. Mir looft schon der Angst-
schweiß von de Stirn. Endlich finde ick den
Namen uff de zweenhundertsiebzigste Seite —
nu war't aber zu spät!!-
Lassen Se mich aus mit de Sprachführer!
Atineedeutsch.
Bekanntlich wimmelt es im Heereswesen von
französischen Ausdrücken. Da man im gewöhn-
lichen Leben allem 'Ausländischen zu Leibe geht,
sollte man im Kriegswesen darin geradezu vor-
bildlich sein. Und das ist mit einigem guten
Willen sehr leicht:
Die llnteroffiziere heißen Svldatenunter;
Die Offiziere Soldatenober.
Dementsprechend:
Sergeant — Soldatenoberunter,
Leutnant — Soldatenunterober,
Major — Soldatenüberober,
Ordonnanz — Läufer,
Adjutant — Überläufer usw.
Es geht eben alles, wie mein verehrter Lehrer,
der Literaturprofessor Christlieb Wackelzopf,
zu sagen pflegte: „Unser deutsches Idiom ist
so flexibel, daß wir alles Exotische leicht ver-
meiden können." P. R.
Wie die Struzpi» ihre» Mann gc'olt hat.
(Schluß von Seite 8758.i
Viertelstunde. Schon in den nächsten fünf Mi-
nuten. Schon der Feldgraue dort drüben konnte
es sein.
Er war es nicht. Auch nicht in einer Viertel-
stunde. Auch nicht in einer Stunde. Der Abend
kam, die Strnppin fas; noch immer am Fenster.
Aber noch ehe es dunkel ivurde, stand sie
auf einmal schwer und langsam auf, ivarf einen
langen Blick auf den Gekreuzigten am Kruzifix
im Herrgottswinkel und ging in den Hof. Dort
stand ein Handkarren in der Ecke. Mit einer
dünnen Eisenkette war er an einen rostigen
Ring geschlossen. Die Strnppin löste die Eiseu-
kette und sie machte keinen Griff zu viel. Auch
als sie den Karren nmdrehte und zum Tor
hinausschob, das war alles so sachkundig und
ruhig und hatte beinahe einen leisen 'Anstrich
von Feierlichkeit. Jetzt stolperte der Karren
über das äufgerissene Straßenpflaster.
„Strnppin, ivas tust du mit dein Karren?"
Tie Strnppin gab keine Antwort.
Jetzt >var die Straße durch einen Haufen
von Leichen versperrt.
„Was du mit dem Karren tust, Strnppin?"
Aber die Strupp n schob ihren Karren um
den Leicheuhaufen scharf herum So, da konnte
man die Köpfe sehen. Die Strnppin ließ die
Augen über die Reihen gehen, vorwärts, rück-
ivärts, wieder vorwärts ..., wie man die^eite
eines Buches herunterliest. Dann schob D^ren
Karren wieder weiter. . . .
So — jetzt ivar sie aus dem Dorfe heraus.
Das mar das letzte Schlachtfeld. Leute mit dem
roten Kreuz auf iveißen Binden liefen umher.
„Frau, ivas wollen Sie mit Ihrem Karren?"
„Lassen S' mich gehen!"
„Aber, guteFrau,Sie dürfen nicht mitJhrem
Karren —"
Der Karren holperte schon ein Stück in den
Feldweg hinein und blieb hinter einer kleinen
Weide stehen.
Und daun sah man eine stille Frau über das
Schlachtfeld gehen. Da, ivo Franzosen lagen,
ging sie rasch vorbei, Aber ivo es grau >var,
feldgrau, blieb sie stehen und suchte. Darauf
kam sie ivieder zurück zum Karren und schob
ihn ein Stück weiter, wo die vom Roten Kreuz
die Arbeit noch nicht aufgeuommen hatten.
Sie war die erste hier.
Und wieder ging sie von Rot zu Grau, von
Grau zu Rot. Und es war keine Hast in ihrem
Suchen. Nur sah sie einmal besorgt nach
dem Abendhimmel, der schon dunkel werden
ivollte.
'Als sie auss neue zu suchen begann, kam es
ivie eine Erlösung über die eckigen, starren Be-
wegungen. Irgend etivas fesselte sie, sie kniete
nieder, schien zu sprechen, schob einen Helm
zurück, und jetzt verstand man deutlich: „Max!
Mein Max!" Und der Klang war nicht viel
anders als im Frieden, wenn sie mit ihrem
Manne sprach.
Dann sah sie auf. Der Karren war nur ein
paar Schritte weit. Sie schob ihn herüber. Es
ivar schwer. Da lagen die Füße eines Toten
im Weg. 'Aber der Strnppin Karren machte
einen Ruck, und weg war er über die Jnfan-
teriestiefel.
Und daun hat die Struppin ihren toten
Mann aufgeladen und hat ihn fortgefahren.
Nach Hause. . . .
Die Schipper-Bataillone.
v.n klriur Stahl, im Leide.
Oer Schipper ist ein Ukann von Ivelt
vom Kopf bis zu den Füßen,
Und wenn euch seine Urt gefällt,
So läßt er bestens grüßen.
Tr ist sehr brauchbar als Soldat
Nicht nur in Uussijch-Polen,
Man pflegt den Schipper in der Tat
Uach Frankreich auch zu holen.
vielseitig ist, wie sein Deruf,
Uuch hier sein Tun und Lassen:
Oer Dichter selbst, der Verse schuf,
Hat kräftig anzufassen.
Oer Doktor, der Sanskrit einst las,
Zieht jetzt die blanke Säge,
Der Zahnarzt fällt, es ist kein Spaß,
Den Daum durch wucht'ge Schläge.
Der Künstler, der dem Wimmerholz
Manch zarten Ton entlockte,
Der Maler, der mit großem Stolz
vor seiner Landschaft hockte,
Sie reichen brüderlich die kjand
Den Leuten aus dem kjandwsrksstand
Und tragen gleiche Uleider
wie Schuster, Schmied und Schneider.
Und ist die Zeit der Ernte gar,
Uann man sie gut verwenden;
Denn mancher Schipper hat fürwahr
Noch Urast in seinen yänden.
Tr führt die Sense, wendet ljen,
Fährt Mist und füttert Pferde,
Damit er, wenn der Urieg vo.bei,
In allem Meister werde.
Uach Fricdensschluß spricht er zum Weib:
Schmeiß fort den alten Krempel,
wir gründen uns zum Zeitvertreib
Jetzt einen neuen Tempel!
was brauchen wir den vielen Tand?
Ich Hab' ihn gründlich dicke,
wir baun uns einen Unterstand
Mit Spaten und mit picke!
wir kaufen uns ein Rittergut
von hundertsünfzig Ellen,
Denn ich versteh den Doden gut
Ertragreich zu bestellen!
Die Stadtluft reizt mich gar nicht mehr,
Einseitig war mein Treiben,
Drum will ich — wie beim Militär —
Ein Uckerbürger bleiben!
G3&
Lieber Wahrer Jacob!
Landsturminann Meyer III ist auf Urlaub
und erzählt:
-Jehn Se mir ab mit de Sprachführer!
Zu nischt sind se zu jebrauchen, zu nischt! Sehn
Se, kam ick da kurz vor Weihnachten im Westen
bei 'ne alte französische Jräfin ins Quartier.
Piekfeine Aufnahme, jeberfter Tisch. „Wuhle-
wuh manschet)?" So viel hat man nu schon
jelerut, bet bet heeßt: „Woll'n Se wat zu essen
haben?" I, denk ick, hier kannste aussuchen, und
überjehe so im Jeiste meine Lieblingsjerichte:
Kartoffelpuffer oder Eisbein mit Sauerkohl.
Ick also ran an meinen Sprachführer, wo
allens alphabetisch drin sein soll. Pustekuchen
— nich zu finden! Jrade de Hauptsache steht
uich drin. 'Also nischt zu machen! Ick krame
mein biske» Französisch aus und sage: „Tut-
mämschooß — janz ejal!"
Wat allens so 'ne französische Jräfin zu-
sammenfrißt! Wie Kraut und Rüben! Ick
wurde ja satt, aber allcus kann 'u tapfrer
Laudsturmmauu eben ooch nich vertragen. Mir
wurmte bet mit eenem Male janz eklich in'n
Magen. „Madmoasäl," sagte ick, „mir is janz
anders, ivo is denn hier — "
Sehn Se, nu wußte ick nich weiter. Ick
blättre in meinen Sprachführer immer zehn
Seiten uff eeumal. Mir looft schon der Angst-
schweiß von de Stirn. Endlich finde ick den
Namen uff de zweenhundertsiebzigste Seite —
nu war't aber zu spät!!-
Lassen Se mich aus mit de Sprachführer!
Atineedeutsch.
Bekanntlich wimmelt es im Heereswesen von
französischen Ausdrücken. Da man im gewöhn-
lichen Leben allem 'Ausländischen zu Leibe geht,
sollte man im Kriegswesen darin geradezu vor-
bildlich sein. Und das ist mit einigem guten
Willen sehr leicht:
Die llnteroffiziere heißen Svldatenunter;
Die Offiziere Soldatenober.
Dementsprechend:
Sergeant — Soldatenoberunter,
Leutnant — Soldatenunterober,
Major — Soldatenüberober,
Ordonnanz — Läufer,
Adjutant — Überläufer usw.
Es geht eben alles, wie mein verehrter Lehrer,
der Literaturprofessor Christlieb Wackelzopf,
zu sagen pflegte: „Unser deutsches Idiom ist
so flexibel, daß wir alles Exotische leicht ver-
meiden können." P. R.