Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0214
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 8770

o Sieg! o

Aus dem Grauen von Blut und Mord,

Aus den Schrecken der würgenden Schlacht,
Aus der Gräber dämmernder Nacht
Springt ein hell triumphierendes Wort,

Jäh ein dröhnender Donner stieg:

„Sieg! Sieg!"

Klingt länderweit
Über Berg und Tal,

Sein Jauchzen schreit
Über Not und Qual:

„Krieg! Krieg!

Sieg! Sieg!

Ansre Banner wehen im Wind,

Ansre Feinde geschlagen sind!

Fest wie ein Fels im Meer,

Eiserne Manneswehr,

Stehen wir da!

Lurra! Lurra!"

And die schon dem Tode verfallen.

Fühlen noch einmal das Leben walle»,

Und ihr röchelndes Lurra gellt
Über das blutige Schlachtenfeld:

„Sieg! Sieg!

Krieg! Krieg!"

Ein letztes Zucken, ein letztes Dehnen —
Aus ist das Wünschen, aus ist das Sehnen!

Doch der marschierende Laus,

Weiterziehend von Ort zu Ort,

Der nimmt es aus.

Das flammende Wort:

„Sieg! Sieg!"

And wie nie eine Welle stieg.

So brandet's fort.

Kommt nach Laus zu den Kindern und Frauen,
Zu den Kranken und zu den Greisen,

Die wollen ihrein Ohr nicht trauen.

Die wollen die Kunde von sich weisen —
Zog's doch so furchtbar schwer
Von allen Seiten her —

Dann aber jählings ein Leuchten und Flammen,
Selbst Krüppel reißen sich forsch zusammen.
Stehn stramm und fest
Mit ihrer Kräfte Rest,

Denn einer auf eine Karre stieg.

Ein Blatt in der Land,

Der schreit, zur Menge gewandt:

„Sieg! Sieg!"

Da nehmen sie auf den gewaltigen Ruf,

And es dröhnt wie Donner und Rossehuf:
„Die Feinde geschlagen!

Laßt fahren das Klagen!

Freude, Freude

Sei einzig die Losung heute!"

And wer einen Liebe» im Felde weiß.

In Schlacht und Streit,

Der schleich beifeit.

Daß er nicht gebe sein Wehe preis.

Den Jubel nicht stören.

Sich selbst verzehren
Im eigenen Jammer —

So suchen sie weinend ihre Kammer.

And Glocken dröhnen vom hohen Turm
Ins Land hinaus den Iubelsturm,

And Flaggen wehen in alle Winde
Die Kunde vom großen Sieg geschwinde:
„Der Feind geschlagen!

Nun wird es tagen

Nach Nacht und Grauen —

Nun werden wir bald den Frieden schauen!"

And ein Losten, stark und groß.

Ringt sich aus allen Seele» los:

„Sieg! Sieg!

Näher dem Ende vom Krieg!" Ernst Klaar.

Hamborg bei St.Pauli,
im August.
Werte Redakschon!

Indem ich durch Ihr
weitverbreitetes Blatt
zur interuatschonalen
Berühmtheit gelangt
bin, habe ich auch mein
Jntervjuh zu überste-
hen gehabt und dainit
^ dieselbe Erfahrung ge-
macht, wie alle andern
intervjuhten Chorifeen, nämlich daß es nicht
stimmt. Somit bin ich genötigt, den hochge-
schätzten „Wahren Jacob" zum Berichtigen zu
gebrauchen. Die Sache ist nämlich so: Kommt
eines Tages ein Mann in meine Köminfel und
bestellt einen Grog. Den kriegt er. Darauf fragt
er in skandinavisch zuspitztem Deutsch, ob ich
der weltbekannte Claus Swartmuul sei, was
ich wahrheitsgemäß bejahe. Sofort zieht er
ein Notizbuch aus der Tasche und 'neu Blei-
stift und sagt, er wolle mich intervjuhen. „Gut,"
erwidere ich. „aber rvahrheitsgemäß! Und wo-
für?" Er sagt den Titel eines neutralen Kopen-
hagener Blattes, rvo ich ästimieren muß. Also
ich setze mich in Positur, denn das muß man
beim Intervjuhen genau so ivie beim Photo-
graphieren. Und es geht nun los, ganz schmerz-
los, wie ich bekennen muß. Jedoch der Schmerz
kam später! Ungefähr vierzehn Tage danach
kriege ich über ein neutrales Land eine Num-
mer von das engelsche Blatt „The Daily Liar“
mit meinem angeblichen Jntervjuh. Nach diese
Lektüre mußte ich zwei Bittern trinken, um
meine größte Wut zr: dämpfen; alsdann sagte
ich eine halbe Stunde lang alle Flüche sämt-
licher mir bekannten Weltsprachen auf nebst
den »iggerengelschen von die Westküste; und
endlich war ich wieder bei völlige Besinnung
und konnte das Jntervjuh nochmals lesen.
Hier ist es in wortgetreuer llbersetzung:

„Mr. Swartmuul, ein prominenter Bürger
und Leiter eines größeren Berpflegungsamts
(womit er mein Restorangk meint!), dessen
Wahrheitsliebe verbürgt ist durch die Tat-
sache, daß er das Ehrenamt eines Deaeon
(ich und Kirchenvorsteher!) bekleidet, sagte mir,
daß der Krieg von Deutschland seit langem
geplant gewesen sei und daß besonders in
Hamburg jedermann die Vorbereitungen zu
einem Überfall auf England gekannt und unter-
stützt habe. Nur daß die engelsche Negierung
schon am 4. August 1914 den Krieg erklärte,
habe den Plan vereitelt, der erst im Winter
ausgeführt werden sollte. Die Sache war so
gedacht: Die Suffragetten, über deren geheinie
Geldquellen die Reichsbank am besten Aus-
kunft geben könnte, sollten auf ein verabredetes
Signal die englischen Minister umbringen;
deren gefährlichsten, nämlich Winston Chur-
chill, hatte Mrs. Pankhurst persönlich auf sich
genommen; sie wollte ihn eigenmündig zu
Tode küsse». Sobald die Nachricht von der

Beseitigung der englischen Regierung in Ham-
burg eingelaufen war, sollte die auf der Elbe
liegende geheime Kriegsflotte auslaufen. Die
geheime, ausdrücklich gesagt. Denn die in
Wilhelmshaven und Kiel stationierten Kreuzer
und Torpedoboote usw. bilden nur die öffent-
liche, allgemein bekannte Kriegsflotte, gewisser-
maßen den Sand in die Augen der Welt.
Zur geheimen Kriegsflotte gehören aber die
zahllosen Handelsdampfer und sonstigen See-
schiffe, die in Hamburg beheimatet sind. Diese
sind, wie in Hamburg jedes Kind weiß, mit
einer ganz neuen Art von äußerst wirksamen
Kälteerzeugungsmaschinen ausgerüstet. Wie
eine ungeheure Vogelschar wären diese Kälte-
schiffe über die Nordsee dahingezogen und
hätten sie in Eis verwandelt. Das weitere
kann man sich denken! Aus Schleswig-Holstein,
ans Hannover, ans Oldenburg wären die un-
geheuren dort angesammelten Truppenmassen
mit der ihnen eigentümlichen affenartigen Ge-
schwindigkeit an die englische Küste marschiert,
hätten diese erklommen und einige Tage dar-
auf London mit den umliegenden Dörfern
besetzt. Was hätten die eingefrorenen Dread-
noughts dagegen mache» können? Nichts!
Zumal der Wortvulkan Churchills, der sogar
ein gefrorenes Meer aufzutauen vermocht
hätte, auf immer verstummt war. Das war,
wie Mr. Swartmuul versicherte, der deutsche
Kriegs- und Angriffsplan! Nun brachten es
die Umstände mit sich, daß Winston Churchill
noch nicht so weit war, sich von Mrs. Pank-
hnrst küssen zu lassen, und daß die englische
Regierung im August den Krieg erklärte,
während die deutschen Gefrierstrategen auf
die Weihnachtszeit gerechnet hatten. Die Ent-
hüllungen, die Mr. Swartmuul in seiner an-
gebornen und unzerstörbaren Wahrheitsliebe,
eine bei den Teutonen äußerst seltene Eigen-
schaft, machte, erbringen den nicht anzweifel-
baren Beweis dafür, daß Deutschland den
Krieg wollte und sorgfältig vorbereitete, und
daß es vor den teuflischsten (most fiendly)
Mitteln für seine Pläne nicht znrückschreckte:
Mrs. Pankhurst und Kältemaschine. Was wäre
aus England geworden ohne die Umsicht un-
seres Sir Edward Grey!"

Das hat der verfluchte Hallunke von Jnter-
vjuher aus meine harmlosen und sachlichen
Äußerungen gemacht! Nämlich ich habe diesem
verlogenen Menschen nur eine Frage beant-
wortet. Er wollte wissen, woher wir Ham-
borgers denn noch jümmers unsere Schell-
fische und Schollen und so herhätten, worauf
ich wahrheitsgemäß entgegnete: „Aus die
Nordsee." — „Aber die englischen Minen?"
sagte er darauf; „die liegen doch überall und
sind gefährlich. Fürchten sich die Fischer denn
nicht?" — „Keen büschen," erwiderteich: „die
lassen sie einfrieren und dann gehen sie nicht
los." — „Einfrieren? Wie wird das gemacht?"
fragt der neuschierige Kerl. — „Mit Kälte-
maschinen," sage ich, „wo jeder Eirer an Bord
hat. Reichspatent. Von die Admiralität ge-
liefert." Aber von die geheime Kriegsflotte und
die gefrorene Nordsee habe ich kein Wort nicht
gesagt, und die Mrs. Pankhurst erwähnte er
selbst und fragte, was man in Hamborg von
sie denke, worauf ich erwiderte, sie sollte sich
man mit dem Churchill zusammentun, das
wäre ein feines Paar. Aus diese gänzlich Harm-
 
Annotationen