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Sein „Gönner" ist merklich kühler gegen ihn
geworden. Eine Soubrette bringt ihn wieder
in bessere Stimmung. Sie hat einen Soldaten-
rock an und eine Soldatenmütze ans und sieht
wirklich fesch aus. In der Pause wendet sich
der Herr wieder Frankel zu und plaudert
viel mit ihm von den Aussichten des Krieges
und vom Leben an der
Front und vom allge-
meinen Patriotismus.
„Na, und mit der So-
zialdemokratie ist es
nun wohl vorbei, wie?"
Er lacht überlegen.
„Das glaube ich
nicht," sagt der Feld-
graue langsam. „Wir
sind hierin völlig die-
selben geblieben."
„Aha," entfährt es
dem Herrn, und ersieht
aus, als hätte er eben
ein Welträtsel gelöst.
„Darum reden Sie hier
auch so. Ich hätte es
mir — bei Ihrem man-
gelnden Patriotismus
— auch gleich denken
können."
Einen Moment will
Fränkel von dem Blut
sprechen, mit dem er
seinen Patriotismus
besiegelt hat. Aber es
widert ihn an.
Er bezahlt das ge-
trunkene Bier und geht
hinaus, ohne ein Wort
zu verlieren. Das ver-
stimmte Klavier spielt:
„In der Heimat, in der
Heimat. . ."
Der Unterschied.
Ein Glockenzeichen
ertönte. Der Vortra-
gende bestieg das Po-
dium und überblickte
mit etwas ärgerlicher
Miene die ivenig zahl-
reichen Anwesende».
In diesen Kriegs-
zeiten war nicht viel
Neigung für naturwis-
senschaftliche Vorträge
vorhanden; inan be-
suchte lieber die Ki-
nos mit den neuesten
Schützengraben - Auf-
nahmen oder die Vor-
träge, die ab und zu
ein Schlachtenbumm-
ler, der im Felde ge-
wesen war, über seine
Erlebnisse hielt.
Man hatte aber un-
recht. Denn der Vortra-
gende, der über Kamps-
formen der Natur spre-
chen sollte, paßte sei-
nen Vortrag geschickt
entgegenhält und mit denen es ihm — auch
dem Menschen einpfindliche Wunden zu-
fügt. Ja, man sage, daß es imstande wäre,
durch starke Muskelanspannung die einzelnen
Stacheln aus der Haut herauszujagen und sie
— wie einen Speer — in den Leib des Geg-
ners zu schleudern. Gleichfalls ein Schütze, nur
von harmloserer Art,
sei der Ameisenlöwe,
der richtige Fallgruben
baue, ausdenen heraus
er Käferchen mit Sand
beschießt, bis sie erlie-
gen und hinabstürzen.
„Das Chamäleon trifft
mit seiner unheimlich
langenZungejedesvor-
beifliegendeJnsekhwie
eine Ballonabwehrka-
none etiva einen feind-
lichen Aeroplan trifft."
Mit seinen Verglei-
chen, aus dem Gebiet
der Schlachten geholt,
erntete der Redner star-
ken, mit wohlgefälliger
Heiterkeit gemischten
Beifall. Er sparte dar-
um fortan nicht damit.
Es schien plötzlich, als
sei die ganze Natur-
militärisch gedrillt und
ständig im „Kriegszu-
stand".
Die Weinbergschnecke
erschien auf der Lein-
wand in vergrößertem
Maßstab, wie sie aus
dein Schieß organ ne-
ben dem Atemloch ein
kleines Geschoß aus
Kalk entsendet; dann
kam der kleine „Krach-
käfer", der imstande ist,
sich mit einem hörba-
ren Schuß Feinde vom
Leibe zu halten, und
zum Schluß der siame-
sische „Schützenfisch",
der kleine Wassertrop-
fen wie Kugeln nach
benachbarten Insekten
treffsicher abschießt.
„Sie seheii also,"
schloßderRedner, „wie
die Natur Waffen ver-
teilt, und wir Men-
schen können uns damit
trösten, daß die Tiere —
dem offenbaren Natur-
gesetzfolgend —gleich-
falls Krieg führen."
Da rief eine Helle
Stimme:„Nurmitdei»
Unterschied, daß die
Tiere nicht ihre eigene
Art töten!"
Es war sehr gut, daß
es noch dunkel im Saal
war. Dem Zwischen-
rufer wäre es sonst
schlecht ergangen.. . ■
den nun einmal vorherrschenden Interessen
an und sprach hauptsächlich über jene Tiere,
die kriegerische Instinkte hatten.
Mit Lichtbildern und lustig plaudernden
Worten stellte er seinen Zuhörern zunächst das
Stachelschwein vor, dessen Stacheln wie an-
gewachsene Bajonette sind, die es dem Gegner
Der fremde Reiter.
Von Willibald Krain.
Kam ein Reiter uns ins Land.
Ritt durch alle Tore:
Hark sein Wort und sein Gewand,
Stahl der Blick und Stahl die Hand,
Ehern jede Pore.
War schon lang nicht unser Gast,
Viele viele Jahre.
Heut hält seines Hufes Last
Schmer an jeder Schwelle Rast,
Wo sein Ritt auch fahre.
Treibt von Haus und Hütte weit
Emsige und Faule.
Hoch und Rieder walzt er breit
Mit dem Schwerte »Eisenzeit«
Und dem schwarzen Gaule.
Sein „Gönner" ist merklich kühler gegen ihn
geworden. Eine Soubrette bringt ihn wieder
in bessere Stimmung. Sie hat einen Soldaten-
rock an und eine Soldatenmütze ans und sieht
wirklich fesch aus. In der Pause wendet sich
der Herr wieder Frankel zu und plaudert
viel mit ihm von den Aussichten des Krieges
und vom Leben an der
Front und vom allge-
meinen Patriotismus.
„Na, und mit der So-
zialdemokratie ist es
nun wohl vorbei, wie?"
Er lacht überlegen.
„Das glaube ich
nicht," sagt der Feld-
graue langsam. „Wir
sind hierin völlig die-
selben geblieben."
„Aha," entfährt es
dem Herrn, und ersieht
aus, als hätte er eben
ein Welträtsel gelöst.
„Darum reden Sie hier
auch so. Ich hätte es
mir — bei Ihrem man-
gelnden Patriotismus
— auch gleich denken
können."
Einen Moment will
Fränkel von dem Blut
sprechen, mit dem er
seinen Patriotismus
besiegelt hat. Aber es
widert ihn an.
Er bezahlt das ge-
trunkene Bier und geht
hinaus, ohne ein Wort
zu verlieren. Das ver-
stimmte Klavier spielt:
„In der Heimat, in der
Heimat. . ."
Der Unterschied.
Ein Glockenzeichen
ertönte. Der Vortra-
gende bestieg das Po-
dium und überblickte
mit etwas ärgerlicher
Miene die ivenig zahl-
reichen Anwesende».
In diesen Kriegs-
zeiten war nicht viel
Neigung für naturwis-
senschaftliche Vorträge
vorhanden; inan be-
suchte lieber die Ki-
nos mit den neuesten
Schützengraben - Auf-
nahmen oder die Vor-
träge, die ab und zu
ein Schlachtenbumm-
ler, der im Felde ge-
wesen war, über seine
Erlebnisse hielt.
Man hatte aber un-
recht. Denn der Vortra-
gende, der über Kamps-
formen der Natur spre-
chen sollte, paßte sei-
nen Vortrag geschickt
entgegenhält und mit denen es ihm — auch
dem Menschen einpfindliche Wunden zu-
fügt. Ja, man sage, daß es imstande wäre,
durch starke Muskelanspannung die einzelnen
Stacheln aus der Haut herauszujagen und sie
— wie einen Speer — in den Leib des Geg-
ners zu schleudern. Gleichfalls ein Schütze, nur
von harmloserer Art,
sei der Ameisenlöwe,
der richtige Fallgruben
baue, ausdenen heraus
er Käferchen mit Sand
beschießt, bis sie erlie-
gen und hinabstürzen.
„Das Chamäleon trifft
mit seiner unheimlich
langenZungejedesvor-
beifliegendeJnsekhwie
eine Ballonabwehrka-
none etiva einen feind-
lichen Aeroplan trifft."
Mit seinen Verglei-
chen, aus dem Gebiet
der Schlachten geholt,
erntete der Redner star-
ken, mit wohlgefälliger
Heiterkeit gemischten
Beifall. Er sparte dar-
um fortan nicht damit.
Es schien plötzlich, als
sei die ganze Natur-
militärisch gedrillt und
ständig im „Kriegszu-
stand".
Die Weinbergschnecke
erschien auf der Lein-
wand in vergrößertem
Maßstab, wie sie aus
dein Schieß organ ne-
ben dem Atemloch ein
kleines Geschoß aus
Kalk entsendet; dann
kam der kleine „Krach-
käfer", der imstande ist,
sich mit einem hörba-
ren Schuß Feinde vom
Leibe zu halten, und
zum Schluß der siame-
sische „Schützenfisch",
der kleine Wassertrop-
fen wie Kugeln nach
benachbarten Insekten
treffsicher abschießt.
„Sie seheii also,"
schloßderRedner, „wie
die Natur Waffen ver-
teilt, und wir Men-
schen können uns damit
trösten, daß die Tiere —
dem offenbaren Natur-
gesetzfolgend —gleich-
falls Krieg führen."
Da rief eine Helle
Stimme:„Nurmitdei»
Unterschied, daß die
Tiere nicht ihre eigene
Art töten!"
Es war sehr gut, daß
es noch dunkel im Saal
war. Dem Zwischen-
rufer wäre es sonst
schlecht ergangen.. . ■
den nun einmal vorherrschenden Interessen
an und sprach hauptsächlich über jene Tiere,
die kriegerische Instinkte hatten.
Mit Lichtbildern und lustig plaudernden
Worten stellte er seinen Zuhörern zunächst das
Stachelschwein vor, dessen Stacheln wie an-
gewachsene Bajonette sind, die es dem Gegner
Der fremde Reiter.
Von Willibald Krain.
Kam ein Reiter uns ins Land.
Ritt durch alle Tore:
Hark sein Wort und sein Gewand,
Stahl der Blick und Stahl die Hand,
Ehern jede Pore.
War schon lang nicht unser Gast,
Viele viele Jahre.
Heut hält seines Hufes Last
Schmer an jeder Schwelle Rast,
Wo sein Ritt auch fahre.
Treibt von Haus und Hütte weit
Emsige und Faule.
Hoch und Rieder walzt er breit
Mit dem Schwerte »Eisenzeit«
Und dem schwarzen Gaule.