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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0262
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8818

Mahnung aus dem Feld. Von W. Steinerl, im Felde.

„Den besten Rücken- und Flankenschutz für uns im Schützengraben würde es darstelle»,
zu wissen, daß der Staat unsere Frauen und Kinder in jeder Weise unterstützt und unsere
Volksgenossen ganz energisch vor Ausplünderung bewahrt!"

O

Schlachtfeld im Äerbst.

Von Ludwig Lessen.

Ein Nebel schraubt sich zäh empor.

Der Wald steht kahl, der Äerbststurm braust,
Und heiser schnarrt ein Krähenchor.
Entblättert, schwarz und sturmzerzaust
Die Pappeln starr'n am Wegesrand.

Das Feld hat eine Riesenfaust
Zerwühlt, so weit's der Blick umspannt. —

Die Schlacht ist tot, die hier gebrüllt
Mit Kugeln und Granatenbrand.

Wirr decken Leichen das Gefild,
Mordwaffentrümmer, dicht gesät,

Blutlachen, die den Durst gestillt
Der wüsten Scholle. — Äingemäht
Die Jugend zweier Völker! . .. Stumm
Der müde Tag zur Rüste geht. . . .

Roch geistert Röcheln ringsherum.

Wenn sich dein Ohr zur Erde neigt....
Fern dröhnt der Mörser dumpf Gebrumm...
Der Lerbstwind weint... Der Nebel steigt....

Die Schaffnerin.

„Mittelstraße-!"

Eine Frau mit einem kleinen Kind steigt
aus. Die Schaffnerin trägt das Kind auf die
Straße und steigt wieder ein.

Im Weiterfahren bemerkt sie noch das fröh-
liche Winken des Kindes. Sie seufzt etwas.
Sie denkt an ihre beiden Kleinen zu Hause.
Tagsüber sind sie in der Kinderkrippe, von
der freundlichen Nachbarin hingebracht und
abgeholt. Sie selber sieht sie eigentlich nur
abends, wenn sie todmüde und wie zerschlagen
nach Hause kommt, oder an dem einen freien
Nachmittag, den es anfangs alle acht, jetzt
alle vierzehn Tage gibt. Dann ist aber allerlei
Wichtiges in der Wirtschaft, an der Kleidung
zu tun, und zu viel Zärtlichkeiten ist gar
wenig Zeit.

Ein dicker Herr ist mit einem Schwung in
den Wagen gesprungen. Seine Finger sind
voller Ringe, und die Zigarre, die er raucht,
hat ein vielverheißendes goldenes Bändchen.

Er gibt fünf Pfennig über den Fahrpreis und
betont das auch, damit ja kein Mißverständnis
entsteht: „Der Sechser ist für Sie!"

„Danke."

Sie legt die Hand an die Mütze und denkt
dabei ihres Mannes, dessen Stellung sie jetzt
eingenommen hat. Er hat oft über den Unfug
des Trinkgelds geschimpft. Die Herren der
Direktion rechneten das bei der Gehaltsbestim-
mung an. So war man darauf angewiesen,
und man mußte jedem dummen Jungen, der
einen Sechser hergab, noch wie für ein Ge-
schenk danken.

Der Herr hat seine Zeitung entfaltet und
stellt Betrachtungen über den Krieg an: „Die
Sache geht jetzt wieder ordentlich. Wenn wir
jetzt nur nicht locker lassen und zu früh auf-
hören."

Die Schaffnerin denkt wieder an ihren
Mann, der nun seit vierzehn Monaten im
Felde ist.

Der Herr sieht sich triumphierend im Kreis
der anderen Fahrgäste um: „Wenn ich zu
bestimmen hätte, würde der Krieg nicht zu
Ende sein, bevor man nicht den Engländern
den Daumen kräftig aufs Auge gedrückt hat."

„Sie müssen wohl nicht mit?" fragt die
Schaffnerin.

„Nein, mein schönes Kind." Er scheint ihren
Spott nicht benierkt zu haben. Aber die an-
deren Fahrgäste haben ihn bemerkt und
schmunzeln.

Der Herr legt das Schmunzeln falsch aus.
„Hehe, wie werde ich ins Feld gehen, solange
es solche netten Schaffnerinnen gibt!" Und er
lacht dröhnend über sein Schwerenötertum und
sucht nach Anerkennung bei den Nachbarn.

Die Schaffnerin ist rot geworden. Sie be-
herrscht sich mühsam. Grob darf sie ja nicht
werden. „Würden Sie das auch sagen, wenn
mein Mann dabei wäre?" sagt sie langsam.
„Er ist bei den Garde-Grenadieren und er
hat solche Hände!" Und sie zeigt ein respek-
tables Maß.

„Wie meinen Sie das?" fragt der Herr ent-
rüstet. Aber da er das Schmunzeln der anderen
sieht, zieht er vor, ohne die Antwort abzuwarten,
bei der nächsten Haltestelle abzuspringen.

Man hört noch sein Gebrumm: „Trinkgeld
gibt's aber nicht wieder. Nie wieder!"

Der Rriegswein.

Nun ward der Trauben edle Last
In unsre Reiter eingefaßt:

Sie reiften im Schein der Sonne,

Die fern auf Schlachtenfelder glänzt,

Nus blut'ge Stirnen, siegbekränzt,

Uns chual statt Sommerwonne.

U)ie meinte die Natur es gut
INit ihrer milden Sommerglut ...

Oer Mensch hat sie verdunkelt
Mit grimmer Fehde, dumpfem ffaß.

Nun blinkt der neue Wein im Glas,

Tr sprühet und er funkelt.

Nie ward so klar und rein der Wein -
Doch wird er mit noch hellrem Schein
In unserm Römer blinken,
wenn wir auf frohe Wiederkehr
von Freund und Bruder, Schiff und ffeer
Und - auf den Frieden trinken!
 
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