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Zum ersten, zum zweiten, zum dritten.
Die Witwe Harmsen saß in dem kleinen
Stübchen der Nachbarin; der Kaffee, den diese
ihr vorgesetzt hatte, blieb unberührt und wurde
kalt, so sehr die Spenderin auch ermunterte,
sie solle sich ein bißchen kräftigen,
Frau Harmsens Augen hingen an der Tür,
Von draußen her klang Gemurmel von Men-
schen und ab und zu eine laute Stimme. Sie
konnte genau höre», was
diese sagte — oder sie
glaubte, es doch zu hö-
ren: „Zum ersten — zum
zweiten — zum dritten"
— und der Hammer-
schlag, der darauf folgte,
traf sie wie aufs Herz.
Denn da drüben war
ja Zwangsversteigerung
ihrer Möbel und Sachen.
Seit vor einem Viertel-
jahr ihr Sohn in Rus-
sisch-Polen gefallen war,
hatte sie das kommende
Verhängnis geahnt. Bis
dahin warallesnochleid-
iich, wenn auch kümmer-
lich genug, gegangen. Es
waren noch Sparpfen-
nige übrig, und Georg
sandte manche erübrigte
Mark der alten Mut-
ter, deren Ernährer er
in Friedenszeiten gewe-
sen war.
Aber dann war mit
einem Male der Zu-
sammenbruch dagewe-
sen: ihre alten Hände
konnten nicht genug ar-
beiten, und die Unter-
stützung reichte nichtzum
Essen und zur Miete.
Das Abzahlungsgeschäft
drohte und klagte end-
lich ;derHauswirtfolgte.
Nun ivurden ihre Sa-
chen, die mit so vielen
Entbehrungen erworben
waren, drüben verstei-
gert. Es hielt sie nicht
mehr hier. Sie ging hin-
über. Der Auktionator
war ein freundlicher
Mann: er hatte einen
Vorkäufer, der die Sa-
che» im Ramsch kaufen
wollte, abgeiviesen, nni für die Witwe bei der
Einzelversteigerung mehr Geld herauszuschla-
gen, obwohl er dabei mehr Arbeit hatte. Der
Kleiderschrank ivurde eben einem dicken, rot-
wangigen Mann zugesprochen.
Sie schluchzte leise. Der Auktionator flüsterte
ihr zu: „Es bleiben ein paar Hundert für Sie
übrig, Frau Harmsen. Nur Kopf hoch!"
Er hatte gut reden: wie lange würde auch
das reichen, jetzt, wo alles so entsetzlich teuer
war, rvo man auch das Licht für die Heim-
arbeit kaum erschwingen konnte?
Der Dicke besprach, wenn er nicht gerade
bot, mit seinem Nachbarn eifrig die Kriegs-
lage. Er war in der Strategie und der Diplo-
matie anscheinend kolossal bewandert: „Der
Krieg muß bis zur Erschöpfung Englands
geführt werden. Opfer wird eS natürlich kosten.
Sowohl Menschenopfer wie auf wirtschaft-
lichem Gebiet daheim. Aber was tut das? . . .
Drei Mark!" unterbrach er sich, auf eine kleine
Kommode bietend. „Opfer muh es natürlich
kosten," fuhr er dann fort. „Aber die trägt
ja jeder gern."
Der rasende Heinz Potthoff.
Witwe Harmsen sah, wie Stück auf Stück
losgeschlagen wurde: es waren ihr wie Stücke
ihres Herzens.
„Ja, Opfer muß jeder bringen," sagte der
Dicke zu seinem Nachbar. „Nun muß ich aber
gehen. Ich habe 'ne Verabredung drüben in
der Wirtschaft. Kommen Sie mit?"
Aus der Kriegsbarbierstube.
I» Berliner Barbiergeschäften werden jetzt weibliche
Gehilfen angestelli.
„Entschuldigen Sie, Fräulein, mir kennen
uns noch nicht?"
„Nein, mein Herr."
„Sie sind nicht feindlich gegen mich gesinnt?"
„Wie sollte ich-"
„Ich bin Ihnen auch nichts schuldig?"
„Aber — warum fragen Sie so?"
kErleichtert.) „Ich bin Vater von sieben Kin-
dern — so, jetzt können Sie mir das Messer
an die Kehle setzen." .
„Fräulein, was waren Sie früher von Beruf?"
„Verkäuferin in einem Bnttergeschäft."
„Na, dann verstehen
Sie ja das Einseifen der
Kunden."
„Ach, Fräulein, das
erinnert mich an die
schönsten Zeilen meiner
Jugend, als mir die
Damen auch so um den
Bart gingen!"
Glossen.
Die Fleischivarenfabrik
in Gütersloh, die dreißig
Prozent Dividende ans-
teilte, schreibt in ihrem
Jahresbericht, daß auch
die Aussichten für die
Zukunft glänzende seien.
Hoffentlich ist die Eim
sicht unserer Behörden
ebenso glänzend.
In England hat sich
ein „Verein zur Verhei-
ratung verwundeterHel-
den" gebildet.
Diese neue britische
Grausamkeit ist anschei-
nend der Grund dafür,
daß die Auswanderung
nach Amerika überhand
nimmt und daß die
„Werbung" immer er-
folgloser ivird.
Jetzt kann man uns
wirklich nicht mehr die
Butter vom Brot neh-
men; denn — es ist gar
keine drauf.
Kragujewatsch, Obre-
nowatsch, Lazarewatsch,
— wieviel „Watschen"
gibt es doch in Serbien!
Depeschenwechsel.
Georg an Nikolaus: Hilf den Serbe»!
ich kann nicht!
Nikolaus an Georg: Ich auch nicht! Helf
er sich! ——
Bon allem mögt ihr sprechen,
Voin Allerschlimmsten nur
Und auch vom Allerbesten,
Doch nur nicht von — Kultur.
Wetterregel.
Steht der Halbmond über den Pyramiden,
Ist Ägypten Sturm und Wetter beschieden.
„Wenn es zum äußersten kommt, müssen wir die Millionen feindlicher Einwohner aus
den besetzten Gebieten vertreiben und die Hunderttausende von Gefangene», die an un-
seren Vorräten mitzehren, töten. Das wäre furchtbar, aber unvermeidlich,
wenn wir nicht anders durchhalten könnten."
Professor: Die Krisis ist vorüber, der Qualm ist 'raus und Äeinz Potthoff wird
lvicder vernünftig.
Zum ersten, zum zweiten, zum dritten.
Die Witwe Harmsen saß in dem kleinen
Stübchen der Nachbarin; der Kaffee, den diese
ihr vorgesetzt hatte, blieb unberührt und wurde
kalt, so sehr die Spenderin auch ermunterte,
sie solle sich ein bißchen kräftigen,
Frau Harmsens Augen hingen an der Tür,
Von draußen her klang Gemurmel von Men-
schen und ab und zu eine laute Stimme. Sie
konnte genau höre», was
diese sagte — oder sie
glaubte, es doch zu hö-
ren: „Zum ersten — zum
zweiten — zum dritten"
— und der Hammer-
schlag, der darauf folgte,
traf sie wie aufs Herz.
Denn da drüben war
ja Zwangsversteigerung
ihrer Möbel und Sachen.
Seit vor einem Viertel-
jahr ihr Sohn in Rus-
sisch-Polen gefallen war,
hatte sie das kommende
Verhängnis geahnt. Bis
dahin warallesnochleid-
iich, wenn auch kümmer-
lich genug, gegangen. Es
waren noch Sparpfen-
nige übrig, und Georg
sandte manche erübrigte
Mark der alten Mut-
ter, deren Ernährer er
in Friedenszeiten gewe-
sen war.
Aber dann war mit
einem Male der Zu-
sammenbruch dagewe-
sen: ihre alten Hände
konnten nicht genug ar-
beiten, und die Unter-
stützung reichte nichtzum
Essen und zur Miete.
Das Abzahlungsgeschäft
drohte und klagte end-
lich ;derHauswirtfolgte.
Nun ivurden ihre Sa-
chen, die mit so vielen
Entbehrungen erworben
waren, drüben verstei-
gert. Es hielt sie nicht
mehr hier. Sie ging hin-
über. Der Auktionator
war ein freundlicher
Mann: er hatte einen
Vorkäufer, der die Sa-
che» im Ramsch kaufen
wollte, abgeiviesen, nni für die Witwe bei der
Einzelversteigerung mehr Geld herauszuschla-
gen, obwohl er dabei mehr Arbeit hatte. Der
Kleiderschrank ivurde eben einem dicken, rot-
wangigen Mann zugesprochen.
Sie schluchzte leise. Der Auktionator flüsterte
ihr zu: „Es bleiben ein paar Hundert für Sie
übrig, Frau Harmsen. Nur Kopf hoch!"
Er hatte gut reden: wie lange würde auch
das reichen, jetzt, wo alles so entsetzlich teuer
war, rvo man auch das Licht für die Heim-
arbeit kaum erschwingen konnte?
Der Dicke besprach, wenn er nicht gerade
bot, mit seinem Nachbarn eifrig die Kriegs-
lage. Er war in der Strategie und der Diplo-
matie anscheinend kolossal bewandert: „Der
Krieg muß bis zur Erschöpfung Englands
geführt werden. Opfer wird eS natürlich kosten.
Sowohl Menschenopfer wie auf wirtschaft-
lichem Gebiet daheim. Aber was tut das? . . .
Drei Mark!" unterbrach er sich, auf eine kleine
Kommode bietend. „Opfer muh es natürlich
kosten," fuhr er dann fort. „Aber die trägt
ja jeder gern."
Der rasende Heinz Potthoff.
Witwe Harmsen sah, wie Stück auf Stück
losgeschlagen wurde: es waren ihr wie Stücke
ihres Herzens.
„Ja, Opfer muß jeder bringen," sagte der
Dicke zu seinem Nachbar. „Nun muß ich aber
gehen. Ich habe 'ne Verabredung drüben in
der Wirtschaft. Kommen Sie mit?"
Aus der Kriegsbarbierstube.
I» Berliner Barbiergeschäften werden jetzt weibliche
Gehilfen angestelli.
„Entschuldigen Sie, Fräulein, mir kennen
uns noch nicht?"
„Nein, mein Herr."
„Sie sind nicht feindlich gegen mich gesinnt?"
„Wie sollte ich-"
„Ich bin Ihnen auch nichts schuldig?"
„Aber — warum fragen Sie so?"
kErleichtert.) „Ich bin Vater von sieben Kin-
dern — so, jetzt können Sie mir das Messer
an die Kehle setzen." .
„Fräulein, was waren Sie früher von Beruf?"
„Verkäuferin in einem Bnttergeschäft."
„Na, dann verstehen
Sie ja das Einseifen der
Kunden."
„Ach, Fräulein, das
erinnert mich an die
schönsten Zeilen meiner
Jugend, als mir die
Damen auch so um den
Bart gingen!"
Glossen.
Die Fleischivarenfabrik
in Gütersloh, die dreißig
Prozent Dividende ans-
teilte, schreibt in ihrem
Jahresbericht, daß auch
die Aussichten für die
Zukunft glänzende seien.
Hoffentlich ist die Eim
sicht unserer Behörden
ebenso glänzend.
In England hat sich
ein „Verein zur Verhei-
ratung verwundeterHel-
den" gebildet.
Diese neue britische
Grausamkeit ist anschei-
nend der Grund dafür,
daß die Auswanderung
nach Amerika überhand
nimmt und daß die
„Werbung" immer er-
folgloser ivird.
Jetzt kann man uns
wirklich nicht mehr die
Butter vom Brot neh-
men; denn — es ist gar
keine drauf.
Kragujewatsch, Obre-
nowatsch, Lazarewatsch,
— wieviel „Watschen"
gibt es doch in Serbien!
Depeschenwechsel.
Georg an Nikolaus: Hilf den Serbe»!
ich kann nicht!
Nikolaus an Georg: Ich auch nicht! Helf
er sich! ——
Bon allem mögt ihr sprechen,
Voin Allerschlimmsten nur
Und auch vom Allerbesten,
Doch nur nicht von — Kultur.
Wetterregel.
Steht der Halbmond über den Pyramiden,
Ist Ägypten Sturm und Wetter beschieden.
„Wenn es zum äußersten kommt, müssen wir die Millionen feindlicher Einwohner aus
den besetzten Gebieten vertreiben und die Hunderttausende von Gefangene», die an un-
seren Vorräten mitzehren, töten. Das wäre furchtbar, aber unvermeidlich,
wenn wir nicht anders durchhalten könnten."
Professor: Die Krisis ist vorüber, der Qualm ist 'raus und Äeinz Potthoff wird
lvicder vernünftig.