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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0300
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. 8856

Etwas vom Gesuudbeten.

„Nu is meine Iuste drei Jahre bei die Iesundbeter, — un was hat se davon jehabt?

Drei Iöhren!"

Der Ball der Garde.

Von Ernst Klaar.

Zu Petersburg, in des Zaren Palast,

Da war die junge Garde zu Gast —
Dreihundert Mannen von blauem Blut —
Die unterhielten sich gar so gut.

Die Fiedeln klangen, es wogte der Tanz,
Der Saal erstrahlte im Lichterglanz,

Die Weiber wiegten im Walzertakt,

Mit Schultern und Armen und Busen nackt.

lilnd in den Gläsern perlte der Wein,

Wie Feuer ging ins Geblüt er ein.

Daß heimliche Fäden von Weib zu Mann
Die Liebe und die Intrige spann.

Acht Tage später, da rief der Krieg,

Der Tod seine» mageren Lengst bestieg.
Nun gab's für die Garde 'nen andern Tanz,
Der wogte durch Blut und Tränen ganz.

Zu Preußen, in den masurischen Seen,

Da sah man kämpfend sie untergehn.

Sie fielen in Kurland auf blutiger Leid,

Sie deckten die polnischen Ebenen breit.

Bon all den dreihundert, die einst geschwärmt.
Nicht einer mehr toll durch das Leben lärmt —
Sie zahlten mit Blut die Ehre, als Gast
Getanzt zu haben im Zarenpalast.

Lein Küppers' Glück.

Bon Ernst Preczang.

Im vorigen Jahre noch war der alte Hein
Küppers ein sehr gesprächiger Mensch. Als
im Beginn des Soiumers die Fremden kamen,
am Strands herumfaulenzten und ihre Nase
neugierig in alle Angelegenheiten der Einhei-
mischen steckten, stießen sie überall auf Ver-
schlossenheit und erreichten allenfalls kurze,
knurrige Antworten. Nur bei Hein Küppers,
der vergnügt lächelnd vor der kleinen Geräte-
bnde in den Stranddünen saß und Rehe stickte
oder Wasserstiefel schmierte, hatten sie mehr
Glück. Sie brauchten ihin nur die Tageszeit
zu bieten, dann zog er schon die Schleusen
auf: „Schön Wetter heut. Aber morgen wird's
noch besser."

„So? Woher wissen Sie das?"

Worauf der Alte überlegen lächelte: „Mein
Name ist Küppers. Hein Küppers. Am Wasser
geboren, auf dem Wasser gelebt. An die fünfzig
Jahre fische ich, Herr. Und sollt' mich nicht
auf Wind und Wetter verstehen? Die Brise
dreht nach Ost und bringt die Sonne niit,
viel Sonne. Wohl auch Flundern. Und wenn
Sie mal frische Fische essen wollen, dann seien
Sie morgen früh so gegen sechseu hier. Dann
kommt Jan herein." Die Augen des Alten

begannen zu leuchten. „Jan, mein Sohn! Mein
Prachtkerl! Wenn Jan keine Fische hat, gibt's
au der ganzen Küste keine. Warum? Weil Jan
Glück hat, teufelmäßiges Glück! Neulich bracht'
er einen Zander mit — ich will nicht lügen,
Herr —, den stellten wir auf den Kopf, da
schlug er mir mit'm Schwanz die Mütze 'runter.
Es liegt in der Familie: ich Hab'auch immer
Glück gehabt. Könnt' anfassen, was ich wollte.
Bin jetzt dreiundsechzig. Mit dreißig Hab' ich
das schönste Mädchen aus der ganzen Gegend
geheiratet. Heut wackelt sie mit dem Kopf, es
ist wahr. Aber damals . . . einen Strumpf
hatte sie, einen Strumpf! Keinen leeren. Und
in einem waren bare blanke tausend Taler
drin. Tausend Taler! Da haben wir uns
selbständig gemacht. Also, das war Glück,
wie? Und wie das denn so geht: ein paar
Jahre später kam was Kleines: unser Jan.
Der Bengel wog bei Gott seine elf Pfund,
als er auf die Welt kain! Und lachte, lachte
warraftig schon, als sie ihm man eben die
plierigen Augen gewaschen hatten! Wenn Sie
ihn heute sehen: der stärkste Mann weit und
breit und immer noch lustig wie ein Kind.
Hat bei der Marine gedient, natürlich. Ver-
sieht jetzt mein Geschäft, sagt: ,Ruht Euch
man aus, Vadding und Mudding. Nu bin
ich dran? Ist das nicht 'n Prachtjunge?
Gibt's viele solche Kinder, Herr?"

So sprach der alte Hein Küppers und lobte
seinen Sohn. Konnte gar nicht genug von ihm
reden und geriet allmählich in einen Eifer,
daß ihm Tränen in den wasserhellen blauen
Augen standen: „Ja, unsereins hat Glück ge-
habt, viel Glück. . . ."

Ungefähr drei Monate später stak Jan Küp-
pers wieder in der blauen Matrosenjacke auf
einem Transportschiff der Kriegsmarine.

„Dat is »ich gefährlich," sagte der alte Hein
tröstend zu Mutter Küppers.

Aber sie zitterte Tag und Nacht um ihren
Jungen und jammerte immer von neuem:
„Vadding, Vadding, wenn uns' Jan man blot
wedderkümmt!"

„Wat fall hei nich wedderkamen, Mudding?"
Es klang ein wenig gedrückt; aber dann rich-
tete er sich auf, atmete tief und sagte mit
strahlenden, zuversichtlichen Augen: „Hewt wi
nich immer Glück halt', Muddiug?"

Und dann ging er hinunter zu der kleinen
Bude in den Stranddünen nnd setzte das
Fischereigerüt sorgsam in Stand. Lange konnte
der Krieg ja nicht dauern. Jeder sagte es. Und
wenn Jan zurückkam, sollte er sein Handwerks-
zeug in untadeligem Zustand vorfinden.

Aber Woche um Woche verging, und noch
immer war nicht vom Frieden die Rede.

Da hielt Vater Küppers es so nicht mehr
länger aus. Er zog die Wasserstiefel an, nahm
den Olrock vom Haken und schob Jans Boot
vom Strande ins Wasser. Den jungen Ge-
hilfen Jans nahm er mit, und so segelte» sie
hinaus, spannten die Netze aus, und dem alten
Hein war's, als sei er wieder jung geworden
und müsse mit den Fischen von neuem das
Glück in seinen Netzen sangen.

Verstand der Alle sein Geschäft nicht mehr?
Hatten die Fische sich von der Küste abge-
wandt? Die Ausbeute war gering, und der
(Schluß auf Sette 8858.)
 
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