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Hein Küppers' Glück.
(Schluß von Seite 8856.)
Händler zahlte wenig. Da nahm Mutter Küp-
pers wie in jungen Jahren zwei Henkelkörbe
an einer Trage auf den Rücken und wanderte
zur nächsten Kleinstadt, um die Fische dort
lohnender an die Kundschaft zu bringen. Das
gelang ihr wohl. Aber wenn sie dann am
Nachmittag zu Hause anlangte, kam sie aus
dem Ächzen und Stöhnen nicht mehr heraus,
hielt sich die Seiten, schüttelte den Kopf, wischte
sich mit dem braunen, faltigen Handrücken die
Augen und seufzte: „Mit mi geiht dat to End,
Hein. Und uns' Jan kummt ok nich wedder!"
„Dumm Tüg, Mudding! Leg' di to Bett!
De Fisch' nimmt uns jo de Händler af."
„De Pracher! Nee, dat will ick nich!"
Aber eines Tages stellte Mutter Küppers
die vollen Körbe wieder hin, tastete sich müh-
sam zum Bett und stöhnte: „Et geiht nich,
Vadding. Et geiht nich. Mi is to slecht. Und
uns' Jan, Vadding, uns' Jan . .."
Er zwang sie, sich hinzulegen.
Sie stand nicht mehr auf. . . .
Zu ihrem Begräbnis kam Jan, den die
Todesanzeige in einem Heimatshafen erreicht
hatte, auf Urlaub. Er ging mit seinem Vater
stumm hinter dem Sarge her. Und nachher
saßen sie einander still im Hause gegenüber
und wußten nichts mehr von all der Fröhlich-
keit, die sonst alle ihre Sinne und dieses Haus
erhellt hatte.
„Wi hewt keen Glück mehr, Jan. Ick hew
dat all' an de Fisch' markt."
„Dat kummt wedder, Vadding. Starben
möt ivi all."
„Jo jo. Aber du . . . aber du, Jan. . . .
Kumm du blot wedder, mien Söhn. Kumm
du blot wedder! Sünst . . ."
Er sah starr aus die Erde.
Nu» wurde das Dasein des Alten ein ein-
ziges Warten. Er betrieb die Fischerei wie
einen lästigen Zeitvertreib, und oft mußte der
Junge schreien: „Fischer, hal dat Nett fast!"*
weil der Alte weit in die Ferne starrte, wo
dicht unterm Horizont ein grauer Panzer,
ein Dampfer oder Segler dahinzog. Es
konnte ja sein, daß Hein dort irgendwo an
Bord war und gleichfalls herüberschaute.
Und wenn er nicht in seinem Boote war,
dann saß Hein Küppers vor seiner Strand-
bude, hielt die Hände im Schoß und starrte
von hier aus aufs Wasser.
Die ersteu Fremden, meist Frauen, waren
schon wieder da. Es ivar auch unter ihnen
keine rechte Fröhlichkeit, und Hein redete
sie nicht mehr lustig an. Er sah an ihnen
vorbei auf das Wasser und antwortete
kurz und verdrossen auf ihre Fragen.
Und dann kam ein Tag, da ging er mit
tiefer Angst im Herzen herum.
Die Zeitungen hatten von einem Trans-
portschiff berichtet, das von den Russen
beschossen und drüben, am jenseitigen Ufer
der See, auf den Strand gelaufen sei.
Vorbei war es mit Schlaf und Fisch-
fang.
Der Alte wanderte ruhelos im Hause und
anl Strande umher, und zuweilen trafen sie
ihn mitten in der Nacht unten ain Wasser,
* Hatte das Netz fest.
wie er suchend umherging und jede Welle
musterte, die sich schäumend zu seinen Füßen
brach.
Es konnte ja sein, daß sie Jan mitbrachte,
wenn er nicht mehr lebte.
Und eben, als sich wieder eine leise Hoff-
nung in dem Alten zu regen begann, gelangte
an ihn die amtliche Mitteilung von dem Tode
Jans.
Er war schwer verwundet und dann von
einer Woge über Bord gespült worden.
Da saß Hein Küppers lange, lange Stun-
den zu Hause, den alten, grauen Kopf tief-
gebeugt, und betrachtete starr die Diele des
Zimmers. Er aß und trank nicht, legte sich
angekleidet aufs Bett und wollte nicht niehr
aufstehen.
Dann kam die Nacht, da trieb's ihn wieder
hinaus und zum Strande hinunter.
Aber die See lag ganz ruhig im Sternen-
schein. Ein Südwestwind war aufgekommen,
trieb schwere Wolken vor sich her und jagte
die Wellen auch nach dem jenseitigen Ufer
hinüber.
Da stieg der Alte mit schweren Schritten
zur Bude in den Dünen hinauf, holte die
Segel und machte das Boot langsam z>ir Ab-
fahrt klar, seinen Jan zu suchen.
lind als die anderen Fischer im ersten
Morgengrauen am Strande erschienen, um
ihre Netze auszulegen und einzuholen, da sahen
sie gerade noch, ivie Hein sein Boot ins Wasser
schob und dann mit allen Segeln geradeaus
vorwärts schoß.
Sie standen staunend und schüttelten die
Köpfe. Und sahen dem Boot und dem Fischer
nach, sahen das Segel sich tief aufs Wasser
legen und wieder aufrichten, sahen das Boot
schwanken und tief hinabschießen, um auf dem
Rücken einer Welle von neuem emporzutauchen,
sahen ihm atemlos nach, bis es, kleiner und
kleiner werdend, als ein winziger schwarzer
Punkt am Horizont verschwand.
Und niemand weiß bis heute, wo der alte
Hein Küppers, sein Glück und sein Segelboot
geblieben sind.
Der gute Rat.
»Nun geben Sie acht, meine liebe Frau,
Und befolgen Sie alles ganz genau:
Sie bedürfen zu Ihrer Gesundheit Wahrung
Entschieden einer kräftigen Nahrung,
Drum sparen Sie nicht mit Fleisch und Braten,
Selbst etwas zu viel wird wenig schaden:
Genießen Sie fleißig Obst und Eier
Und dann und wann ein Gläschen Tokaier,
Und gehen Sie fleißig an die Luft —
Sie hausen ja hier wie in einer Gruft!
Auch dann und wann eine kleine Reise
Bringt aus dem alten gewohnten Gleise.
Bei Kälte und Nässe hübsch warme Kleidung
Hilft ebenfalls gegen Krankheitsverbreitung:
Bor allen Dingen: recht wenig Sorgen!
Nur frisch hinein in den nächsten Morgen!
Das hebt die Körper- und Seelenkraft
Und fördert das Wohlsein ganz fabelhaft!«
Die Frau, die seufzt nur: »Ach Gott, ach Gott!«
Ihr dünkt dies alles wie ein Spott.
Dann seht sie sich an die Nähmaschine,
Daß sie noch ein paar Groschen verdiene,
Paar lumpige Groschen zu Kaffee und Brot,
Zu lindern die allergrößte Not.
An Fleisch und Wein auch nur zu denken.
Das mußte sie sich schon lange schenken,
Und reisen oder spazieren gehen,
Das dünkt ihr wie eine Sünde schön.
Die Sorgen nur, die drückenden, schweren,
Die wollen sich immerzu vermehren.
So kam's, daß sie nach Monden und Wochen
Ist elendiglich zusammengebrochen,
Der Doktor aber, der sagte still:
»So kommt es, wenn man nicht hören will!«
E. Ä.
Bücher für den Weihnachtstisch.
„Das Buch vom kranken und wieder ge-
sund gewordenen Mann ain goldenen Horn."
— Neu bearbeitet von Lord Hainilton.
„Der gestiefelte Kater oder der verkaterte
italienische Stiefel." — In schöne Reime ge-
bracht von Gabriele d'Annunzio.
„Der kleine Meteorologe." — Von Ca-
dorna. Unentbehrlich für jeden Dolomiten-
Touristeu.
„Die Heilung von der englischen Krank-
heit." — Von Konstantin. Aus dem Grie-
chischen übersetzt.
„Wie werde ich energisch?" — Neu
herausgegeben von der deutschen Reichs-
regierung. Mit einem Anhang: Über die
elegante Umgehung der von uns angesetzten
Höchstpreise.
„Der kleine Rechenkünstler." — Vom
Verein der Lebensmittelspekulanten beson-
ders warm empfohlen. In vierundzwanzig
Stunden rechnet jeder spielend leicht die
Differenz zwischen dem erzielten Wucher-
gewinn und der angedrohten Geldstrafe
heraus.
„Ali Baba und die vier Ententeräuber."
Urfidel! Hochoriginell!
Inserat.
Ein Geschäftsmann, der sich auf Stachel-
draht werfen möchte, sucht Teilhaber.
Hein Küppers' Glück.
(Schluß von Seite 8856.)
Händler zahlte wenig. Da nahm Mutter Küp-
pers wie in jungen Jahren zwei Henkelkörbe
an einer Trage auf den Rücken und wanderte
zur nächsten Kleinstadt, um die Fische dort
lohnender an die Kundschaft zu bringen. Das
gelang ihr wohl. Aber wenn sie dann am
Nachmittag zu Hause anlangte, kam sie aus
dem Ächzen und Stöhnen nicht mehr heraus,
hielt sich die Seiten, schüttelte den Kopf, wischte
sich mit dem braunen, faltigen Handrücken die
Augen und seufzte: „Mit mi geiht dat to End,
Hein. Und uns' Jan kummt ok nich wedder!"
„Dumm Tüg, Mudding! Leg' di to Bett!
De Fisch' nimmt uns jo de Händler af."
„De Pracher! Nee, dat will ick nich!"
Aber eines Tages stellte Mutter Küppers
die vollen Körbe wieder hin, tastete sich müh-
sam zum Bett und stöhnte: „Et geiht nich,
Vadding. Et geiht nich. Mi is to slecht. Und
uns' Jan, Vadding, uns' Jan . .."
Er zwang sie, sich hinzulegen.
Sie stand nicht mehr auf. . . .
Zu ihrem Begräbnis kam Jan, den die
Todesanzeige in einem Heimatshafen erreicht
hatte, auf Urlaub. Er ging mit seinem Vater
stumm hinter dem Sarge her. Und nachher
saßen sie einander still im Hause gegenüber
und wußten nichts mehr von all der Fröhlich-
keit, die sonst alle ihre Sinne und dieses Haus
erhellt hatte.
„Wi hewt keen Glück mehr, Jan. Ick hew
dat all' an de Fisch' markt."
„Dat kummt wedder, Vadding. Starben
möt ivi all."
„Jo jo. Aber du . . . aber du, Jan. . . .
Kumm du blot wedder, mien Söhn. Kumm
du blot wedder! Sünst . . ."
Er sah starr aus die Erde.
Nu» wurde das Dasein des Alten ein ein-
ziges Warten. Er betrieb die Fischerei wie
einen lästigen Zeitvertreib, und oft mußte der
Junge schreien: „Fischer, hal dat Nett fast!"*
weil der Alte weit in die Ferne starrte, wo
dicht unterm Horizont ein grauer Panzer,
ein Dampfer oder Segler dahinzog. Es
konnte ja sein, daß Hein dort irgendwo an
Bord war und gleichfalls herüberschaute.
Und wenn er nicht in seinem Boote war,
dann saß Hein Küppers vor seiner Strand-
bude, hielt die Hände im Schoß und starrte
von hier aus aufs Wasser.
Die ersteu Fremden, meist Frauen, waren
schon wieder da. Es ivar auch unter ihnen
keine rechte Fröhlichkeit, und Hein redete
sie nicht mehr lustig an. Er sah an ihnen
vorbei auf das Wasser und antwortete
kurz und verdrossen auf ihre Fragen.
Und dann kam ein Tag, da ging er mit
tiefer Angst im Herzen herum.
Die Zeitungen hatten von einem Trans-
portschiff berichtet, das von den Russen
beschossen und drüben, am jenseitigen Ufer
der See, auf den Strand gelaufen sei.
Vorbei war es mit Schlaf und Fisch-
fang.
Der Alte wanderte ruhelos im Hause und
anl Strande umher, und zuweilen trafen sie
ihn mitten in der Nacht unten ain Wasser,
* Hatte das Netz fest.
wie er suchend umherging und jede Welle
musterte, die sich schäumend zu seinen Füßen
brach.
Es konnte ja sein, daß sie Jan mitbrachte,
wenn er nicht mehr lebte.
Und eben, als sich wieder eine leise Hoff-
nung in dem Alten zu regen begann, gelangte
an ihn die amtliche Mitteilung von dem Tode
Jans.
Er war schwer verwundet und dann von
einer Woge über Bord gespült worden.
Da saß Hein Küppers lange, lange Stun-
den zu Hause, den alten, grauen Kopf tief-
gebeugt, und betrachtete starr die Diele des
Zimmers. Er aß und trank nicht, legte sich
angekleidet aufs Bett und wollte nicht niehr
aufstehen.
Dann kam die Nacht, da trieb's ihn wieder
hinaus und zum Strande hinunter.
Aber die See lag ganz ruhig im Sternen-
schein. Ein Südwestwind war aufgekommen,
trieb schwere Wolken vor sich her und jagte
die Wellen auch nach dem jenseitigen Ufer
hinüber.
Da stieg der Alte mit schweren Schritten
zur Bude in den Dünen hinauf, holte die
Segel und machte das Boot langsam z>ir Ab-
fahrt klar, seinen Jan zu suchen.
lind als die anderen Fischer im ersten
Morgengrauen am Strande erschienen, um
ihre Netze auszulegen und einzuholen, da sahen
sie gerade noch, ivie Hein sein Boot ins Wasser
schob und dann mit allen Segeln geradeaus
vorwärts schoß.
Sie standen staunend und schüttelten die
Köpfe. Und sahen dem Boot und dem Fischer
nach, sahen das Segel sich tief aufs Wasser
legen und wieder aufrichten, sahen das Boot
schwanken und tief hinabschießen, um auf dem
Rücken einer Welle von neuem emporzutauchen,
sahen ihm atemlos nach, bis es, kleiner und
kleiner werdend, als ein winziger schwarzer
Punkt am Horizont verschwand.
Und niemand weiß bis heute, wo der alte
Hein Küppers, sein Glück und sein Segelboot
geblieben sind.
Der gute Rat.
»Nun geben Sie acht, meine liebe Frau,
Und befolgen Sie alles ganz genau:
Sie bedürfen zu Ihrer Gesundheit Wahrung
Entschieden einer kräftigen Nahrung,
Drum sparen Sie nicht mit Fleisch und Braten,
Selbst etwas zu viel wird wenig schaden:
Genießen Sie fleißig Obst und Eier
Und dann und wann ein Gläschen Tokaier,
Und gehen Sie fleißig an die Luft —
Sie hausen ja hier wie in einer Gruft!
Auch dann und wann eine kleine Reise
Bringt aus dem alten gewohnten Gleise.
Bei Kälte und Nässe hübsch warme Kleidung
Hilft ebenfalls gegen Krankheitsverbreitung:
Bor allen Dingen: recht wenig Sorgen!
Nur frisch hinein in den nächsten Morgen!
Das hebt die Körper- und Seelenkraft
Und fördert das Wohlsein ganz fabelhaft!«
Die Frau, die seufzt nur: »Ach Gott, ach Gott!«
Ihr dünkt dies alles wie ein Spott.
Dann seht sie sich an die Nähmaschine,
Daß sie noch ein paar Groschen verdiene,
Paar lumpige Groschen zu Kaffee und Brot,
Zu lindern die allergrößte Not.
An Fleisch und Wein auch nur zu denken.
Das mußte sie sich schon lange schenken,
Und reisen oder spazieren gehen,
Das dünkt ihr wie eine Sünde schön.
Die Sorgen nur, die drückenden, schweren,
Die wollen sich immerzu vermehren.
So kam's, daß sie nach Monden und Wochen
Ist elendiglich zusammengebrochen,
Der Doktor aber, der sagte still:
»So kommt es, wenn man nicht hören will!«
E. Ä.
Bücher für den Weihnachtstisch.
„Das Buch vom kranken und wieder ge-
sund gewordenen Mann ain goldenen Horn."
— Neu bearbeitet von Lord Hainilton.
„Der gestiefelte Kater oder der verkaterte
italienische Stiefel." — In schöne Reime ge-
bracht von Gabriele d'Annunzio.
„Der kleine Meteorologe." — Von Ca-
dorna. Unentbehrlich für jeden Dolomiten-
Touristeu.
„Die Heilung von der englischen Krank-
heit." — Von Konstantin. Aus dem Grie-
chischen übersetzt.
„Wie werde ich energisch?" — Neu
herausgegeben von der deutschen Reichs-
regierung. Mit einem Anhang: Über die
elegante Umgehung der von uns angesetzten
Höchstpreise.
„Der kleine Rechenkünstler." — Vom
Verein der Lebensmittelspekulanten beson-
ders warm empfohlen. In vierundzwanzig
Stunden rechnet jeder spielend leicht die
Differenz zwischen dem erzielten Wucher-
gewinn und der angedrohten Geldstrafe
heraus.
„Ali Baba und die vier Ententeräuber."
Urfidel! Hochoriginell!
Inserat.
Ein Geschäftsmann, der sich auf Stachel-
draht werfen möchte, sucht Teilhaber.