8872
Der Weihnachtsmann beim Vierverband. Wintersportplah.
„Obacht, Boys, jetzt kommen endlich die großen Erfolge — da hinten kommt der
Weihnachtsmann und bringt uns die Siegespalme!"
„Goddam — so '»e Gemeinheit — es sind ja Friedenswedel!"
o
Stärkung des Deutschtums.
Die Gastwirte Schneider und Schmeer in sieunkirchcn
habe» Spielkarten von „echt deutschem" Aussehen er-
funden und sich patentieren lassen, von denen gewisse
Blätter eine „Stärkung des Deutschtums" erhoffen.
Der heiße, blutige, große Krieg,
Noch ist er nicht zu End',
Und schon erscheint der Siegesprcis
Glanzvoll am Firmament.
Er lockt und ruft den Streitern zu.
Den deutschen, braun und blond:
„Blickt her und seht, wofür ihr kämpft,
Ihr Leiden in der Front!"
Des Deutschtums Stärkung ist das Ziel!
Ihm dienet spät und früh
Mit Geist und Grazie ein Teil
Der deutsche» Industrie.
Doch keiner von der Konkurrenz
Kommt diesem Ziele Ȋh'r
Als das Neunkirchener Gastwirtspaar,
Der Schneider und der Schmeer.
Echt deutschen Sinnes Trutzpanier
And stolzes Unterpfand,
Das drückten sie dem Biedermann
Am Stammtisch in die Land.
Den Kämpfern draußen liefert Krupp
Die Waffen und die Wehr —
Die Kartenspieler rüstet aus
Der Schneider und der Schmeer.
Schon offenbart die Wirkung sich:
Es beben schreckensbleich
Das neid'sche Ruß- und Britenland
Mitsamt dem Frankenreich.
Du aber, Spießer, zeige dich
Als teutscher Mann der Tat
Mit König, Dame, Bub und Aß
Beim Zehntelpsennig-Skat! Balduin.
Es war ideales Sportwetter.
Die Wintersonne brannte warm hernieder,
der Schnee war schön pulverig und von ge-
nügender Tiefe. Kein Wunder, daß die Ski-
Gesellschaft, die den Abhang in allerhand
geschickten Serpentinen emporkletterte, in sehr
aufgeräumter Stimmung war.
Nur der kleine Bankkaufmann hielt sich von
Zeit zu Zeit für verpflichtet, daran zu erin-
nern, daß er sich des Ernstes der Kriegszeit
wohl beivußt war: „Ich laufe nur deshalb
Schneeschuhe, damit ich endlich felddienstfähig
werde."
Die jungen Mädchen kümmerten sich nicht
viel um ihn, sondern lachten und flirteten,
wie in den fernen verschollenen Zeiten, wo
der Krieg ein Fremdwort war und eine Sage
aus früheren Tagen. . . .
Die älteren Herrschaften sahen wohlgefällig
dein fröhlichen Getümmel der Jugend von
der Veranda des großen Hotels zu. Hie und
da berechnete eine Mama die Aussichten ihres
Töchterleins für eine Verlobung, die jetzt zu
Weihnachten sehr passend sei» würde. Man
trank heiße Schokolade und konstatierte, daß die
Saison diesmal doch etwas einseitig national
und nicht von dem sonstigen internationalen
Gewimmel belebt sei.
„Ach ja, der Krieg!" seufzte ein Herr. Das
war der einzige Satz, der hier an den Krieg
gemahnte.
Aber drüben die Jugend hörte mehr: als
die ersten die tannengekrönte Höhe erreicht
hatten, hinter der man in einer Schneeinulde
rasten und ein Picknick abhalten wollte, trug
der Wind eigentümliche dumpfe Töne an
ihr Ohr.
Es klang wie fernes rollendes Gewitter,
das dumpf in bestimmten Abständen in un-
heimlicher Regelmäßigkeit herniederging. Aber
an Gewitter war in der jetzigen Jahreszeit
ja nicht zu denken.
„Was ist das?" fragten sie. Und alle, die
ihnen lachend gefolgt waren, verstummten und
horchten.
Der Wind trug den Geschützdonner vom
Westen herüber, dort, wo mit rasender Mu-
nitionsverschwendung die deutschen Linien
stundenlang, tagelang überschüttet wurden.
Man konnte das tiefere Grollen der größeren
Kaliber deutlich von dem schnelleren Explo-
dieren der kleineren Geschütze unterscheiden.
Alles ging in fürchterlicher, herzbeklemmender
Monotonie vor sich.
Ein Schauer überlief die kleine Schar: da
irgendwo in der Ferne lagen Männer in
Gräben, halb voll Schnee, und mußten Tag
und Nacht dies Ungewitter über sich ergehen
lassen, um dann erbittert zu kämpfen für das
Land, für ihr Volk, auch für sie-
Langsam kehrten sie um.
Die Stimmung war verflogen. An das
Picknick und die Laute im Rucksack dachte
keiner mehr.
Mitten in ihr gedankenloses Getändel war
ein Schatten gefallen: der Schatten, den die
Faust des tobenden Krieges an der Grenze
warf.. . .
Der Weihnachtsmann beim Vierverband. Wintersportplah.
„Obacht, Boys, jetzt kommen endlich die großen Erfolge — da hinten kommt der
Weihnachtsmann und bringt uns die Siegespalme!"
„Goddam — so '»e Gemeinheit — es sind ja Friedenswedel!"
o
Stärkung des Deutschtums.
Die Gastwirte Schneider und Schmeer in sieunkirchcn
habe» Spielkarten von „echt deutschem" Aussehen er-
funden und sich patentieren lassen, von denen gewisse
Blätter eine „Stärkung des Deutschtums" erhoffen.
Der heiße, blutige, große Krieg,
Noch ist er nicht zu End',
Und schon erscheint der Siegesprcis
Glanzvoll am Firmament.
Er lockt und ruft den Streitern zu.
Den deutschen, braun und blond:
„Blickt her und seht, wofür ihr kämpft,
Ihr Leiden in der Front!"
Des Deutschtums Stärkung ist das Ziel!
Ihm dienet spät und früh
Mit Geist und Grazie ein Teil
Der deutsche» Industrie.
Doch keiner von der Konkurrenz
Kommt diesem Ziele Ȋh'r
Als das Neunkirchener Gastwirtspaar,
Der Schneider und der Schmeer.
Echt deutschen Sinnes Trutzpanier
And stolzes Unterpfand,
Das drückten sie dem Biedermann
Am Stammtisch in die Land.
Den Kämpfern draußen liefert Krupp
Die Waffen und die Wehr —
Die Kartenspieler rüstet aus
Der Schneider und der Schmeer.
Schon offenbart die Wirkung sich:
Es beben schreckensbleich
Das neid'sche Ruß- und Britenland
Mitsamt dem Frankenreich.
Du aber, Spießer, zeige dich
Als teutscher Mann der Tat
Mit König, Dame, Bub und Aß
Beim Zehntelpsennig-Skat! Balduin.
Es war ideales Sportwetter.
Die Wintersonne brannte warm hernieder,
der Schnee war schön pulverig und von ge-
nügender Tiefe. Kein Wunder, daß die Ski-
Gesellschaft, die den Abhang in allerhand
geschickten Serpentinen emporkletterte, in sehr
aufgeräumter Stimmung war.
Nur der kleine Bankkaufmann hielt sich von
Zeit zu Zeit für verpflichtet, daran zu erin-
nern, daß er sich des Ernstes der Kriegszeit
wohl beivußt war: „Ich laufe nur deshalb
Schneeschuhe, damit ich endlich felddienstfähig
werde."
Die jungen Mädchen kümmerten sich nicht
viel um ihn, sondern lachten und flirteten,
wie in den fernen verschollenen Zeiten, wo
der Krieg ein Fremdwort war und eine Sage
aus früheren Tagen. . . .
Die älteren Herrschaften sahen wohlgefällig
dein fröhlichen Getümmel der Jugend von
der Veranda des großen Hotels zu. Hie und
da berechnete eine Mama die Aussichten ihres
Töchterleins für eine Verlobung, die jetzt zu
Weihnachten sehr passend sei» würde. Man
trank heiße Schokolade und konstatierte, daß die
Saison diesmal doch etwas einseitig national
und nicht von dem sonstigen internationalen
Gewimmel belebt sei.
„Ach ja, der Krieg!" seufzte ein Herr. Das
war der einzige Satz, der hier an den Krieg
gemahnte.
Aber drüben die Jugend hörte mehr: als
die ersten die tannengekrönte Höhe erreicht
hatten, hinter der man in einer Schneeinulde
rasten und ein Picknick abhalten wollte, trug
der Wind eigentümliche dumpfe Töne an
ihr Ohr.
Es klang wie fernes rollendes Gewitter,
das dumpf in bestimmten Abständen in un-
heimlicher Regelmäßigkeit herniederging. Aber
an Gewitter war in der jetzigen Jahreszeit
ja nicht zu denken.
„Was ist das?" fragten sie. Und alle, die
ihnen lachend gefolgt waren, verstummten und
horchten.
Der Wind trug den Geschützdonner vom
Westen herüber, dort, wo mit rasender Mu-
nitionsverschwendung die deutschen Linien
stundenlang, tagelang überschüttet wurden.
Man konnte das tiefere Grollen der größeren
Kaliber deutlich von dem schnelleren Explo-
dieren der kleineren Geschütze unterscheiden.
Alles ging in fürchterlicher, herzbeklemmender
Monotonie vor sich.
Ein Schauer überlief die kleine Schar: da
irgendwo in der Ferne lagen Männer in
Gräben, halb voll Schnee, und mußten Tag
und Nacht dies Ungewitter über sich ergehen
lassen, um dann erbittert zu kämpfen für das
Land, für ihr Volk, auch für sie-
Langsam kehrten sie um.
Die Stimmung war verflogen. An das
Picknick und die Laute im Rucksack dachte
keiner mehr.
Mitten in ihr gedankenloses Getändel war
ein Schatten gefallen: der Schatten, den die
Faust des tobenden Krieges an der Grenze
warf.. . .