Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0017
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8890

Wenn wir in alten Tagen,

In Tagen kühn und groß,

Der Arbeit Schlacht geschlagen,
Da rang ein Ruf sich los,

Ein Ruf, wie Schwerterklirren,
Wie dröhnend Feldgeschrei:
Hoch über Zwist und Wirren
Die Einheit der Partei!

Seid einig!

Sott es seht anders heißen?

Die Zwietracht hebt ihr Haupt
Und will das Band zerreißen.
Das wir so fest geglaubt.

Sind wir so nah am Ziele,

So nahe schon am Sieg,

Daß euch im Trotzgefühle
Der Geist von früher schwieg?

Wie eine Schicksalswende
Braust's ehern um uns her:
Schließt dichter eure Hände,
Packt fester das Gewehr!

Es ist die Zeit im Kreißen,
Die Ernte naht herbei —
Und ihr, ihr wollt zerreißen
Die Einheit der Partei?

Ihr, sonst des Volkes Führer —
Der alten Bünde denkt!

Seid nicht der Zwietracht Schürer,
Die ins Verderben lenkt.

Heut mehr als je vonnöten
In dieses Kriegs Geschrei,
Zu enden Graun und Töten,
Ist: Einheit der Partei!

Lin Lichtstrahl.

Zwar, so hört man die Propheten munkeln,
Liegt des Deutschen Zukunft noch im Dunkeln,
Doch erwäge man das Wie und Was —

Jener dieses und der andre das.

Einerseits: nach dieser Zeit, der harten,

Lei ein Fortschritt sicher zu erwarten;
andrerseits droht man, darob gekränkt,

Daß es anders komme, als man denkt.

Doch gehemmt, einander zu verkeilen,

Puffen sie sich sanft nur in den Zeilen,

Und burgfriedlich kündet jeder an:

Nach dem Uriege, Freundchen! Warte man!

Und nun sieh, indes sie so noch streiten.

Schon den ersten Schimmer auf uns gleiten;
Denn des Schleiers dunkler Zipfel wich
vor der ljand des Meisters pelfferich.

Deutlich ist uns jüngst sein Wort erglommen:
„Neue Steuern — ja, sie werden kommen!

Und ich sage es von vornherein:

Diese Steuern werden kräftig sein!"

Tappen wir auch sonsten noch int Dunkeln,
Diesen Lichtstrahl sehen wir schon funkeln
voll Gewißheit, aller Zweifel bar:

Steuern kommen. Dies ist sicher wahr! pan.

Feldpostbriefe.

XXXVII.

Geliebte Rieke! Du bemerkst sehr richtig, daß
jetzt schon zum zweitenmal die schöneFaschings-
zeit wieder begonnen hat, ohne daß man ivas
davon zu merken kriegt, denn alle die männ-
lichen Reize, die ihr sonst dem höheren Glanz
verleihten, weilen in die unsichtbare Ferne und
wammsen sich mit die Franzosen, Russen und
Engländer herum. Und mit was soll das
deutsche Mädchen scherbeln, wenn der deutsche
Jüngling bis in das fünfundvierzigste Lebens-
jahr auf dein Felde der Ehre im Dreck sitzt
und Läuse hat?

Trotzdem denken wir hier oft an die frohen
Maskenbälle in Halensee zurück, besonders in
die letzteti Tage, wo ein neuer Nachschub von
frisch ausgebildete ungediente Ersatzmanii-

schaften bei unsere Kompagnie eingetroffen
ist, die alle in ihre egale feldgraue Kostümie-
rung drinstechen, so daß man nicht erkennen
kann, was sie in die friedliche Zivilwirklichkeit
vorstellen. Das ist ganz ivie auf dem Masken-
ball, ivo ich dem Troubadour verkachelte, iveil
ich die irrtümliche Meinung hegte, daß es
wieder der bewußte Emil ivar, der sich das
vorige Mal in dem dunklen Hausflur bei dir
anzubiedern versucht hatte, während diesmal
in dieselbe verlockende Maske ein ganz harm-
loser Schneidergeselle drinstach und der be-
wußte Emil in eine schivarze Mönchskutte un-
vernvalkt von meine Rache davonkam.

Wir befinden uns augenblicklich in eine un-
genierte Reservestellung und benutzen unsere
freie Zeit, um die Unterstände auszubauen und
für die winterliche Bewohnbarkeit angenehm
zu machen. Da kamen uns die neuen Land-
stürmer sehr zu passe, indem sich unter ihnen
viele gelernte Handiverker befinden, die hier
mit Wollust ihre Künste ausüben. Ein Töpfer
hat uns einen Ofen gebaut, ein Glaser hat
das Fenster dicht gemacht und ein paar Tischler
haben uns in kurze Zeit so viele Stühle und
Bänke gezimmert, daß ivir in die Kompagnie
gar nicht genug Gesäße haben, um sie alle ge-
bührend genießen zu können. Auch ein rich-
tiger Kunstmaler ist mang, der in alle Heim-
lichkeit an einem revierkranken Nachmittag
sämtliche Sitzgelegenheiten in unserem Unter-
stand grün anstrich. Wie mir daun abends uns
unbewußt auf die hölzernen Fohtölchs nieder-
ließen, da blieben mir zu unserem Schrecken
pappen, indem die Farbe natürlich noch nicht
getrocknet war, und nun läuft unsere ganze
Korporalschaft mit grüne Hinterteile herum.

So sucht sich jeder von die landstürmenden
Rekruten nützlich und beliebt zu machen. Bloß
einer ist dabei, der zu nichts zu gebrauchen
war, iveil er anscheinend keine Bildung nicht
genossen hatte. Er wurde daher zum Häcksel-
schneiden für unfern Hauptmannsgaul kom-
mandiert, was jeder Mensch von Natur kann,
und mußte während die übrige Zeit die Kar-
toffeln in unsere Miete auslesen. Er stellte sich
bei diese landivirtschaftliche Beschäftigung zu-
erst ein bißchen dämlich an, aber dann machte

sie ihm ein knolliges Vergnügen. Er jubelte
mit lauter Stimme: „Herrschaft, wenn ich ge-
ahnt hätte, daß das so vielen Spaß macht!
Warum Hab ich das nicht schon früher ge-
wußt?" Wir erkundigten uns daraufhin, was
er denn eigentlich gelernt hätte, aber er gab
zur Antwort: „Ach was, gelernt! Ich bin
Rittergutsbesitzer!"

Ein anderer von die neuen Mannschaften
tat mir von Anfang an leid, weil er sich in
seine hilflose Gutmütigkeit nirgends durch-
drücken konnte. Er lag nachts neben meinen
Freund Fritze Lehmann aus die Ackerstraße,
der ein klotziges Rauhbein ist, und kriegte bloß
immer einen Zipfel von die gemeinschaftliche
Decke. Und wenn er mal im Schlaf etwas
tiefer unterkriechen wollte, dann setzte es ek-
lige Rippenstöße, so daß er auf die eine Seite
schon ganz blau geworden war. Schließlich
jammerte mir der Kamerad und ich lud ihm
auf mein Lager ei», wo noch Platz genug war.
Er dankte mit sanften Worten und gestand
mir, daß ihm auch schon ein Paar schöne
warme Socken abhanden gekommen wären,
aber er wußte nicht, von wem. Ich fragte
ihm, warum er denn nicht besser aufgepaßt
hätte, aber er sah mir schmerzlich an und sagte:
„Ich kann keinem Menschen was Schlechtes zu
trauen!" Da schivante mir, daß er vielleicht
von die Heilsarmee sein könnte, und ich fragte
ihm: „Menschenskind, was bist du denn eigent-
lich in Zivil?" „Staatsanwaltsgehilfe beim
Perleberger Landgericht!" gab er mir seufzend
zur Antwort.

Daraus erkannte ich, geliebte Rieke, daß man
hier im Felde ebenso wie auf deni Halenseer
Maskenball sehr leicht zu allerhand Mißver-
ständnisse in bezug auf seine Mitmenschen
kommen kann, und ich bin mit diese Erkenntnis
sowie mit die herzlichsten Grüße Dein getreuer
Bräutigam

"August Säge ju»., Garde-Grenadier.

P. S. Ich bitte Dir, mir mit Deine nächste
liebe Sendung freundlichst ein paar Zigarren
mehr zu veranlassen, damit ich dem obigen
armen Kameraden von die Staatsanwaltschaft
davon abgeben kann, dem in seine Leicht-
gläubigkeit immer alles geklemmt wird.

Hstoriscbt KmalMiM « toll *
 
Annotationen