Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 8891

"Die neue Finanzresorm machen wir diesmal ohne die Sozial-
demokraten, die sie uns doch nur verpfuschen würden!"

m liobelfpäne.

Jeder Brite wird Soldate,

Ob's ihm recht ist oder nicht
Dienen muß er seinem Staate
Im Verfolg der Heerespflicht!

Bist du darum ausgezogen?

Schlagen einen „Drachen" tot
Wollt'st du tapfer und verivogen —

Und nun kommst du selbst in Not!

Schaffst dir nun den Dienstzwang selber,
Werbefreiheit sinkt auf Null —

Ach, was gibt es doch für „Kälber",
Hochverehrter Freund John Bull!

Anläßlich der „Abberufung" des österreichischen Botschafters Dumba
imd der Attaches Paschel, und Boy-Ed aus Amerika wurde Präsident
Wilson vom „Verband der Hausknechte aus Nubierland" zum Ehren-
mitglied ernannt. »

Das österreichische Parlament hat beschlossen, sich in das Lazarett auf-
nehmen zu lassen, das in seinem Gebäude eingerichtet ist. Die zu Neujahr
eingegangenen Begrüßungstelegramme der Parlamente Deutschlands,
der Türkei und Bulgariens sind als „unbestellbar" zurückgegangen.

Die Berliner Zeitungen haben sich auf eilten bestimmten Verbots-
turnus geeinigt, den sie der zuständigen Stelle als Vorschlag unter-
breiten ivollen. .

Keine Parteispaltung in Sicht! Das dänische Mitglied des Reichs-
tages hat beschlossen, die Einheit und Geschlosseilheit seiner Fraktion
auch weiterhin unerschütterlich ausrechtzuerhalten.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Der Werber mit dem Bruderherz.

Aus dem „Labour veader" übersetzt.

O

In der Wochenchronik des „Labour Leader"
N'nrde kürzlich folgendes mitgeteilt:

Unlängst sprach ich in einer Versammlung,
>vo ein Mitglied des Gewerkschaftsrats an-
wesend war, dessen Energie ans der Werber-
Plattform kaum größer sein könnte, wenn er
Pord Derby in eigener Person iväre. In seiner
Erwiderung auf meine Rede sagte er: „Ich
wbe meinen deutschen Bruder trotz alledem,
^i>er hätte ich noch das Dienstalter, würde
'ch ihn schon lang erschossen haben." Am
"c*cl)ften Morgen bekam ich von einem Teil-
"^hmer der Versammlung folgende Verse, die
rr unter dem Eindruck dieser Äußerung noch
vor Schluß des Meetings zu Papier gebracht
hatte.

^cr Deutsche ist mir wie ein Bruder lieb.

Blut ist wann und purpurn wie das meine.
Doch mir eine Flinte in die Hand,
ad strömen soll dies Blut gleich rotem Weine.

Der Deutsche ist mir wie ein Bruder lieb
"t seinen ehrlich rauhen Werkmannshänden —
^0^) auf und fort! Der Schiitzengraben ruft.
Bruder will ich stracks ins Jenseits senden.

D^r Deutsche ist mir wie ein Bruder lieb.

Hv liebt gleich mir es nicht, Livrei zu tragen.

Doch.stectt mich schnell in König Georgs Rock,

Den,, Deutschland muß ich ganz zu Boden schlagen.

Der Deutsche ist mir wie ein Bruder lieb.

lind

zu beweisen meine Bundestreue

^chiep ich auf ihn, er schießt zurück auf mich,
l»d töt ich ihn, so ganz gewiß mit Reue!

Lieber Jacob!

Vorigten Freitag kriegte ick von meinen
ollen Freind Edeward eenen Brief aus Dö-
beritz, wo er als Landstürmer bet Vaterland
jejen de jesangenen Russen bewachen tut. Er
war janz et,zwei von ivejen den Niederjang
seiner Familie, ieber dem ihm ein anonimes
Schreiben uffjeklärt hatte. Den Ältesten wol-
len se wejen faule Sachen ans de Schule ja-
gen, un Edeward'n seine Olle soll sich eenen
moralisch „ich einwandfreien Lebenswandel
erjeben haben. Edeward bat mir dringend,
ick sollte inal hiinnachen un de» Tatbestand
feststellen.

Also klomm ick Sonntag vormittag de vier
Treppe» ruff. Jleiech vorne in de Kiche stieg
mir een ranziger Fettjernch in die Reese und
Edeward'n seine Jattin bejrießte mir mit die
jewohnte unbefangene Herzlichkeit. „Na, Sie
oller Schwiemel, karrt Ihnen der Deibel ooch
mal wieder her?" sagte sie heeflich un nee-
tigle mir in die jute Stube. Ick entjejente
nischt, sondern kiekte ihr bloß ins Jesichte. Un
bet beruhigte mir einwandfrei. Drittehalb
Zentner Lebendgewicht un die Kulpsneese mit-
ten in die Visage! Da war beim besten Wil-
len nischt Unmoralisches „ich zu befirchte».

Nun erkundigte ick mir nach bet freundliche
Befinden von de iebrije Familie un wie et
den Ältesten jinge. Da erhob die Frau een
lautes Wehklagen un jestand mir, bet mit
den Bengel nischt mehr zu machen wäre, seit
se sich ihm kerperlich »ich mehr jeivachsen
fiehle, un bet se jedroht hätten, wenn in de.
Schule nochmal wat passierte, wirden se ihm
in Fürsorge stecke». „Wo is er?" fragte ick.
„Del Aas liegt noch ins Beile!" entjejente se

schluchzend. „Wat, jetz um die Mittagszeit?"
schrie ick voll Entrlstung. Ohne een Wort
zu verlieren, llrngte ick ihm aus de Federn
un machte von mein Jastrecht in de durch-
jreifendste Weise Jebrauch. Nach fimf Minu-
ten fiehlte sich der Bengel ivie neijeboren un
versprach unter Tränen alle jewinschten Bes-
serungen, un ick versprach ihm ohne Tränen,
dct ick ihm alle Sonntage besuchen un mir
nach fein Befinden erkundigen werde.

Damit schien mir ooch dieser Fall erledigt
zu sind. Ick setzte mir zu die bejlickte Mutter
uff't Sofa un wir unterhielten uns ieber aller-
hand kriegswirtschaftliche Fragen. Ick wollte
ihr wat schmeichelhaftes sagen un äußerte:
„Et riecht scheen fettig bei Sie." Da jestand
se mir denn, bet se jeden Nachmittag ihre
sämtlichen sieben Jören ausschicke, um in de
verschiedensten Läden Butter un Marjarine
zu köpfen, llff diese Weise habe se immer so
ville zusammen jehamstert, bet een Teil ihr
ranzig iverde, un dem jebe se denn mit'n
scheenen Profit an de Nachbarn ab. Da wurde
ick aber falsch. „Det is '»e Jemeinheit von
Sie!" drillte ick ihr an, „un Se sollten sich
schämen! Eene Mutter, die sonne schofle Ham-
sterei in de Butter betreibt, derf sieh nich be-
klagen, wenn ooch ihr Ältester Butter uff'n
Kopp hat! Det is de jerechte Strafe des Schick-
sals!" Sie brach zerknirschend zusammen un
jelobte Besserung. Ick aber verließ Edeward'n
seine Wohnung mit det stolze Bewußtsein, an
eenen eenzigen Vormittag zwei verirrte Seelen
jerettet zu haben.. . .

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an ’» Jörlitzer Bahnhof jleich links.

AedaktiemSschlup in. Jnmiar NN«.
 
Annotationen