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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0054
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— 8927

Der Patriot.

„Nu macht mir auch der Krieg ka Freid mehr, wann's die
Bocksaison verbieten!"

^ DobelspAne.

Die Sonne sinkt hinunter,

Die Sonne steigt herauf
Und auch in diesen Zeiten
Nimmt sie den gleichen Lauf.

Sie spendet ihre Wärme
Deni kämpfenden Geschlecht,

Und mag nicht unterscheiden
Gerecht und ungerecht.

Was Menschen Großes dünket,

Dem Weltgeist dünkt es klein,

Er läßt auf alle strahlen
Der Sonne gold'nen Schein.

In Italien wurden zahlreiche gefälschte Fünfhundert-Lire-Noten
auf die Kriegsanleihe eingezahlt. Die Geldgeber wollten sicher garnicht
betrügen; sie wollten damit nur demonstrieren, wie — echt ihre Kriegs-
begeisterung ist. .

Nachdem jetzt drei Könige aus dem Spiel sind, sollte der alteHazard-
spieler John Bull doch endlich die Partie aufgeben; gewinnen kann
er sie ja doch nicht mehr. *

Herr Churchill sprach und seufzte schwer:

„Wo nehmen die Germans die U-Boote her?

Sie sind überall und schier ohne Zahl,

Sie schütteln sie wohl aus dem — Ärmel-Kanal?"

Steigende Kohlennot herrscht jetzt in Italien, — und dabei wollte
es noch Österreich „einheizen"!

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Ein neues Amt.

Im Lond'ner Unterhaus verlangte.

Und dieser Einfall war nicht dumm.

Der Mister Lynch als letzte Rettung
Ein „Denker-Ministerium".

„Was es bisher", so sprach er sinnend,
„Zu hören gab für unser Ohr
An kühnen oder weisen Reden,

Lockt keinen Lund vom Ose» vor;

And was gar bis zur heut'gen Stunde
Man uns von Taten sehen ließ,
Erscheint, verzeiht den harten Ausdruck,
Im höchsten Maße mau und mies.

Aus dieser sehr blamablen Lage
Zeig' ich den Ausweg klipp und klar:
Denn wenn bis jetzt nur Quark zu sehen
Und nichts als Quatsch zu hören war,

So gibt das Amt, das ich empfehle.

Die Möglichkeit dem Englischmann,

Daß er zur Stärkung und Erbauung
Sich recht was schönes — denken kann!"

Sulla.

(27

Die Vutterkarte.

Na, endlich wird die schiefe Ivelt
INal wieder wagerecht gestellt,

N)ie er der Menschheit frommt.

Man braucht sich nicht von sieben bis zehn
Die Beine in den Leib zu stehn:

Die Butterkarte kommt.

3n Groß-Berlin nahm jedermann,

Der nicht mit Talern klimpern kann,

Die Bunde freudig auf.
pro lDoche nennt jetzt groß und klein
Tin Diertelpfündchen Butter sein
3n dieser Zeiten Lauf.

Die Gleichheit ist jetzt das panier
3» Groß-Berlin, drum sagen wir
Der Butterkarte Dank.

3n Zukunft ist beim Baus vorbei
Die schnöde Butterhamsterei,

Die längst zum ksimmel stank! fl. st.

(2?

Lieber Jacob!

Ick bin ieberzeugter Anhänger der effent-
lichen Meinung un halte de Presse for 'ne
scheuiale Erfindung des menschlichen Jeistes.
Allerdings is bet mit die Zeitungen verschie-
den; wat der eene drin mit Interesse sucht, bet
is dein andern völlig piepe un umjekehrt. Ick
lese als pollitisch denkender Zeitjenosse, ver-
steht sich, vor allem immer de Leitartikel, aus
die ick meine Kenntnisse ieber de effentlichen
Zustände, soiveit als se von det Oberkom-
mando jestattet iverden, zu bereichern suche.
Meine Olle dajejen is mehr for de Romane
untern Strich, un se kann manchmal vor poe-
tische Uffrejung janich dem Morjen erwarten,
wo de Fortsetzung folgt. Lucie, was meine
Älteste is, setzt sich immer zuerst »ff dem In-
seratenteil, indem det se doch 'ne neie Stel-
lung sucht, weil se sich in ihre jetzije mit det
krummbeinige Ekel von Jeschäftsfiehrer nich
verdragen kann. Meine Jungens lesen nischt
als wie det Lokale, wo de zusammenjefahrenen
Elektrischen, die uff eene Appelsinenschale aus-
jerutschten Jreise un andere uffrejende Mords-
jeschichten drinstehen. Wat aber meine olle
Schwiejermutter is, die liest überhaupt nischt
mehr, weil se sagt, mit ihre achtzig Jahre
kann ihr keener mehr wat Neies erzählen; aber
weil se doch det Papier zu de verschiedensten
Zwecke sehr neetig hat, holt se sich Sonn-

tags immer 'n Stoß Nummern von de vorigte
Woche bei uns ab, un se freit sich, wenn det
Papier nich zu hart is.

So stellt jeder seine perseenlichen Anspriche
an de Orjane der effentlichen Meinung. De
merkwirdigste Art aber, de Presse zu jenießen,
hat doch der Büdner Meier in Schmerzke, der
sich bei detJeneralkommando ieber dem„Bran-
denburjischen Anzeijer" beschwert hat, weil er
ihm zu sehr stinken tut! Mit de pollitische Hal-
tung von det Blatt is er einverstanden, bloß
mit den Jeruch nich. Un det Jeneralkommando,
det ja heitzudage amtlich verflichtet is, seine
Reese in allens zu stecke», hat ooch dem „Bran-
denburjischen Anzeijer" berochen un durch een
Jutachten von't Medizinalkollejium feststellen
lassen, det er tatsächlich eenen jesundheits-
schädlichen Jbelstand ansströmen tut. Nu is
det Blatt befohlen worden, umjehend een bes-
seres Aroma zu entfalten, un det stellvertre-
tende Jeneralkommando wird sich nach drei
Tagen durch den Nasenschein von die Befol-
jung verjeivissern. Aber det Blatt hat dem
vorjeschriebenen Wohljeruch abjelehnt, weil et
sagt, det mit Rücksicht uff de kriejerischen Zu-
stände Forze majöre in de Druckerschwärze
vorhanden is, wo det Blatt nischt for kann,
un janz Eiropa wartet nu jespannt, wer aus
diese Episode des Weltkriejes als Siejer her-
vorjehen wird.

Ick muß aber nu sagen, det ick Meiern aus
Schmerzke seine Schmerzen nich verstehe, denn
wenn der patriotesche Inhalt von meine Zei-
tung mir simpathisch in dee Reese sticht, denn
kann de Druckerschivärze von mir aus so ville
nach Forze majöre stinken, wie se lustig is!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

RedaMonSschluß 21. Februar 191fi.
 
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