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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0073
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. 8946

kulinarisches.

Mr essen, sagen sie, schon grüne Seife.

Und dieses ist es, was ich nicht begreife;
Denn nicht Kartoffeln oder Pflaumenmus
Sind jetzt des Deutschen einziger Genuß.
Kuch nicht der kjammel- oder Uinderbraten,
Die nur zuweilen etwas zäh geraten,

Der kjering nicht, und nicht das Borstenvieh
Erschöpfen das germanische Menü.

Denn also las man jüngst in einer Zeitung:
„verstehst du nur die rechte Zubereitung
Und weißt zum kjändler, der es hat, zu gehn,
Wirst du nicht eine Spur vom Mangel sehn.
3u Kleinen Bergen häuft sich 5rühgemüse.

Du dünkst dich selig, wie im Paradiese,

Denn Unstern auch, und echter Kaviar,

Sie bieten sich dir zentnerweise dar.

„Schau das Bassin: dort tummeln sich die schnellen,
Zahlreichen, munteren, leckeren Forellen.

Lin Uiesenlachs sperrt seine Schnauze auf,

Und Trüffeln türmen sich, ein großer ljauf.
Beizt dies den Gaumen nicht — da liegt ein Eber
Und dort Pasteten von der Gänseleber.

Wenn solcherlei das kluge wonnig sieht,

Erholt sich der gedrückte klppetit.

„Und deine Sinne fangen an zu tanzen,
Behaglich streichst du deinen frohen Uanzen
Und schnüffelst mit begehrlichem Gesicht,

Denn grüne Seife ist dies wahrlich nicht,
verstehst du die Genüsse nur zu heben,

Läßt sich's noch immer prächtig bei uns leben.
Man ißt und trinkt sich noch das Podagra
Genau wie sonst. Es ist ja alles da!"

Wie tröstlich klingt mir diese frohe Weise,
Wenn ich so meine lhuetschkartoffeln speise!
Wie herzlich freu ich mich am Überfluß,

Weil ich nicht grüne Seife essen muß.

Fern sei mir Neid. Sch schlucke froh und heiter
Und denke nur im stillen mit Fritz Neuter:
„Nindfleisch un plummen is en schön Gericht,
Doch, meine Herrn, ick krieg't man nicht."

Pan.

O

Champagne.

Von Eugen Fritsch, im Felde.

Zerschossene Dörfer, noch halb in Brand,

Biel schmucklose Kreuze ragen ins Land,

Die Äcker zerstampft, granatendurchwühlt,

In zcrsplitterlen Wäldern der Sturmwind spielt.

Astleer stehen Baum und Strauch,

Geknickt, zersplittert: — des Todes Hauch
Hat kalt über sie hinweggeweht,

Daß Stumpf nur noch bei Stümpfen steht.

Weit durch der Felder kahles Land,

Zieht sich der Gräben weißes Band.

Und Hügel sich an Hügel reiht,

Aus denen es Tod und Berderben speit.

Und in der Erde, vom Tode umdroht,

Klingt dumpf das Lied vom Morgenrot. . . .
Der Sturm heult der Sorge ihr Wiegenlied,
In der Champagne Kriegsgebict.

Leo.

Auch eine Kriegsgeschichte.

Draußen vor der kleinen Stadt, im
Schützenhausgarten, derjetztimKrieg
verödet dalag, standen die Wagen mit
der pompösen Aufschrift: „Menage-
rie Mariano". Es waren nur drei
Wagen. Und davon war auch nur
einer „bewohnt": der Löwe, der ein-
stige Stolz der einstigen Menagerie,
führte da fein Feriendasein. Die
anderen Wagen standen leer.

Wer aus dem Namen der Mena-
gerie geschloffen hätte, daß ihr Be-
sitzer im Land der Makkaroni und
Lorbeerbäume geboren wäre, hätte
sich gründlich geirrt: Max Maier
war unter Fichten und Buchen am
Strand der Havel geboren. Aber das
Publikum wollte nun einmal etivas
Apartes und Fremdartiges haben,
das heißt damals in jenen märchen-
haften Zeiten, als Friede herrschte.
Heute ist das natürlich ganz anders

geworden. Und so war aus Maier „Mariano"
geworden.

„Mariano" stand jetzt in Feldgrau vor seinem
Besitztum: außer dem Löiven war nichts mehr
sein eigen. Die Schlangen und Papageien halle
er bei Kriegsausbruch verkauft, aberden alten,
abgemagerten Löwen wollte auch der kleinste
Zoologische Garten nicht geschenkt haben.

Leo knurrte etwas und leckte leidenschaftlich
die Gitterstäbe ab. Er hatte offenbar Hunger:
die Portionen waren von Tag zu Tag teurer
geivorden und hatten sich dementsprechend ver-
kleinert.

Sein Herr sah ihn traurig an. Gewiß, Leo
war steinalt und längst kein Prachtexemplar
mehr. Schon längst brauchte er die Dämme-
rung der kleinen Menagerie, um furchtbar zu
erscheinen, und nur auf den kleinen Dörfern
verursachte er noch Schrecken. Bei den Vor-
stellungen hatte es stets viel Mühe gekostet, ihn
ein bißchen „wild" zu machen und zum Brüllen
zu bringen.

Aber hatte Leo ihn nicht jahrelang ernährt?
War er nicht immer der Anziehungspunkt für
die Dörfler gewesen, denen eine Gänsehaut
über den Rücken lief bei dem Gedanken, einen
leibhaftigen afrikanischen Löwen in ihren
Mauern zu wissen?

So war ihm das altgewordene Tier in den
zivölf Jahren, da er mit ihm umherzog, ein
Freund geworden.

Er kraute die Mähne Leos; das Tier stieß
einen dumpfen Laut aus, wedelte mit dem
Schweif und sah ihn, wie es ihm schien, bittend
und vertrauend an. Er mußte den Blick ab-
wenden, so tat ihm das weh.

Seit Kriegsbeginn, als die Einnahmen im-
mer magerer wurde», hatte er das Meiste sei-
nes kargen Verdienstes zu Futter für das Tier
verbraucht. Vor kurzem war er einberufen
worden und sollte nun in die Kaserne der
großen Stadt überfiedeln. Was wurde dann
aus Leo?

Er war bittend von Pontius zu Pilatus
gelaufen, ohne etwas anderes zu
ernten als Hohnlachen oder besten-
falls Achselzucken.

Sollte das Tier in seinem Käfig
verhungern? Er griff nach der Pi-
stole in seiner Tasche.

Die Uhr schlug. In einer Viertel-
stunde ging fein Zug
Da nahm er sich zusammen, drückte
die Waffe aus das rechte Auge des
Löwen und schoß alle Schüsse ab.
Dann wandte er sich und lief eilig
zum Bahnhof, um nicht das Röcheln
des verendenden Tieres mehr hören
zu müssen. . . .

(2?

Im Cafe.

Gast: Kellner! Eine Gasmaske!
Kellner: Bedaure, mein Herr!
Wozu brauchen Sie den» eine solche?

Gast: Dumme Frage! Da riechen
Sie nur einmal an den neuesten Zei-
tungen! Die stinken ja, daß man
Umfallen möchte!

Der Munitionslieferant.

„Ich habe doch wirklich eine tadellos neutrale Gesinnung, denn mir sind
die Mittelmächte ebenso lieb wie der Vierverband. Je besser die Mittelmächte
durchhalten, desto mehr kann ich dem Viervcrband liefern."
 
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