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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0125
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—» 8998

„Die unterdrückten Völker
vom Joche zu befrein,

Trat Mbion, das edle,

In diesen Weltkrieg ein!" -
So sprach der biedre Ksquith,
Alt-Lnglands bester Mann -
Und alle Völker hörten ihn
Mit lautem Beifall an.

Besonders weckt die Uede
In tapfrer Iren Brust
sympathisches Verständnis
Und freud'ge Tatenlust:

Ihr Volk, das unterdrückte,
vom Joche zu befrein,

Woll'n Lhren-Usquith gerne sie
Und rasch behilflich sein.

„Wohlan, ergreift die Waffen!
Britanniens Wunsch gescheh'!"

So schallt's auf Trins Liland
von Uells bis Uillarney,

Mit Hurra sprengt die Fesseln
Der kampfesfrohe Troß
Und pffanzt der Freiheit Ziegspanier
Uuf Dublins festes Schloß.

Doch Usquith - habt ihr Worte? -
Statt herzlich sich zu freun
Ob dieses Freiheitskämpfer,

Schien Gall' und Gift zu spein!

Woraus man mit Befremden

Mal wieder klar ersieht,

wie schwer oft zu befried'gen ist

Tin anspruchsvoll Gemüt. Lehman».

Feldpostbriefe.

XLYI.

Geliebte Eltern! Herzlichen Dank für Eure
Briefe mit die vielen Berliner Zeitungen.
Papier kann inan hier immer brauchen, da
man sonst von alle Kultur vollständig abge-
schnilten ist. Vorher aber habe ich noch in die
Blätter hineingeblickt, und ich ersah daraus
mit innige Rührung, das; unsere Agrarier noch
immer bemüht sind, in selbstlose Opferfreudig-
keit ihr Letztes herzugeben, damit das deutsche
Volk in den Städten keine Not nicht zu leiden
braucht, sondern immer genug zu präpeln hat.
Nu» hat sogar die Regierung für die Land-
wirte ein Schlachtverbot erlassen müssen, da-
mit sie sich nicht vorzeitig von allem entblößen,
sondern für sich und ihre Kinder auch noch
was zum Winter übrig behalten. Ebenso hat
es mir herzlich gefreut, daß ein Teil von die
Berliner Schlächter mit seine Vorräte so spar-
sam umzugehen weiß und dadurch verhindert,
daß das unverständige Volk sich einem zu
iippigen Fleischgcnuß hingibt und nicht an die
Zukunft denkt. Fünfundsechzig heimlich versto-
chene Speckseiten in ein einziges Geschäft! Das
ist selbst für einen Hofschlächter alles mögliche!

Gegenüber diese Fälle von Edelmut müssen
wir mit dem hiesigen rusfischen Nährstand leider
sehr traurige Erfahrungen machen. Borigte
Woche zum Beispiel war ich bei ein Kommando,
das auf einem hinter die Front gelegenen rus-
sischen Gutshof Lebensmittel eintreiben sollte.
Der Anblick des Gntsbesitzerehepaares, die zu-
sammen ihre vier Zentner im Schatten wogen,
erweckte in unsere Herzen die sichere Hoffnung
auf reichlich vorhandene Nährwerte. Auch der
körperliche Zustand der anwesenden neun Kin-
derchen machte einen beruhigenden Eindruck.
Aber, was soll ich Euch sagen? Die Leute
versicherten uns in fließendes Deutsch und
ohne orthographische Fehler, daß sie außer
etwas trockenes Brot nicht die geringsten Ge-
nußmittel besäßen. Auf unsere» dienstlichen
Hinweis von wegen ihren Leibesumfang ent-
gegneten sie, sie wären nun mal von die früheren

besseren Zeilen her an die Dickigkeit gewohnt
und könnten daher auch jetzt nicht davon ab-
tassen. Diese unwahrscheinliche Entschuldigung
befriedigte uns natürlich nicht, sondern wir
begannen eine sehr energische Nachsuchung in
Küche, Keller, Ställe und Vorratskammern.
Aber unsere Mühe war vergeblich. Alles leer!
Bloß ein ungeheuerlicher Dreck war in Masse
vorhanden, sonst nichts. Der Gefreite Meyer,
der immer sehr findig ist, entdeckte zuletzt eine
fest verschlossene Tür, wo ein vielversprechen-
der ranziger Geruch nach Fettigkeit, verinischt
mit gutem altem Limburger hervordrang. Die
Ausflüchte des Ehepaares halfen nichts, die
Türe mußte geöffnet werden. Aber — wer
beschreibt unseren Schreck! statt der erhofften
heimlichen Speisekammer erblickten wir das
unbeschreibliche eheliche Schlafgemach der Fa-
milie, und über dem Bett waren zwei Dutzend
schmutzige Windeln zum Trocknen aufgehängt!
Trotz diesem Anblick überwanden mir uns und
suchten auch hier noch alles genau durch. Aber
sogar in die Betten war nichts zu finden. Wir
mußten mit vollen Nasen und leeren Händen
wieder abziehen. Die russischen Agrarier ver-
stehen mit ihre Vorräte doch noch besser 11111°
zugehen als wie Eure Berliner Hofschlächter!
Nichts weiter wie einen Haufen Flöhe brachten
wir von unser Beitreibungskommando mit!
Ich alleine habe mir noch am selbigen Abend
fünfundsiebzig Exemplare von diese zoologische
Gattung vom eigenen Leibe abgelesen. Geliebte
Eltern, da sind mir fünfundsechzig Speckseiten
lieber, und ich bitte Euch, nicht zu murren,
wenn der Krieg augenblicklich manche Nnbe-
quemlichkeiten bieten tut. Es wird alles wieder
besser werden.

In diese Erwartung grüße ich Euch herzlichst
als Euer dankbarer Sohn

August Säge jun.. Garde-Grenadier.

P. 8. Aus die Fettflecke auf Muttern ihrem
lieben Brief vermute ich, daß auch sie bei die
polizeilichen Ausverkäufe profitiert hat, und
möchte mir sehr freuen, wenn sie mir mit eine
kleine Probe von ihr eventuelles durchwachse-
nes Bauchstück überraschen würde.

Heforlselii KmuüclM n «erfln

Uf/n

Zeitglossen.

Einst und jetzt.

Dereinst das Fräulein von Schmettau
Schnitt ab ihr prächtiges Äaar
!lnd hat es treulich geopfert
Dem Vaterlandsaltar.

Das war achtzehnhundertdreizehn,

So meldet uns die Geschicht',-*

Jedoch die Frau Wucherer heute
Gäb' ihre Perücke nicht.

Wandlung.

Sonst tat man oftmals daraus wetten,

Daß Lügen kurze Beine hätten.

Doch heute scheint es allerorten.

Als wären die Beine recht lang geworden.

Gedeckter Bedarf.

Daß wir in diesem Jahr an Seife arm
Ist nicht so schlimm, wie jeder leicht begreift:
Wir sind ja von dem Spekulantenschwarm
So lange schon und feste — eingeseift!

Im Vierverband.

Sie halten sich einander vor die Sünden.
Es tönt manch Klagelied in Moll und Dur.
Doch in dem Einen tut man schnell sich finden:
In der gemeinsamen Zensur.

Der Schuhfabrikant.

Ich habe gestern grob ihn angefahren.
Weil meine Sohlen nur aus Pappe waren.
Da sagte schmunzelnd dieser Musterchrist:
Wenn mein Verdienst nur nicht von Pappe ist!

Mahnung.

Wenn solch ein großes Sterben
Rings in der Welt tritt ein.

Sollt ihr von kleine» Leiden,

Philister, stille sein.

Seid lieber etwas hilfsbereit
Bei Not und bei Verlaffenheit!
 
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