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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0161
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9034

Die Latente an öriechentanü.

3dj bin der Schirmherr der Reutraien,

Fest steh' und treu ich auf der Wacht:

Vor jedem Zwang sie zu bewahren,

Bin allezeit ich streng bedacht;

Ich bin der Schutz der kleinen Staaten,

Ich kenn' und übe meine psticht,

Und in mein Amt als Freund und Gönner
Gestatt' ich keinen Eingriff nicht.

Dies sei zur Warnung dem gesagt,

Der selber sich zu schützen wagt!

Mein Ruf erscholl mit stolzem Klange
Von Sparta zu des pindus Höhn:

Frei sei das edle Volk der Griechen,

Frei die Regierung zu Athen!

Auf daß ihr Glück sie recht genieße,

Ganz ungestört, ohn' Last und Müh',
Befreie ich mit sanftem Zwange
Von allen Amtsgeschäften sie.

Freu', Hellas, deiner Freiheit dich!-

Das übrige besorge ich!

Die Sorge um dein Wohl, o Hellas,

Läßt Tag und Rächt mir keine Ruh,

Und gerne teilt' auch ich dir etwas
Von dieses Weltkriegs Freuden zu;

Rur keine Furcht vor üblen Folgen!

Glaub' mir, kein Haar wird dir versehrt!

Denn wie es einst den Belgier schirmte,

So schirmt auch dich mein Siegerschwert:

Ich schütze die Reutralität,

Die fechtend mir zur Seite steht!

wie? was? Du willst nicht? warte, Junge!

Ich psteg' nicht lang zu fackeln: Schwapp —
Schneid' ich durch eiserne Blockade
Dir jede Rahrungszufuhr ab!

Der Hunger zwingt dich auf die Kniec!

Run merke dir für alle Zeit:

Zum Schuh der Freiheit, die gehorsam,

Ist die Entente stets bereit,-

Doch wenn die Freiheit nicht pariert,
wird ihr die Gurgel zugeschnürt! sswum.

Feldpostbriefe.

XLIX.

Geliebte Elter»! Es tut mir herzlich leid,
daß Ihr mir in die Verlustliste unter die Ver-
mißten habt lesen müssen, und ich kann Euer»
Schmerz nachempfinden, denn so einen Sohn
kriegt Ihr so bald nicht wieder! Glücklicher-
weise war ja Euer Kummer und mein Schla-
massel nur vorübergehend, aber vier Tage
habe ich doch in russische Gefangenschaft ge-
stochen, und der Mage» knurrt mir noch heute,
wenn ich daran denke.

Das kam nämlich von die verfluchte feind-
liche Übermacht, gegen die eine Patrouille von
einem Fähnrich und vier Mann nichts aus-
richte» kann, selbst wenn Euer Sohn persön-
lich dabei ist. Nachts um zwölfe waren wir
zur Erkundigung einer feindlichen Stellung
ausgerückt. Wir hatten das Ziel unserer Sehn-
sucht auch schon glücklich erreicht und wollten
gerade retour machen, als wir uns plötzlich
mitten in ein russisches Regiment befanden.
Der Fähnrich meinte, wir sollten es umzingeln
und aufreiben, aber da hatte es uns schon
umzingelt. Schießen taten sie nicht, weil sie
einen so wertvollen Fang gerne lebendig haben
wollten, und uns blieb nichts weiter übrig,
als unser Pech in stramme Haltung zu er-
tragen. Wir hauten so lauge um uns, bis sie
auf uns knieten und uns die Hände auf den
Rücken gebunden hatten.

Im Eilmarsch ging es hinter die russische
Linie zurück, bis wir an einige große Mist-
haufen kamen, die sie eine Stadt nannten.
In den größten von die Misthaufen, der eine
Kaserne sein sollte, wurden wir hineinbugsiert
und alle fünfe zusammen eiugespunnt. Drei
Tage waren wir in dieses kaiserlich russische
Gewahrsam. Zu präpeln gab es so gut wie
nichts, und gebunden blieben wir auch, ob-
gleich unsere Bude so hoch lag, daß an ein

natürliches Entkueifeu nicht zu denken war.
Bloß zur Nachtruhe wurden uns die Stricke
abgenommen. Jeden Tag hieß es, wir sollten
unsere Tour nach Sibirien antreten, aber die
Abreise wurde immer ivieder verbummelt.
Unser Zeitvertreib bestand inzwischen darin,
daß rvir aus das Fenster die russische Schild-
wache, die auf uns aufpassen sollte, auf den
Kopf zu spucken versuchten, was uns aber auf
die Dauer keine rechte seelische Befriedigung
bereiten konnte, da der Mann es gar nicht
bemerkte. Er schien überhaupt die angenehme
Eigenschaft zu haben, daß er weder sehen noch
hören konnte, und wenn es schummerig wurde,
legte er sich lang hin und schlief mit dem Kuh-
fuß im Arm, bis er von einem gleichgesinnte»
Kameraden abgelöst wurde. Auf diese dienst-
liche Lebensauffassung der russischen Wacht-
posten bauten wir den Rettungsplau, der uns
auf eine sehr abenteuerliche Weise gelungen
ist und dem Fähnrich sogar eine Auszeichnung
eingetragen hat.

Als sie uns nämlich am dritten Abend
wieder die Fesseln abgenommen, diese aber,
wie es ihre dusselige Gewohnheit war, in
unsere Bude liegen gelassen hatten, warteten
wir, bis ivir dem Wachtposten unten schnarchen
hörten, und banden dann die Stricke zusam-
men. Zuerst wurde ich hinuntergelassen und
mußte bei die Schildwache Wache stehen, da-
mit sie nicht aufwachte und dienstlich wurde.
Dann kam der Fähnrich angeschwebt, und zum
Schluß die andern drei. Ich entwand sachte
meinem Schützling das fest umklanimerte Ge-
wehr aus den Armen, wobei er bloß im
Schlaf einige zärtliche Beivegungen machte
und „Maruschka" grunzte, und dann verab-
schiedeten wir uns. Es war inzwischen ganz
duster geworden, und vermittelst eines sehr
günstig gelegenen Misthaufens konnten wir
die sogenannte Kaserneumauer bequem über-
klettern.

Berlin

Nach vierstündigem Nachtmarsch kamen wir
zu einem Waldrande, wo eine russische Feld-
wache lag, auf die wir einen Schuß abgaben
und sie dadurch zu einen, überstürzten stra-
tegischen Rückzug nötigten. Glücklicherweise
hinterließ sie uns testamentarisch ihr soeben
begonnenes Abendessen, was für uns eine sehr
dringende Notwendigkeit war. Kaum hatten
wir dieses geschafft, als plötzlich die ganze
russische Linie, Infanterie und Artillerie, gegen
uns fünfe angestürmt kam. Wir konnten uns
diesen.übertriebenen Massenangriff zuerst nicht
erklären, verbargen uns aber mit gewohnte
Geistesgegenwart in eine reichliche Boden-
vertiefung und deckten uns mit abgebrochene
Aste zu. Ich glaube, es sind zwei ganze rus-
sische Regimenter über uns hinweggezogen,
aber glücklicherweise ist keins in uns hinein-
getreten. Dann war es eine Viertelstunde stille,
und mit einem Male — stellt Euch unsere
Überraschung vor! hörten wir deutsche Kom-
mandos und befanden uns mitten in unsere
Truppen, die die russische Front ausgerechnet
an diese Stelle angegriffen und in die Flucht
getrieben hatten! Es war ein ergreifender
Moment von beiden Seiten. Noch am selben
Abend befanden wir uns wieder bei unsere
Kompagnie, wo wir belobigt und der Fähnrich
wegen die siegreiche Erstürmung der russischen
Feldwache zum Eisernen eingereicht wurde.

Mit dem Wunsche, daß Euch der ausge-
standeue Schreck keinen gesundheitlichen Scha-
den zugesügt hat und daß Ihr Euch ebenso
wohl befinden möchtet wie ich, bin ich Euer
wiedergesuudener Sohn

August Säge jun., Garde-Grenadier.

NB. Obgleich wir bereits Juli haben, ist
es in dein russischen Klima noch ziemlich kalt.
Man kann also ganz ruhig Grog trinken, und
ich möchte Euch für eine dementsprechende
Flasche Rum schon im voraus meinen herz-
lichsten Dank sagen. Euer Obiger.

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Inv.-Nr.:
 
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