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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0204
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9077

Aufreizung.

ftomz Kmliftkt, Se|ll«|iwmcl

„Sie, Männccken, der Herr Bürgermeister läßt Ihnen sagen, Sie sollen
an fleisch- und fettlosen Tagen nicht zum Fenster hinaussehcn; das stört
den öffentlichen Frieden!"

ftobelfpäne. eT

Habt ihr's gespiirt, ivie die Erde gebebt,
Als wär' ihre Achse gebrochen?

Hat aus den Wolken zu uns herab
Der Welteugeist dräuend gesprochen?

Manch züngelnder Blitzstrahl fuhr gleißend

hervor

Aus finsteren Wolkenschlünden,

Und dumpfer Donner erschüttert' die Welt
In ihren tiefsten Gründen.

Ja ja, das war ein kritischer Tag,

Es kreißten Berge und Höhen
Und zitterten bei der schwere» Geburt
In ihren unendlichen Wehen.

DochhabendiekreißendenBergenur Denn eine Rede von Heydebrand
Ein lächerlich Mäuslein geboren — Drang uns in die lauschenden Ohren.

Jetzt wissen alle, daß der Weltkrieg kommen mußte. Und noch drei
Tage vor seinem Ausbruch haben Millionen ihn nicht für möglich ge-
halten.

Eine Scherzfrage: Was ist ein Multiplikator? Derjenige, der die
Gefangenenzahlen für die russischen Heeresberichte zusammenstellt.

Irland hieß bisher die „grüne Insel". Auf Befehl des Londoner
Kriegsrats soll sie jetzt zur „roten Insel" gemacht werden.

Es wird behauptet, daß die einfachere Ernährungsweise den Haar-
wuchs fördere. Bis jetzt hat man eigentlich das Gegenteil erfahren:
man hat Haare lassen müssen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Laudstürmer.

Die Kultur.

Von A. Titus.

Das ist das Land der Eskimo,

Dort lebt man herrlich noch und froh
In all dem Schnee und all dem Eis,

Weil man vom Weltkrieg dort nichts weiß.

Das Seehundsflcisch verzehrt ganz roh
Mit Lochgenuß der Eskimo,

Er schluckt den Walfischtran dazu
Und er verdaut in guter Ruh.

Die Gattin in der pelznen Los',

Die duftet nicht gleich einer Ros',

Dem Eskimo sie doch gefällt,

Weil selbst er nichts auf Rosen hält.

Der Eskimo denkt sanft und mild,

Drum war von Mitleid er erfüllt.

Als eines Tags ein Mägdlein kam.

Die voller Schreck und voller Scham.

Blutrünstig war das zart' Gesicht,

Das Auge blöd, das sonst so licht.
Zerrauft das Laar, das einst berückt
Den, der's geschaut, und ihn entzückt.

Zerfetzt das seidene Gewand,

Das einst den schlanke» Leib umspannt —
Den Eskimo erbarmt eF lind:

„Wo kommst du her, du armes Kind?"

Scheu blickt sie auf, und jener spricht:

„O fürchte dich vor uns doch nicht!"

Sie seufzt: „Als Flüchtling komm' zu euch
Ich in dies abgelegne Reich.

„Schaut mich nur an, damit ihr wißt,
Wie's jüngstens mir ergangen ist;

Ich bi» — ihr Wilden staunet nur —

Die europäische Kultur!"

Der Protz.

„Gestern kam ich mir wie ein Baron vor.
Ich bestellte im Wirtshause einen Filetbraten,
alle Leute sahen sich nach mir um."

„Donnerwetter! Hattest du denn soviel
Geld?"

„Bewahre! Es war ja fleischloser Tag!"

Trauer.

„Huber, du gehst ja in Trauer! Ist ein Ver-
wandter gestorben?"

„Das nicht, aber unser Dreizentner-Schivein
ist eingegangen!"

Glosse.

Wir denken hin und wir denken her.

Die Zukunft erscheint uns trüb und schwer.

Doch sagt uns der alten Weisheit Schluß,
Daß alles so kommen wird, wie es muß.

Daß „alles fließt" und alles vergeht.

Daß es nichts gibt, was „ewig" besteht,

Und daß, wenn uns auch nichts mehr frommt,
Es drum wieder anders und besser kommt.

&CS

Lieber Jacob!

Det muß ja 'ne knollije Freide in Jtaljcn
jewesen sind, wie de Nachricht von de jlor-
reiche Eroberung von Jörz injetroffen is!
Fimfviertel Jahre haben se det scheene Städt-
chen beschossen, bis am Ende nischt weiter
von iebrig war, wie een dreckijer Hansen von
Trimmer. Un in diesen Zustand haben sie sich
det wertvolle Kleinod anjeeijuet un mit Be-

jeisterung festjestellt, det Jörz jetz endlich 'ne
„italjenische Stadt" jeworden is. Det jloobe
ick, denn so sieht et jetz aus!

Jedenfalls hat det weltjeschichtliche Ereignis
de Mailänder Kriegshetzer zu neien Blutdurst
entflammt. Sie verlangten mit jroße Ent-
schiedenheit, det Cadorna ihnen stantepeh
jejen Berlin fiehren solle, det se im Sturm-
loof zu erobern fest entschlossen sind, 'n scheener
Jedanke, aber ick vermute, et wird 'ne Weile
dauern, ehe det de ersten Makaronitöppe uff't
Tempelhofer Feld nffjesetzt werden. Kann schon
sind, det sich inzwischen der Kreuzberg in 'n
Vesuv verwandelt hat nn Feuer spuckt. Denn
wenn der Sturmloof nach Berlin in detselbe
feirije Marschtempo znrickjelegt wird wie de
Tour nach Jörz, denn dürfte Viktor Emanuel'n
sein Einzug durch det Braudenburjer Tor kaum
vor Ablauf der nächsten Eiszeitperiode statt-
finden können. Aber det Volk der Römer is
ja von det antike Altertum .her jewohnt, mit
jroße jeschichtliche Zeiträume zu rechnen, also
weswejen soll et sich nich ooch uff diesen etwas
langwierijen Scherz einlassen?

Immerhin is et sehr praktisch von die Mai-
länder Jroßschnauzen, det se uff alle Fälle
schon jetz 'ne kleene Abschlagzahlung uff de
bevorstehende Plünderung von Berlin ver-
langen un ihre Rejierung mit wilde Ent-
schlossenheit uffordern, sofort alles deitsche
Privateijentum in Jtaljen zu beschlagnahme».
Berlin is weit un de Abruzzen find nahe, un
'n jestohlenes Portemonnöh is besser wie kcene
eroberte Reichshanptstadt!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

NedattionLschiust 20. August 1910,
 
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