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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 33.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6705#0277
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9150

Die Zivildienstpflicht.

In eitler Siegeshoffnung wiegt sich
Der Feind, der unser Land bedroht,

Und stets hat er zurückgewiesen
Die Hand, die ihm den Frieden bot;

Noch lichtet sich kein Morgenhimmel
In dieser Zeiten finstrer Nacht —:

So sei zu allen andern Opfern
Auch dieses Opfer noch gebracht!

Man glaubte uns am Boden liegen,
Entkräftet, wie des Herbstes Laub,

Schon teilte sich mit gierigem Hasten
Der Gegner in den sichern Raub:

Jetzt aber sieht die Welt mit Staunen,
Wie Deutschland seine Riesenkraft,

Die Kraft des Jünglings und des Greises,
Zum letzten Stotz zusammenrafft!

Zum letzten Stotz — wir wollen's hoffen!

Die Muskel schwillt, das Herz wird warm —
Zum letzten Schlage der Entscheidung
Hebt jetzt Alldeutschland Kopf und Arm!

Dem letzten Feindessturm zu wehren
Steht Deutschland, Mann an Mann gereiht,
Für dieses Ziel zur höchsten Leistung,

Zum schwersten Opfer jetzt bereit!

Ihr aber, die des Volkes Wille
Zu seinem Herold sich erkor,

Erschließt des Volks gerechtem Wünschen
Und Sehnen euer Herz und Ohr:

Was von ererbter Last und Fessel
Das Volk bedrückt, zerreitzt's und brechts!
Seid nicht nur unsrer Pflichten Mehrer,

Seid auch die Hüter unsres Rechts! Armmms.

Ein Opfer.

Zn der französischen Kammer wurde der Antrag gestellt,
um die Wiederbevölkerung Frankreichs zu fördern, für
jedes neugeborene Kind Prämien zu zahlen und die
Kosten durch ein Alkoholmonopol aufzubringen.

Jean Polin war ein strammer.

Tollkühner Patriot

Und wollte Kinder zeugen,

Wie's Poincars gebot;

Doch auch den Staalsfinanzen
Zu Frankreichs Ehr' und Ruhm
Sucht kräftig aufzuhelfen er
Durch den Likörkonsum.

Aus letztgenanntem Grunde
Saß Jean schon morgens früh
Beherzt in der Taverne
Beim Fläschchen Eau de vie;

And hat er spät am Abend
Die letzte Pulle aus.

So torkelt, duhn wie 'n Pickenstiel,

Zu Muttern er nach Laus.

Bei diesem Lebenswandel
Blieb Potins Wiege leer.

Denn es vertragen nimmer
Sich Liebe und Likör;

Er wollte beiden dienen.

And das gelang ihm nicht.

And deshalb wurde Jean Potin
Ein Opfer seiner Pflicht.

Sechs Pullen schon am Tage
Bezwang der Patriot,

Litt dreimal am Delirium,

And dann soff er sich tot;

In seines Lebens Blüte

Ward Jean dahingerafft-

Zuviel verlangt das Vaterland
Von eines Mannes Kraft! Sulla.

Feldpostbriefe.

LX.

Geliebte Eltern! Ihr fragt mir, wie es mit
die Verpflegung hier a» die rumänische Grenze
bestellt ist, und ich kan» Euch hierauf nur die
Antwort geben: mal so, mal so! Nämlich in
die Front, wo wir unsere dienstlichen Hunger-
abwehrkanonen haben, sehr gut; hier in die
augenblickliche Reservestellung dagegen nicht
berühmt. Denn was die hiesige Eingeborenen-
schaft sich aus ihre Maiskolben und andere
botanische Gewächse zusammenkocht, das dürfte
man bei »ns keine Gerbertöhle anbieten. Ich
ernähre mir trotzdem noch recht bekömmlich,
denn mein Magen besitzt eine sehr große Ver-
wandlungsfähigkeit. Aber mein Kamerad Fritze
Lehmann aus die Ackerstraße erlebt manche
schlimmen Tage. Jetzt im Herbst ist die Zeit,
wo er egal nach Gänsebraten schreit, den es
ja sogar bei Euch in Berlin nicht mehr gibt,
geschweige denn in diese slowakischen Gelände.

Letzten Sonntag hatten wir Gottesdienst
und der Geistliche hat dabei zum Trost von
des bekannte Mannah erzählt, das der liebe
Gott in die biblische Geschichte auf die hung-
rigen Juden vom Himmel herunterkleckern
ließ. Mitten während die Predigt erhob sich
plötzlich ein Brummen in die Wolken und ein
paar Abergläubische meinten schon, jetzt käme
das Mannah. Aber es war Essig, oder viel-
niehr ein feindlicher Flieger, der uns, anstatt
mit etwas Nahrhaftiges, mit Bomben beschmiß.
Wir mußten sofort raus aus den Betsaal und
eine heftige Beschießung unternehmen. Dabei
zeichnete sich besonders, unser Fritze Lehmann
aus, der nun seine enttäuschten Träume in
ein wildes Schnellfeuer austoble. Der Flieger
empfahl sich unbeschädigt, aber sein letzter
Gruß schlug fünfzig Meter von uns ein und
Schlamm und Steine flogen uns reichhaltig
um die Ohren. Salt wurden wir von dieses
Mannah nicht, aber dreckig.

Itetorlsolii Koinoilssiün « Berlin

In diesen Zustand setzten wir uns zum
Mittagessen hin und Fritze Lehmann erklärte,
daß er bestimmt und wahrhaftig in einen
Hungerstreik eintreten werde, wenn ihm nicht
endlich in die nächsten vierundzwanzig Stunden
eine gebildete europäische Nahrung vorgesetzt
weiden ivürde. In denselben Augenblick ging
wieder das Summen am Himmel über uns
los und nun war Fritze nicht mehr zu halten.
Wutbrllllend stürmte er mit seinen Kuhfuß
vor die Türe und spielte Maschinengewehr:
fünf Schuß in drei Sekunden! Gleich darauf
hörten wir sein Triumphgeschrei: „Getroffen!"
und sahen auch ivirklich einen grauen Gegen-
stand mitten aM die Wolken herunterkommen.
Aber es war kein feindlicher Flieger nicht,
sondern ein großer Vogel, und wie wir ihn
aufhoben, stellte der Einjährige Meyer fest,
daß es eine Wildgans sei. Das weitere brauche
ich Euch, geliebte Eltern, nicht zu schildern,
denn Ihr kennt ja Fritze Lehmann. Das Biest
— ich meine die Wildgans — wurde sofort
in ihr eigenes Fett gebraten, und obgleich sie
ziemlich tranig schmeckte, hat Fritze ihr den-
noch bis auf einige verwendungsunfähige Reste
herunter gewürgt. „Jans is Jan?," sagte er
und soff dazu den Rest von meinen Gilka
aus, mit die Entschuldigung, daß er dem sei-
nigen bereits vor drei Tage erledigt hätte.
Von dem Hungerstreik will er nun vorläufig
absehen, aber er ist fromm geworden und
glaubt an biblische Vorbedeutungen. Jedoch
pflegt so was bei Fritzen nicht lange anzu-
halten.

Inzwischen grüße ich Euch herzlichst als
Euer dankbarer Sohn

August Säge jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Ich habe Fritzen dem Gilka
herzlich gern gegönnt, aber ich möchte wegen
seine Unmäßigkeit doch nicht Mangel leiden.
Ihr würdet mir daher durch deni Besitz einer
neuen Pulle eine sehr angenehme Überraschung
bereiten.
 
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