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— 9172

Zur Jahreswende.

3n des Jahres letzte Stunden
Fiel das lang ersehnte Wort,

Und in Millionen Kerzen
Mang sein freudiges Echo fort:

Jenes Wort, das kühn des Hasses
Eisig dumpfes Schweigen brach
Und zum erstenmal vom Frieden —
höre, Welt! — vom Frieden sprach.

Mag der Feind auch drehn und deuteln:
Mar und fest steht unser Wort,

Und das Saatkorn, das wir pflanzten,
Reimt in allen Herzen fort!

Und mit ruhigem Gewissen,

Sicher, fest und unbeirrt
harrten wir des Widerhalles,

Der von drüben kommen wird;
Wird Vernunft jetzt triumphieren,
Oder siegt der blutige wahn?
Wir, das dürfen stolz wir sagen,
haben unsere Pflicht getan.

Und so treten mit der sichern
Hoffnung wir ins neue Jahr,

Daß der erste Schritt zum Frieden
Dennoch nicht vergebens war! Nrminius.

Während unser Volk in Waffen
Un der Jalomitza Strand
Um die sturmzerfetzten Fahnen
Neue Lorbeerreiser wand,

Ehe noch der Siegesglocken
Letzter Eon verklungen war,
Boten wir die Hand dem Feinde
Redlich zur Versöhnung dar.

Feldpostbriefe.

LXII.

Lieber Maxe! Angesichts der jetzt in Berlin
herrschenden abendlichen Düsternis und son-
stigen Einschränkungen des Alkoholmißbrauchs
beklagst Du Dir wieder einmal über Lange-
weile. Ich habe wie immer Mitleid mit Dir
und will Dir daher zur Auffrischung Deiner
einschlummerndeü geistigen Eigentümlichkeiten
eine wahrheitsgetreue Schilderung davon ge-
ben, wie es hier bei uns jetzt zugeht, wo wir
keine Langeweile haben.

Also vorigen Donnerstag morgens bin ich
vor dem Frühstück mit vier Kameraden und
einem Hauptmann auf eine Lokomotive zwanzig
Meilen Bahn gefahren, um festzustellen, wie
weit die Strecke fahrbar ist. Links und rechts
vom Bahndamm fanden zufällig gerade ein
paar Entscheidungsschlachten mit die Rumänen
und Russen statt, nach die wir uns aber nicht
umsehen konnten, iveil wir erst unfern Befehl
auszuführen hatten. Nachdem dann eine Wald-
schlucht passiert war, befanden wir uns auf
einmal am Ufer eines riesigen Gewässers, von
dem wir nicht wußten, ob es die Donau oder
das Schwarze Meer war — so breit war es.
Aber diese geographische Unkenntlichkeit konnte
uns am Ende auch schnuppe sein, denn hin-
über ging es sowieso nicht, weil die Bahn-
brücke zerstört war. Damit hatten wir unfern
Auftrag erledigt und konnten zu Hause machen.
Gerade in diesen Moment aber erblickten wir
auf das andere Ufer eine starke Kompagnie
Rumänen, die hinter eine Hecke hervorkamen.
Wir glaubten, sie würden uns befunken, aber
sie hoben verständigerweise die Hände hoch
und ergaben sich. Da sie nämlich bloß nnsere
Lokomotive aus die Waldschlucht hervorstechen
sahen, waren sie der irrtümlichen Meinung,
daß dahinter ein ganzer Transportzug wartete,
und wichen daher der Übermacht. Dies war
für uns ja sehr schmeichelhaft, aber wir wußten
nicht, wie wir dieHerrschaften erlangen konnten,
weil das Wasser, wie gesagt, zu breit war.
Während wir uns noch den Fall überlegten,
erschien hinter die erste rumänische Kolonne
eine zweite, hinter diese eine dritte usw. in
eine unabsehbare Länge. Und wie die zweite

sah, daß die erste sich ergab, folgte sie dieses
einladende Beispiel und die übrigen taten es
nicht minder. Da durchzuckte mir ein dienst-
licher Gedanke, den ich sofort unserm Haupt-
mann meldete. Dieser rief daraufhin die erste
Kolonne der Rumänen zu, sie sollten ihre
Säbel, Gewehre, Tornister, Patronen usw. ins
Wasser schmeißen, was auch sofort befolgt
wurde. Dadurch entstand in dem Strom eine
Art Damm, den die später nachrückenden
feindlichen Truppen betreten und von wo aus
sie ihre Waffen und Ausrüstungsgegenstände
ebenfalls abwerfen mußten. Nachdem ein ru-
mänisches Armeekorps sich auf diese Weise
seines Gepäckes entledigt hatte, war der Fluß
vollständig überbrückt und die ganze Gesell-
schaft konnte herüberkommen. Wir teilten sie in
fünf Brigaden ein, und jeder von uns Kame-
raden übernahm den Abtransport von eine
derselben, während der Hauptmann den Ge-
neralstab mit alle Papiere und einen Fessel-
ballon dirigierte. — Nachdem wir mit unsere
Gefangene etwa fünfzehn Meilen — es können
vielleicht auch zivanzig gewesen sein — mar-
schiert waren, hörten wir in die Nähe einen
starken Knall und gleich darauf mehrere und
merkten, daß wir hoch aus die Wolken von
ein feindliches Flugzeuggeschwader beschmissen
wurden. Es muß wohl ein russisches gewesen
sein, denn diese kennen sich unter die gemischten
Uniformen ihrer Ententebrüder manchmal nicht
aus und haben die Rumänen jedenfalls für
Feinde gehalten. Nun wurde die Sache nml-
mig, denn jeden Augenblick krepierte ein Schock
Fliegerbomben vor unsere Füße. Ta hatte ich
zum zweitenmal einen dienstlichen Einfall, dem
der Hauptmann sofort zustimmte. Der erbeu-
tete Fesselballon wurde klar gemacht und der.
rumänische kommandierende General hinein-
gesetzt. Dann ließen wir ihn hochsteigen, bis
er zwischen die feindlichen Flieger war und
diese über ihren Irrtum aufkläre» konnte. Die
Russen baten ihn vielmals um Entschuldigung
und zogen Leine. Wir aber hißten unser» Ballon
mitsamt dem Kommandierenden herab und
waren noch zum Frühstück wieder bei unsere
Kompagnie. Glücklicherweise war gerade etwas
reichlicher gekocht worden wie sonst, so daß
auch das gefangene rumänische Armeekorps

cb* UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK Ä

.MANNHEIM

satt gemacht werden konnte. Umstände konnten
wir allerdings mit die unverhofften Gäste nicht
machen, es gab nur, wie gewöhnlich, Kaffee
mit Zucker und Sahne, dann für jeden Mann
ein Biefstück mit Setzeier und zum Nachtisch
Butter und Käse nebst Gilka nach Belieben.

Du wirst Dir vielleicht wundern, lieber Maxe,
von unsere Gefangennahme eines rumänischen
Armeekorps nichts in Deine Zeitung gelesen
zu haben. Aber so was passiert bei unsere Kom-
pagnie fast jeden Tag und wird überhaupt
gar nicht mehr gemeldet.

Mit herzlichem Gruß Dein alter Freund
August Säge jun., Garde-Grenadier.

Nachschrift. Das obige wahrheitsgetreue
Vorkommnis sowie auch das Frühstück bestätigt
als Augenzeuge

Fritz Lehmann aus die Ackerstraße,
Garde-Grenadier.

Das Schaufenster.

Hellen elektrischen Lichtes Glanz
Fällt auf der Delikatessen Kranz.

Der Zug der Menschen draußen stockt:

Das helle Schaufenster winkt und lockt.

viel Frauen, die nach Hause gehn
von schwerer Arbeit, bleiben stehn,

Und Kinder, bleichsüchtig und matt,

Drücken sich schier die Nase platt.

Manch fettem Gänslein sich Forellen
Nebst Täubchen und Wildbret zugesellen.

Tin angeschnittener Schinken glänzt,
von Nüstern und Pasteten umkränzt.

Tin dicker Schlemmer am Fenster stand —

Nm Ende ein Heereslieferant —

Blickt lächelnd und denkt sich: „Ti, der Daus!
Man hungert uns wahrhaftig nicht aus.

„Was den verwöhnten Gaumen reizt,

Bietet sich dem, der mit Geld nicht geizt;
Wofern er's hat in Börse und Bank —

Na, und ich hab's ja, Gott sei Dank!"

Hellen elektrischen Lichtes Schein
Leuchtet weit in das Dunkel hinein,

Und zeigt den Wandernden zur Frist

viel mehr noch, als was - im Schaufenster ist!
 
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